Kehrseite

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Sie saß auf dem Sofa, ein Päckchen Tiefkühlerbsen auf ihr Handgelenk gepresst. Neben ihr saßen Chris und Jeremy. „Es ist nicht einmal so, dass ich mir jetzt besonders große Sorgen mache. Ich schätze ich habe einfach Angst, eines Tages festzustellen, dass ich so nicht weitermachen kann und dann keinen Ausweg zu haben." Chris sah sie an. Sein Blick war unergründlich. „Ich kann dir nicht versprechen, dass du nie das Gefühl haben wirst, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben." Jeremy blickte in an. „Aber ich kann dir versprechen, dass du immer uns haben wirst. Dass es immer jemanden geben wird, der deine Probleme versteht." Er erwiderte Jeremys Blick. „Und das macht es so viel einfacher." Ein kurzes Lächeln glitt über sein Gesicht.

„Vorausgesetzt der Sohn des Abflussrohres kommt nicht zurück, um seinen Vater zu rächen." Chris blickte sie überrascht an. Sie schmunzelte. Dann fiel ihr Blick auf Jeremy und ihre aufkeimende, gute Stimmung erlosch. „Ich würde so gern mit euch beiden reden!" Jeremy schloss für einen Moment die Augen und öffnete sie wieder. Dann sah er Chris an. „Ich weiß." Jeremy nickte. Die beiden faszinierten Stephanie jeden Tag aufs Neue.

„Ich mache mir auch Sorgen um euch!" „Um uns?" Chris lachte. „Sieh uns an. Wir sind die geistige Gesundheit in Person." Stephanie sah zwischen den Beiden hin und her. Wäre sie nicht gewesen, würden sie einen ganz normalen Tag verbringen, ohne Psychiater für sie spielen zu müssen. „Ich will nicht, dass ihr euch für mich verantwortlich fühlt. Bevor ich hier hereingeschneit bin hattet ihr eure eigene, merkwürdige Form der Normalität hier aufgebaut. Seitdem ich hier bin habe ich euren ganzen status quo über den Haufen geworden. Jeden Tag gibt es ein neues Drama mit mir. Ich bin schlimmer als eine Daily soap." Chris musste lachen. „Du bist aber deutlich unterhaltsamer als eine Soap." Sie sah ihn unglücklich an.

„Steph. Seitdem du hier bist, haben wir uns so viel zu sagen wie schon lange nicht mehr! Dass das hier funktioniert heißt nicht, dass es nicht verbesserungsfähig wäre. Eine dritte Person im Haus zu haben macht alles...lebendiger." Sie sah überrascht zu ihm auf. Er lächelte sie an. Auch Jeremy nickte zustimmend. „Ich glaube ein Wochenende im Wald ist doch keine so üble Idee." Sie versuchte sich an einem optimistischen Lächeln. „Das freut mich zu hören." Stephanie hätte gerne wieder geweint. Diesmal vor Rührung. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hatte, konnte es recht heilsam sein. Doch sie fürchtete, die Beiden würden es wieder als schlechtes Zeichen deuten, also sah sie davon ab. Einen Gefallen konnte sie den Beiden allerdings tun, nach allem was sie für sie getan hatten.

„Meine Hand tut wirklich weh, ich glaube, sie ist gebrochen." Das war nicht einmal gelogen. Dem Geräusch nach zu urteilen, das sie bei ihrem Sturz gehört hatte, musste sich die Anzahl ihrer Handwurzelknochen mindestens verdoppelt haben. Sie hielt Jeremy ihren Arm entgegen. „Könntest du...?" Jeremy sah sie überrascht an. „Bist du sicher?" Fragte Chris unsicher. Sie versuchte möglichst bemitleidenswert auszusehen. Sie schluchzte. „Auh..." Jeremy musterte sie kurz. Dann reichte er ihr sein Vorderbein. Sie zog eine rote Furche in ihren Unterarm. Schon merkwürdig, wie schnell sie das hier als Realität akzeptiert hatte, dachte sie sich noch, als der Schmerz über sie hinwegrollte.

Als sie die Reste der Benommenheit wegblinzelte, sah sie Jeremys Gesicht. Er kniete vor ihr auf dem Sofa und sah sie besorgt an. „Hast du noch Schmerzen?" Sie bewegte probeweise das Gelenk. Es protestierte nicht. Daher schüttelte sie den Kopf. Kurzentschlossen sprang sie vom Sofa. Die höfliche Variante wäre gewesen, direkt zu verschwinden, doch sie wollte es sich zumindest einige Momente lang ansehen. Sie setzte sich vor dem Sofa auf den Boden und mustere die Beiden. Erst sahen sie sie verwirrt an, dann, wie aus Gewohnheit, einander. Dann fiel der Groschen.

Chris grinste Jeremy an. „Hi." Sagte er. „Hi." Kam es von einem perplexen Jeremy zurück. „Jeremy, ich glaube wir sind auf eine List hereingefallen." Jeremy sah zu Stephanie herüber, die den Kopf schief legte. „Steph, das hättest du nicht..." Doch er grinste sie bereits an. Damit zog sich Stephanie zurück. Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer, dankbar, dass sie nach innen aufschwang, sonst wäre es ein deutlich würdeloserer Abgang geworden. Sie sprang auf ihr Bett und rollte sich dort zusammen. Sie wollte ohnehin ein wenig schlafen. Eigentlich spielte es keine große Rolle, in welchem Körper sie es tat.

Sie lauschte Jeremys und Chris' Stimmen, die aus dem Wohnzimmer gedämpft zu ihr herüberdrangen und ihr Herz machte jedes Mal einen kleinen Satz, wenn einer von Beiden lachte.

North is where the wind smells of pinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt