Kapitel 39

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Es war falsch.
Grauenhaft und falsch.
Ich liebe Jughead über alles.
Über wirklich alles!
Kein Junge auf dieser Welt könnte es je mit ihm aufnehmen.
Aber warum ... habe ich mich dann so bei Archie gefühlt?
Es war, als wäre ich ausgewechselt gewesen.
Eine andere Betty.
Archie war der erste Junge, in den ich mich verliebt habe. Aber nicht der erste Junge, der mir das Herz gebrochen hatte.
Jughead war für mich beides. Er hat mir gezeigt, wie man liebt. Er hat mir gezeigt, wie weh Liebe tut. Und er hat mir gezeigt, wie man ein gebrochenes Herz wieder zusammenbaut.
Er hat mir alles gezeigt und alles gegeben.
Er ist der einzige Mensch, dem ich voll und ganz vertraue. Ich weiß, wie sehr ich mich liebt. Ich weiß, dass ich ihm wichtig bin.

Archie setzt mich netterweise beim Pop's ab, wo Jughead bestimmt schon auf mich wartet.
Wir beide haben die ganze Autofahrt lang kein Wort miteinander gewechselt. Aber es war keine unangenehme, peinliche Stimme. Es war irgendwie schön, weil wir beide einfach unseren Gedankengängen nachgegangen sind.
Wenn Archie nur wüsste, über was ich die ganze Zeit nachdenken musste! Seine tiefbraunen Augen, die ganz anders waren als Jug's. Seine trainierten Arme, die die Gitarre festhielten. Seine Stimme, die sich so weich und verletzlich anhörte.
All das ging mir durch den Kopf.
Aus dem Radio lief das Lied "Love of my Life" von Queen, ich wusste, wie sehr Archie diese Band liebt.
Er summte leise mit, völlig gedankenverloren.
„Danke für die Fahrt", sage ich, als Archie auf dem Parkplatz vorm Diner hält. Kurz bevor ich die Autotür schließe, kann ich mich doch noch überwinden. „Möchtest du nicht mit reinkommen? Jug würde sich bestimmt freuen."
Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie bin ich total nervös und mein Herz klopft schneller als gewöhnlich.
Doch Archie winkt lässig ab und lehnt sich in seinem Autositz ein bisschen zurück. „Ach, lass gut sein. Ich hab noch eine Menge Hausaufgaben, die auf mich warten. Ich werde Kevin gleich aber als aller erstes die Audiodatei mit dem Song mailen."
Er zwinkert mir zu und lacht.
Ich nicke und wische mir die schweißnassen Hände an der Jeans ab. „Okay. Dann mach's gut. Wir sehen uns ja bestimmt morgen."
Archie nickt ebenfalls, lässt den Motor aber noch nicht anspringen. Fragend sehe ich ihn an.
„Danke. Für heute, meine ich. Das habe ich echt gebraucht. Einfach wieder mal mit dir zu reden ... über Gott und die Welt." Er seufzt und vergräbt das Gesicht in seinen Händen. „Früher war es immer so einfach, weißt du? Aber jetzt, ich meine, wir sind fast erwachsen, Betty. Bald beenden wir die Highschool, das kann ich noch gar nicht fassen."
Ich weiß genau, was er meint. Die Tage, in denen wir Kinder waren, sind vorbei. Nur noch bloße Erinnerungen.
„Hey, Arch." Ich schaue mich kurz um und setze mich dann wieder zu ihm ins Auto. „Sei nicht so hart zu dir, okay? Du schaffst das, ich weiß es einfach. Versuch es einfach zu genießen und nimm die schwierigen Sachen als Herausforderungen."
Ich könnte schwören, dass Tränen in seinen Augen glitzern.
„Danke, Betty. Danke."
Ich greife nach seiner Hand und drücke sie kurz, dann stehe ich wieder auf. „Ich muss jetzt wirklich los. Schick mir eine SMS, wenn du zu Hause bist, ja?"
Archie lässt den Motor aufheulen.
„Klar. Bis morgen."
Ich hebe zum Abschied die Hand und sehe ihm noch nach, bis sein Auto hinter der nächsten Ecke verschwunden ist.
Im Pop's sitzt Jughead natürlich an seinem Lieblingsplatz, der Theke. Vor ihm steht ein leerer Teller, da ich ihn kenne, weiß ich, dass die wenigen Überreste von Pop's berühmten Cheeseburger stammen. Daneben steht eine Tasse mit schwarzem Kaffee und vor ihm prangt sein alter, klobiger Laptop, der jeden Moment droht zusammenzufallen.
„Hey", begrüße ich Jug und gebe ihm einen raschen Kuss auf die Wange, dann lasse ich mich auf den freien Hochstuhl neben ihm fallen.
Jughead drückt auf „speichern" und klappt dann schnell den Laptop zu. Ich konnte auf die Schnelle nicht erkennen, was er machte. Ich schätze, es war irgendein Dokument oder so.
„Hey. Na, wie war's bei Archie? Seid ihr fertig mit dem Song geworden?"
Ein Lächeln umspielt seine Lippen.
Ich nicke und greife beiläufig nach der Speisekarte, obwohl ich das Menü hier schon seit Jahren auswendig kenne. „Ach, ja, er ist ganz gut geworden. Archie schickt ihn später an Kevin weiter. Wenn er ihm gefällt, benutzen wir ihn vielleicht sogar im echten Musical und nicht nur als Hausaufgabe."
Jug pfeift anmerkenden durch die Zähne. „Wow, das wäre ja cool. Ich kann schon gar nicht erwarten, dich auf der Bühne zu sehen."
Sein Mund ist nah an meinem Ohr, und seine Stimme, die jetzt so nah ist, verschafft mir direkt Gänsehaut.
„Daran will ich gar nicht denken", murmele ich. „Vor so vielen Menschen, nämlich der gesamten Riverdale High und noch mehr, zu singen, scheint mir grauenhaft. Ich bin jetzt schon total nervös."
Jughead hebt seine Hand und ruft Pop her. „Ach, mach dir keine Sorgen, Betts. Du bist in allem, was du machst gut. Außerdem gibst du die perfekte Julia, da bin ich mir sicher."
Genau das Gleiche hat er auch gesagt, als es um meine Yale-Bewerbung ging. Er sei sich sicher, ich schaffe das, ich solle mir keine Sorgen machen.
„Ein Erdbeer-Milkshake für meine Freundin, Pop. Dankeschön." Jughead schob Pop ein paar Dollarscheine hin.
„Ach, junge Liebe", schwärmt Pop und steckt die Geldscheine ein, dabei beobachtet er mich und Jughead gerührt. „Wisst ihr Kinder, als ich in eurem Alter war, da war ich auch verliebt. Es war der erste Sommer, den ich hier gearbeitet habe. Da kam sie rein, zur Tür. Ein bildhübsches Mädchen, mit langen rotblonden Haaren. Candace hieß sie. Ach ja, meine erste große Liebe."
Gedankenverloren sortiert Pop das Geld in seine Kasse, dabei verlegt er einen Zwei-Dollarschein zu den Ein-Dollarscheinen.
„Erzähl weiter", drängt Jughead, der bereits seinen Laptop geöffnet hat und Pop erwartungsvoll ansieht."
„Tja, mein Junge, eine richtige Schönheit war Candace Parker. Sie kam jeden Sommer her, eigentlich lebte sie aber in Chicago. Wir verbrachten den ganzen Sommer zusammen und viele weitere danach auch."
Jughead's Finger fliegen über die Tastatur, ich hatte ihn noch nie so schnell schreiben sehen.
„Erzähl weiter, Pop!"
Aber Pop seufzt nur und stellt mir den Milkshake hin, verziert mit einer frischen Erdbeere.
„Da gibt es leider nicht mehr viel zu erzählen. Irgendwann, ich schätze, es war so gegen 1970. Ich wartete am Bahnhof in Greendale auf sie, um sie abzuholen. Aber sie kam nie. Ich weiß noch, ich verbrachte den ganzen Tag am Bahnhof, schlief sogar dort, aber am nächsten Tag kam Candace auch nicht. Ich dachte, vielleicht hat sie ihren Zug verpasst. Ich wartete Tage, Wochen, schließlich Monate auf sie. Schrieb Briefe, schickte sie aber nur an die Stadt Chicago, weil ich ihre Adresse nicht wusste. Dann, gegen Winter desselben Jahres, las ich es in der Zeitung. Candace hat geheiratet, damals stand so was noch in der Zeitung, wenn jemand aus der Stadt geheiratet hat. Und da Candace normalerweise so oft in Riverdale war, gehörte sie irgendwie dazu. Aber seit dem kam sie nie wieder nach Riverdale zurück, bis heute nicht."
Jughead tippt immer noch wie wild auf der Tastatur rum. „Wow, Pop, das ist eine fantastische Geschichte!"
Ich trete Jughead unter der Theke leicht gegen das Schienbein, manchmal ist er so taktvoll wie ein Vorschlaghammer.
„Ah, tut mir leid, Pop. Es ist wirklich eine traurige Geschichte. Allerdings ist sie gut für meinen Schreibkurs, den ich in der Schule belegt habe. Dürfte ich die Geschichte vielleicht ausleihen? Ich würde sie natürlich ein bisschen abändern, die Namen auch. Ich könnte sie aber echt für ein wichtiges Projekt gebrauchen."
Pop nickt und lacht Jughead an. „Na klar, mein Junge. Glaub mir, ich bin längst über Candace Parker hinweg. Ich habe sie seit fast Fünfzig Jahren nicht mehr gesehen, geschweige denn von ihr gehört. Die Geschichte gehört dir. Ich bin immer froh, wenn ich helfen kann."
Jughead bedankt sich herzlich und beginnt gleich mit dem Schreiben, während ich meinen Milkshake trinke und ihm zusehe.
Wir verbringen noch den ganzen Abend im Pop's, bis es Zeit wird, nach Hause zu gehen.

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt