Kapitel 17 (Jughead's Sicht)

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„Vielen Dank, Mr. Jones, dass ich bei Ihnen für ein paar Tage wohnen darf", bedankt sich Betty bei meinem Vater, der anscheinend abwesend ist.
„Schon gut", brummt er und starrt wie gebannt auf den Bildschirm, als wäre es das Spannendste der Welt, zu sehen wie ein paar Männer sich einen Football zu werfen.
Ich habe Betty gleich nach dem gewaltigen Streit mit ihrer Mutter zu mir gebracht, von nun an wird sie hier ein bisschen wohnen bleiben, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben.
Falls wir eine bessere finden.
Mit Betty zusammenzuwohnen, klingt für mich wie das Schönste auf der Welt. Außer, dass mein Vater mit uns in diesem muffigen alten Trailer wohnt.
Betty hat tiefe Ringe unter den Augen und sie sieht blass aus. Seit wir zu Hause sind hat sie sich schon zweimal übergeben, die Krankenschwester meinte aber, dass das normal bei Gehirnerschütterungen ist.
„Ich muss mal ins Bad", presst Betty hervor und stürmt an mir vorbei in Richtung Badezimmer. Sie lässt den Wasserhahn laufen, damit wir ihr Würgen nicht hören.
„Was hat se denn?", nuschelt mein Vater und trinkt seine halb volle Bierflasche in wenigen Zügen aus. Dann stellt er sie zu den schon zwei geleerten Flaschen.
„Sie hat eine Gehirnerschütterung", sage ich so beiläufig wie möglich, während ich das Prospekt von einem Pizzalieferaten durchlese, dass an unserem Kühlschrank hängt.
„Übrigens", setze ich an, dabei tippe ich die Nummer des Lieferanten in mein Handy ein, „Danke, dass Betty hier wohnen kann. Ist echt cool von dir."
„Mmh", gibt mein Vater als Antwort zurück, normalerweise reden wir nie so viel am Abend.
„Gehst du später noch weg oder bleibst du zum Abendessen? Wir bestellen Pizza", frage ich, in der Hoffnung unser Gespräch aufrecht zu erhalten.
„Bin später im Wyrm", antwortet er, dann stellt er die Lautstärke des Fernsehers höher.

„Wie geht es dir?", frage ich Betty, die es sich bereits im Bett in meinem T-Shirt gemütlich gemacht hat.
„Besser", antwortet sie lächelnd und zieht mich runter zu hier.
„Danke", flüstert sie und gibt mir einen kurzen Kuss auf die Wange. Ich streichele ihr liebevoll durchs offene Haar. Doch sofort kommen mir wieder ein unschöne Gedanken hoch.
„Betts, was machen wir, wenn deine Mom hier aufkreuzt? Du bist noch nicht 18."
Betty seufzt und zieht sich die Decke bis ans Kinn hoch. „Sie kennt deine Adresse nicht", sagt sie gähnend und knipst das Nachttischlampe aus. Ich weiß, dass sie müde ist, aber das ist echt wichtig. Also knipse ich die Lampe wieder an.
„Betts, ich meine es ernst. Du bist noch nicht volljährig, das könnte schlimmen Ärger geben."
Betty greift wieder nach der Lampe, doch ich halte ihre Hand diesmal fest. „Jug, beruhig dich. Ich habe ihr doch ausdrücklich befohlen, mir vom Hals zu bleiben."
Ich schnaube verächtlich. „Klar, die Drohung hat sie sich vollkommen ernst genommen", antworte ich sarkastisch und halte ihre Hand.
„Ich meine es ernst. Ich hätte kein Problem damit, wenn Sweet Pea ihr einen Besuch abstatten würde."
Das sind große Worte, selbst für Betty.
Seufzend fahre ich mit meinem Daumen über ihren Handrücken. Manchmal kommt sie mir so verletzlich vor, als wäre Betty aus Glas. Aber im nächsten Moment ist sie dann wieder die stärkste Person, die ich kenne.
„Betts, glaub mir, es ist wichtig, eine Mutter zu haben." Ich fahre langsam die nackte Haut ihrer Arme auf und ab. „Deine Mom sorgt sich um dich, sie will, dass es dir besser geht. Sie kennt dich gut, Betts. Ich meine, sie mich an. Meine Mutter hat mich und meinen Dad verlassen und ist ganz ohne Grund mit Jellybean davon gezogen, nach Toledo. Mittlerweile kommt sie mir schon fast vor wie eine Fremde. Ich habe Jellybean seither kein einziges Mal mehr gesehen. Ich würde alles dafür geben, eine normale Familie zu haben. Einen normalen Vater, einen Mutter, die einen nicht einfach so verlässt und eine Schwester."
Betty läuft stumm eine Träne über die Wange und ich wische sie schnell weg.
„Weine nicht."
Betty schnieft leise und wischt sich weitere Tränen aus den Augenwinkeln. „Ich liebe meine Mom ja, Juggie. Ich liebe sie wirklich sehr, aber wir sind einfach so verschieden. Manchmal kann ich es gar nicht glauben, dass wir verwandt sind. Sie erwartet so viel von mir, aber das, was mich glücklich macht, ist ihr unwichtig."
Ich seufze schweren Herzens. Ich konnte Betty ja wohl kaum sagen, wie sehr ich mir so ein Verhalten von meinem Vater wünschen würde. Dass er sich um mich sorgt, sich um mich kümmert.
„Was ist eigentlich mit deinem Vater, Betty?", frage ich stattdessen, und mir fällt auf, dass wir noch nie über Betty's Vater gesprochen haben. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es nur sie und ihre Mom gibt.
Betty zuckt unwillkürlich mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich hab's aufgegeben. Früher, als ich noch klein war, habe ich Mom immer nach ihm gefragt, hab aber nie Antworten bekommen."
Sie lächelt verschmitzt, als würde sie sich an etwas erinnern. „Mit Archie und ein paar anderen Kids habe ich dann einen Suchtrupp gestartet, um meinen Vater zu finden. Wir haben Poster gemacht und Flugblätter verteilt. Es hat sich aber nie jemand gemeldet."
Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Besser keinen Vater zu haben, als so einen wie ich?
„Tut mir leid, Betts. Ich wollte dich nicht traurig machen."
Betty nimmt mein Gesicht in beide Hände und lächelt mir aufmunternd zu. „Das hast du nicht, Jug. Ich finde es wichtig, wenn wir über solche Themen reden. Dass du dich so wegen der Mom fühlst, das tut mir leid. Aber ich kann ja wohl kaum einen Mann vermissen, der mein Vater sein soll, wenn ich ihn noch nie gesehen habe."
Schon wieder ist sie die Stärkste, meine Betty.
Ich küsse Betty erleichtert auf die Stirn, dann ziehe ich sie an mich und drücke sie fest an mich.
„Ich liebe dich so sehr."
Betty's verliebter Ausdruck reicht mir vollkommen als Antwort.
„Schlaf jetzt", flüstere ich in ihr Ohr und in wenigen Minuten ist in unserem kleinen Schlafzimmer nur noch der Klang ihres rhythmischen Atmens zu hören.

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt