Kapitel 28

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Der Unterricht verlief schleppend.
Gelangweilt kritzelte ich auf meinem Block herum.
Die Inhalte des Matheunterrichts gingen bei mir links rein und rechts auf direktem Weg wieder raus.
Miyu neben mir hatte den Kopf auf ihren Armen abgelegt und schnarchte leise vor sich hin.
Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass auch Satori am Wegdämmern war.
Mein Blick wanderte wieder auf mein Blatt, mit den verschiedenen Formen, die mein Kugelschreiber gezaubert hatte.
Langsam wurden auch meine Augen schwer und ich stützte meinen Kopf auf meiner Handfläche ab.
Eine Hand knallte vor mir auf den Tisch.
Erschrocken riss ich die Augen auf und sah in das wütende Gesicht unseres Mathelehrers.
Miyu neben mir riss den Kopf hoch.
„Die Antwort ist 5!", rief sie verschlafen und ließ den Blick verwirrt durch den Raum wandern, bis er an dem Lehrer hängen blieb.
Kichern wurde im Klassenzimmer laut.
Verlegen sah Miyu auf den Tisch und murmelte eine Entschuldigung.
„Das bedeutet eine Stunde Nachsitzen für dich. Direkt heute nach dem Mittagsunterricht.", verordnete der Lehrer.
Mitfühlend sah ich meine Freundin an.
„Für dich gilt das auch und für dich ebenfalls Tendō!", rief der Lehrer wütend aus.
Erschrocken sah ich ihn an.
„Das geht nicht Sensai! Ich muss ins Training!", protestierte Satori verschlafen hinter mir.
Ich nickte zustimmend.
„Das ist mir egal. Das ist eure Strafe dafür, dass ihr im Unterricht schlaft. Keine Diskussion!". Somit ging er wieder zurück zur Tafel und fuhr mit dem Unterricht fort.
„So ein Mist! Jetzt komm auch ich zu spät zum Training.", murmelte ich Miyu zu.
„Bei mir ist es ja nicht so schlimm. Aber wir beide wissen, wie allergisch Coach Washijo und Ushijima gegen Zuspätkommer sind.", wisperte sie zurück.
„Oh oh."
Das stimmte. Besonders Coach Washijo hasste es, wenn jemand zu spät kam. Und da zählte Nachsitzen nicht als Ausrede.
„Wir müssen uns was einfallen lassen.", sagte ich also leise.
„Oh ja! Eine geheime Rettungsaktion!", rief Miyu und hielt sich erschrocken im selben Moment die Hand vor den Mund.
„Soll ich deine Nachsitzzeit auf zwei Stunden erhöhen?", donnerte der Lehrer.
Miyu schüttelte heftig den Kopf und entschuldigte sich abermals.
Für den Rest des Unterrichts schwiegen wir und schrieben uns gegenseitig Nachrichten auf einen Zettel.
Als es dann endlich zur Mittagspause klingelte, atmete ich erleichtert auf.
„Dieses ganze Formelzeug geht einfach nicht in meinen Kopf rein. Gleichung hier, Gleichung da. Ergebnis für die Variable einsetzen und mit Advitationsverfahren ausrechnen!", stöhnte ich und packte meine Sachen ein.
„Du meinst wohl das Additionsverfahren.", korrigiert Satori mich.
„Gesundheit."
Satori lachte.
„Wie soll ich denn bitte die blöde Prüfung schaffen? Ich versteh nur Bahnhof!", rief ich aus.
„Na wenigstens verstehst du den Bahnhof! Das kann auch nicht jeder.", sagte Satori mit erhobenem Zeigefinger.
Tadelnd sah ich ihn an.
„Das ist nicht witzig."
Satori öffnete gerade den Mund, um etwas zu erwidern, doch ich war schneller.
„Komm mir jetzt ja nicht mit: Aber funny!"
Satori schloss grinsend wieder den Mund.
„Kann auch mal was Sinnvolles aus deinem Mund kommen?", fragte ich seufzend und verdrehte gespielt genervt die Augen.
„Sinnvoll."
Ich sah ihn mit einem Ist-Das-Dein-Ernst-Blick an.
„Du bist einfach unfassbar!"
Satori legte nachdenklich den Kopf schief und erhob den Zeigefinger.
„Unfassbar gutaussehend. Unfassbar intelligent. Unfassbar sportlich. Unfassbar liebenswert."
Er streckte seine Zungenspitze aus dem Mundwinkel.
„Soll ich weitermachen?"
Mir fehlten die Worte. Und meinen Blick konnte ich auch nicht beschreiben.
Eine Mischung aus Entsetzten, Ungläubigkeit und noch irgendwas anderes.
Ich konnte es nicht fassen.
„Ich geb's auf! Dir kann man nicht mehr helfen!", rief ich aus und warf die Arme in die Luft.
Der Rothaarige nutzte die Chance und klammerte sich an mich.
Ich lächelte leicht und fuhr ihm durch die Haare.
Die Blicke der Anderen ignorierte ich einfach.
Nur wenige waren wohlwollend. Die meisten angewidert oder entsetzt.
Doch das war mir herzlichst egal!
Satori gab schnurrende Geräusche von sich. Er genoss sichtlich die kleine Krauleinheit.
„Verschiebt das auf später und lasst uns endlich essen gehen!", drängte Miyu und schnappte sich bereits ihre und meine Tasche.
Vorsichtig schob ich den Rothaarigen von mir, der nur protestierend brummte.
Verschmilzt grinste ich die Beiden an.
„Lasst uns gehen und den Schlachtplan für Operation Nicht-Nachsitzen austüfteln."

In der Mensa wartete das restliche Team bereits auf uns an unserem Stammtisch.
„Jungs, wir haben ein großes Problem!", begann ich, stellte mein Tablet ab und ließ mich zwischen Satori und Shirabu fallen.
„Satori, Miyu und ich müssen nach dem Unterricht nachsitzen!", berichtete ich dramatisch.
„Was habt ihr dann schon wieder angestellt?", fragte Semi.
Empört sah ich ihn an.
„Was heißt hier schon wieder?"
„In den letzten zwei Wochen musstet ihr schon dreimal nachsitzen und vier mal Strafarbeiten schreiben.", zählte der Setter auf.
Ich zog eine Schnute.
„Jaaaa gut. Aber da mussten wir nicht nachsitzen, als wir Training hatten. Das war ja nicht so schlimm. Aber jetzt ist es wirklich schlimm!"
Satori nickte bestätigend.
„Wirklich sehr schlimm!", bekräftigte er mich.
„Coach Washijo wird euch den Kopf abreißen.", stimmte nun auch Goshiki zu.
„Wir brauchen einen Plan!", rief Shirabu.
„Genau, daran hatten wir auch gedacht. Einfach nicht hingehen ist zu langweilig. Es muss was anderes sein!", sagte ich, froh, dass Shirabu dabei war.
„Wie wär's mit Feueralarm auslösen?", warf Goshiki ein.
Ich überlegte kurz.
„Ne, dann findet auch kein Training statt."
„Krankheit vortäuschen?"
„Auch nicht. Dann werden wir direkt ins Wohnheim geschickt."
„Oder..."
„Jetzt macht mal halblang!", unterbrach uns Semi.
Verwirrt sahen Goshiki, Shirabu, Satori und ich ihn an.
„Ihr seid ja alle vier gleich dämlich!"
Fragend legte ich den Kopf schief.
„Wer hat dich denn falsch durch den Busch gezogen? Normalerweise bist du doch immer ganz vorne mit dabei wenn die Jungs hier Mist bauen."
Semi nickte.
„Stimmt schon. Aber ihr geht die Sache falsch an. Ich hab einen besseren Plan!"
„So kennen wir dich. Ich dachte schon du wirst jetzt zum Spielverderber!", trällerte Shirabu.
Wakatoshi seufzte.
„Euch kann man nicht helfen.", murmelte der Große vor sich hin.
„Nein, wir sind einfach unverbesserlich!"

Fast die gesamte Mittagspause tüftelten wir zu fünft an unserem Plan.
Semi hatte zwei seiner Klassenkameraden gefragt, ob sie uns dabei helfen würden, von denen er wusste, sie bräuchten Hilfe bei Mathe.
Die Beiden hatten was gut bei ihm, also waren sie natürlich dabei.
Der Plan sah folgendermaßen aus:
Wir drei würden brav zum Nachsitzen erscheinen und uns Aufgaben geben lassen. 10 Minuten später würde Semi ins Klassenzimmer kommen und den Lehrer herausrufen.
Da Semi glücklicherweise einer der Lieblingsschüler des Lehrers war, würde dies kein Problem darstellen.
Seine Klassenkameraden würden in einem anderen Raum warten.
Semi würde dem Lehrer erklären, dass er jetzt Training habe, jedoch die Beiden ganz dringend Hilfe bei einer Aufgabe bräuchten, da sie morgen eine Klassenarbeit schreiben würden.
Der Lehrer würde Semis Bitte nicht ausschlagen und sobald er ins andere Zimmer geht, verschwinden wir.
Semis Klassenkameraden müssten den Lehrer nur lange genug beschäftigen können.
Der Plan hörte sich nahezu perfekt an.
Jetzt musste er nur noch umgesetzt werden.

Der etwas andere LiebhaberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt