Kapitel 3

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Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker. Ich rieb mir die Augen und sah mich blinzelnd um. Wo bin ich?
Ich brauchte einige Sekunden bis ich mich erinnerte, dass ich in meinem Bett in meinem neuen Zimmer lag. Heute war der erste Unterrichtstag.
Unmotiviert setzte ich mich gähnend auf und blickte in ein helles Augenpaar direkt vor meiner Nase.
„Ahhhh!".
Erschrocken rückte ich ein Stück zurück.
Miyu lachte. „Sorry, wollte dich nicht erschrecken."
Erleichtert atmete ich auf. „Verdammt du hast mich zu Tode erschreckt!"
Miyus Blick wurde etwas ernster.
„Du solltest dich etwas beeilen wenn du noch was zu essen haben willst, die andern nehmen dabei keine Rücksicht auf uns."
Schnell stand ich auf, ging ins Bad, duschte schnell, Band meine Haare zu einem hohen Zopf zusammen, zog meine Uniform an und schminkte mich schnell. Und das alles in 20 Minuten.
Miyu war begeistert. Auch sie war mittlerweile fertig.
„Eins muss ich dir lassen, du bist sehr schnell."
Ich lächelte und gemeinsam gingen wir in den Gemeinschaftsraum des Wohnheims in dem Frühstück ausgegeben wurde. Hier saßen schon einige andere Schüler.
Wir aßen etwas und gingen dann aus unserem Zimmer unsere Taschen mit den Schulsachen holen. Wir hatten noch 15 Minuten bis der Unterricht begann.
Ein Glück kannte Miyu sich hier aus und wusste wo unser Klassenzimmer war. Ich hätte mich in diesem riesigen Schulgebäude hoffnungslos verlaufen.
In unserem Klassenzimmer angekommen setzten wir uns an einen Tisch in der zweiten Reihe am Fenster.
Neugierig sah ich mich im Raum um. Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus. Oh nein!
Aus der anderen Ecke das Klassenzimmers starrten mich zwei braunrötliche Augen an. Satori Tendō saß dort alleine am Tisch. Wieder einmal lief mir ein Schauder über den Körper.
Miyu folgte meinen Blick und schnaubte verächtlich.
„Beachte diesen Idioten nicht. Er ist verrückt. Keiner weiß, was mit dem nicht stimmt. Manche behaupten er wäre von Dämonen besessen. Wenn ich ehrlich sein darf, denke ich das auch."
Ich riss meinen Blick von dem Volleyballspieler los und sah Miyu an.
„Wie meinst du das?"
Miyu seufzte. „Dieser Typ ist nicht normal. Viele haben Angst vor ihm. Er will aber auch mit niemandem reden. Die einzigen, die es mit ihm aushalten, sind die anderen Spieler seines Teams. Also beachte ihn nicht, er schaut immer so dumm."
Damit war das Thema für Miyu wohl beendet.
Mein Blick huschte wieder zu Tendō, der mittlerweile den Kopf auf die Hände gestützt hatte. Die Augen geschlossen vor sich hin summend.
Der Lehrer betrat die Klasse und begann den Unterricht mit einer Vorstellungsrunde.
Der Unterricht verlief ruhig und ging relativ schnell vorbei. Während dem Unterricht musste ich an Miyus Aussage denken. Der Typ ist verrückt. Manche denken er sei von Dämonen besessen...
Es stimmte, er war eigenartig und sein Blick sprach auch nicht gerade für ihn, aber ich wollte mich von ihrer Aussage nicht beeinflussen lassen. Ich wollte mir meine eigene Meinung bilden.

Die Schulglocke ertönte zum Unterrichtsende. Seufzend packte Miyu neben mir ihre Sachen zusammen.
„Der erste Tag und ich hab jetzt schon kein Bock mehr."
„So schlimm fand ich das jetzt auch nicht.", entgegnete ich.
Neben mir ließ Miyu ein angewidertes Schnaufen hören.
Überrascht sah ich auf. Direkt vor uns stand der rothaarige Volleyballspieler. Seine Augen waren halb geschlossen.
„Was willst DU denn hier?", schnaubte das Mädchen neben mir verächtlich.
Tendō ignorierte sie und sah mich an.
Ich musste schlucken und erwiderter seinen Blick.
„Hey du Idiot, schau sie nicht so an und zieh Leine!"
„Lass gut sein Miyu.".
Miyu sah mich erstaunt an.
Ich hielt Tendō's Blick immer noch stand.
„Satori Tendō hab ich recht? Was kann ich für dich tun?". Ich legte all meine Konzentration darauf, meine Stimme nicht zittern zu lassen. Was mir sogar erstaunlich gut gelang.
Der Rothaarige nickt jedoch nur zur Bestätigung.
Ich spannte mich an. Was soll denn das?
„Also...Hör zu, wir können hier nicht noch ewig rumstehen, schließlich musst du doch auch zum Training.", versuchte ich erneut eine Konversation mit ihm zu starten.
„Ja ich weiß. Ich warte.", erwiderte er.
Seine Stimme ließ mich erschaudern. Ich räusperte mich.
„Auf was wartest du dann?"
„Dich."
Erstaunt wäre mir beinahe die Kinnlade runtergeklappt.
„A...Auf mich?"
Tendō legte den Kopf schief.
„Du bist doch heute auch dabei."
Er wollte mich also einfach nur begleiten?
„Äh ja das stimmt.", gab ich zurück und schulterte meinen Rucksack.
Tendō nickte. „Na dann los, Wakatoshi mag es nicht wenn man zu spät kommt."
Mit diesen Worten drehte er sich um und lief los.
Immer noch überrascht folgte ich ihm zögernd.
Miyu packte mich an der Schulter.
„Du willst doch nicht etwa mit dem Verrückten mitgehen. Was wenn er dich jetzt für irgendsoeine Dämonenscheiße opfert?", zischte sie mir ins Ohr.
„Jetzt mach aber mal halblang! Er hat nur auf mich gewartet.", fuhr ich sie an. Das war viel zu übertrieben. Er meinte es doch nur gut.
Ich ließ sie stehen und folgte Tendō aus dem Klassenzimmer.
Mit den Händen lässig in den Hosentaschen und leicht nach vorn gekrümmten Rücken lief der Junge vor mir durch die Schulgänge.
Ich nutze die Gelegenheit und betrachtete ihn genauer.
Seine Feuerroten Haare waren wild nach oben frisiert, seine Haltung war leicht geduckt, mit hochgezogenen Schultern. Sein Blick huschte ruhelos von einer Seite zur anderen.
Die Schüler um uns herum gingen unauffällig auf Abstand und warfen Tendō nervöse Blicke zu.
An der Sporthalle angekommen verschwand Tendō ohne ein Wort in der Umkleide und ließ mich stehen.
Kopfschüttelnd betrat ich die Halle und hielt Ausschau nach Trainer Washijo. Ich entdeckte ihn bei einem anderen Mann. Bis auf die beiden war die Halle noch leer.
Zögernd ging ich auf die beiden zu. Der Trainer bemerkte mich, bevor ich bei ihnen angekommen war.
Der Ansatz eines Lächelns zierte seine Mundwinkel.
„Hallo Takara, schön das du gekommen bist, das ist Herr Saitou, der Vice-Coach."
Herr Saitou schenkte mir ein Lächeln und sah mich durch seine Brille freundlich an.
„Wir freuen uns, dass du gekommen bist um uns zu unterstützen. Ich hoffe bei uns gefällt es dir. In der Mädchenumkleide liegt eine Sporthose und ein T-Shirt für dich bereit."
Ich bedankte mich und ging schnell in die Umkleide um die Klamotten zu wechseln.
Wieder in der Halle hatte sich das Team bereits bei ihren Coaches versammelt.
Ich lief zu ihnen und stellte mich neben Coach Saitou.
Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich spürte die Blicke der Spieler auf mir.
„Also Jungs, heute sind Aufschläge und Annahmen dran. Shirabu, du wirst gemeinsam mit Ushijima und Tendō dein Zuspiel verbessern.", wies Coach Washijo an.
Das Team nickte.
„Also ab, drei Runden um die Halle."
„Jawohl!", kam es synchron von den Spielern. Gemeinsam joggten sie aus der Halle.
Ich war wieder mit den Trainern alleine.
„So, solang sie Laufen bauen wir das Netz auf und holen die Ballwägen raus.", erklärte mir Coach Saitou.
Zusammen mit den beiden Coaches baute ich das Netz auf und schob die Ballwägen aus dem Geräteraum. Gerade als ich den letzten Wagen rausschob, erreichten die ersten beiden Spieler wieder die Halle.
Ushijima und Tendō.
Die beiden fingen an sich zu dehnen, bis der Rest des Teams dazu stieß.
Während die Jungs sich in zweier Teams zusammen taten, um abwechselnd Aufschläge und Annahmen zu üben, stellten mir die Coaches die Spieler vor. Ihren Namen und ihre Position, ihre momentanen Schwächen und ihre Stärken.
„...und Satori Tendō, unser bester Mittelblocker. Er hat zwar eine sehr eigenartige Art zu spielen. Er spielt rein aus Intuition heraus. Er ist der einzige, der Ushijimas Bälle alleine halten kann. Er wird auch das Guess-Monster genannt. Er liegt mit seinen Annahmen fast nie falsch."
Bewundernd sah ich zu dem Rothaarigen rüber, der gerade einen Ball übers Netz schmetterte.
„Hey, Suzuki-san! Willst du uns vielleicht helfen?", rief Shirabu zu uns rüber.
Er stand mit Ushijima und Tendō an der hinteren Seite der Halle.
„Ja klar, was kann ich denn tun?"
Ich entschuldigte mich bei den Coaches und joggte zu den dreien.
„Wir wollen mein Zuspiel und Tendō's Blocks optimieren. Dafür wäre es von Vorteil wenn du mir Bälle zuwerfen könntest.", erklärte mir Shirabu.
„Na klar, das bekomm ich hin."
Ich stellte mich neben den Ballwagen und wartete bis die drei ihre Positionen eingenommen hatten.
Ich warf Shirabu einen Ball zu, er spielte Ushijima zu, der von rechts Anlauf nahm, sprang und den Ball mit der Linken übers Netz schmetterte.
Der Ball prallte auf dem Boden auf, ohne das Tendō sich auch nur bewegt hatte.
Mit schiefgelegten Kopf sah er dem Ball hinterher.
„Da war ich wohl zu langsam."
„Willst du mich eigentlich verarschen? Du hast dich nicht mal bewegt!", rief Shirabu.
Tendō fixierte ihn. „Ist das so? War wohl ein Fehler meiner seits."
Der Zuspieler schnaubte.
Ich nahm einen weiteren Ball und warf ihn wieder zu Shirabu. Ushijima setzte zum Angriff an, aber diesmal war Tendō da. Er sprang synchron mit dem Ass hoch und blockte den Ball perfekt ab.
„Na geht doch.", sagte Tendō begeistert.
„Los noch eine...", begann Shirabu.
„Achtung Querschläger!", hallte es durch die Halle.
Aus dem Augenwinkel sah ich einen Ball mit hoher Geschwindigkeit in meine Richtung fliegen....

Der etwas andere LiebhaberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt