Kapitel 37

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Es ist Mittwoch.
Ich habe die Nacht kaum geschlafen, meine Gedanken gaben mir einfach keine Ruhe. Immer wieder musste ich daran denken. An Yale, die Warteliste, Jughead ... all das schwirrte durch meinen Kopf.
Daran konnte auch keine kalte Dusche oder ein schwarzer Kaffee helfen, als wir an der Riverdale High ankommen bin ich immer noch todmüde.
„Wir sehen uns in der Mittagspause, ja? Ich habe jetzt eine Englischprüfung."
Jug drückt mir einen Kuss auf die Lippen und läuft dann schnell Richtung Englischkurs.
Ich hatte heute glücklicherweise keine Prüfung, mir steht nur noch das Treffen mit Archie später bevor.
Ich gehe zu meinem Spind, um mein Mathebuch zu holen, als mir Veronica über den Weg läuft. Sie hat ein knielanges, enges schwarzes Kleid an und ihr Dekolleté ziert eine Perlenkette. Um mir ihr Handgelenk baumelt eine nagelneue Handtasche aus schwarzen Leder, die perfekt zu ihren mattschwarzen Schuhe passen.
„Oh. Hi, Betty. Wie geht es dir? War nicht gestern die Verhandlung von Jughead's Vater?"
Sie bleibt stehen und haucht mir zwei Küsschen auf die Wange. Ein Schwall ihres teuren Parfüms überkommt mich.
Ich nicke. „Ja, richtig."
Veronica sieht mich etwas bedauernd an. In meinen ungewaschenen Jeans und dem unordentlichen Dutt sehe ich neben ihr wie ein Bauernmädchen aus.
„Ach, B, das tut mir ja alles so schrecklich leid. Das muss wirklich schwer für euch sein, vor allem für Jughead. Wir sollten wirklich mal wieder ordentlich shoppen gehen. Dann kommst du bestimmt auf andere Gedanken."
Ich will schon dankend ablehnen, doch Veronica Lodge will davon gar nichts hören.
„Ich werde Daddy fragen, ob wir das Wochenende in unserem Ferienhaus am Shadow Lake verbringen dürfen. Er hat es renovieren lassen, jetzt ist es eine Mischung aus luxuriös und rustikal. Es wird dir bestimmt gefallen."
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ein Wochenende in der "Lodge-Lodge", so haben Veronica und ich das Ferienhaus von ihrer Familie immer genannt, nicht verlockend klingt. Früher, als wir noch kleiner waren, haben wir dort oft im Sommer mit ihrer Familie Urlaub gemacht.
„Ich werde mal in meinem Terminkalender nachsehen", sage ich und zwinkere Ronnie zu. „Aber wo willst du denn eigentlich hin? Du siehst so schick aus. Gibt es irgendwen, den du hier beeindrucken willst?"
Veronica lacht und streicht sich eine dunkele Haarsträhne aus dem Gesicht. „Nein, nein. Leider gibt es hier niemanden, der auch nur ansatzweise gut genug für mich ist."
Trotzdem fällt mir die leichte Röte unter ihrem perfekten Make-up auf.
„Nein, tatsächlich habe ich ein Vorsprechen. Ich habe mich doch bei einer Schauspielschule in New York beworben. Tja, ich habe wirklich ein Vorsprechen bekommen. Ich treffe mich gleich mit den Vorsitzenden im Five Seasons. Wünsch mir Glück!"
Ich halte beide Daumen in die Höhe. „Du wirst das schon schaffen, Ronnie. Die werden begeistert sein."
Veronica macht eine theatralische Verbeugung, bevor sie mich noch einmal mustert. „Und wie läuft es so bei dir? Ist deine Yale-Bewerbung schon zurückgekommen?"
Diese Worte versetzen mir einen Stich in die Brust. Trotzdem versuche ich die Fassade aufrecht zu halten.
„Nein. Noch nicht da."
Ich spüre, wie mir die Tränen in den Augen brennen. „Ich muss jetzt echt los, Ronnie. Schreib mir später, wie das Vorsprechen gelaufen ist, ja? Ich hab dich lieb."
Ich drücke sie noch kurz an mich, dann laufe ich auch schon in schnellen Schritten davon, bis ich es ins Bad schaffe.
Auf der Mädchentoilette spritze ich mir erstmal etwas kaltes Wasser in mein Gesicht, bevor ich an der Wand heruntergleiten lasse und auf den Boden falle. Ich ziehe die Knie an und vergrabe meinen Kopf in meinen Armen.
Mein Atem geht schnell und flach, außerdem ist mir heiß und schwindelig.
Eine Panikattacke.
Ich versuche, kontrolliert zu atmen, doch es fällt mir nur noch schwerer. In meinem grauen Pulli schwitze ich total und in meinem Kopf dreht sich alles.
In letzter Sekunde schaffe ich es noch, meinen Kopf über die Kloschüssel zu beugen.
„Betty? Bist du das? Ach, du liebe Güte. Was ist denn hier los?"
Zu allem Überfluss ertönt nun Cheryl Bombshell's Stimme. Die Cheryl, die mich mit ihren Todblicken am liebsten aufspießen würde, seit ich die Rolle der Julia ergattert habe.
Ich spüle ab und wische mir schnell mit der flachen Hand über den Mund. „Alles okay", sage ich durch meinen zusammengepresstes Lippen, da ich mich nicht noch mal übergeben möchte.
„Hier." Cheryl hält mir ein paar Papiertücher hin.
Ich sehe sie verwundert an, nehme die Tücher dann aber und wische mir noch mal über Mund und Hände.
„Warte, du hast da noch was an deinem Shirt."
Cheryl hält ein Papiertuch unter den Wasserhahn und wischt mir den Fleck aus dem Pullover.
Ich kenne Cheryl schon seit der Grundschule, aber noch nie habe ich sie so hilfsbereit und ... nett gesehen.
„Äh, danke", murmele ich und lehne mich wieder gegen die kühle Wand. Ich schließe die Augen und versuche den Rest meines Frühstücks in mir zu behalten.
„Eine Panikattacke, was?", sagt Cheryl leise und setzt sich neben mich. Ich bin erstaunt, dass sie nicht schon längst weggegangen ist, natürlich nicht ohne einen fiesen Kommentar.
Ich nicke und stöhne leise vor Schmerz.
Cheryl seufzt und fährt sich durch das wellige feuerrote Haar. „Meine Mutter hat das auch. Panikattacken, meine ich. Manchmal fällt sie sogar in Ohnmacht."
Penelope Blossom, Cheryl's Mutter, ist eine der angesehensten Frauen in ganz Riverdale. Ihre Gesten sind immer kalt, ihre Stimme ernst. Zusammen mit ihrem Ehemann leitet sie das größte Geschäft in der Stadt, sie verkaufen selbst hergestellten Ahornsirup.
„Aber sie nimmt Medikamente, ihr geht es also gut."
Cheryl lacht leise, aber mir ist nicht zum Lachen zumute.
„Oh, entschuldige. Tut mir leid."
Hat Cheryl Blossom sich gerade wirklich bei mir entschuldigt?
„Schon in Ordnung. Danke", sage ich und winke ab, immer noch erstaunt von diesem Wunder.
„Hör mal, Betty. Ich weiß, wir sind keine Freundinnen, aber es tut mir wirklich leid, dass du damit zu kämpfen hast. Was auch immer es ist, du musst es mir nicht erzählen. Hoffentlich stehst du das gut durch. Und wenn du mal reden möchtest, was ich bezweifele, dann kannst du gerne zu mir kommen. Meine Tür steht von jetzt an für dich offen, ja?"
Ihre rot geschminkten Lippen verziehen sich zu einem kleinen, sanften Lächeln. Sie drückt noch meine Hand, dann steht sie auf und klopft sich den Staub von dem rot kartierten Minirock.
„Pass auf dich auf, okay?"
Ich nicke. „Danke, Cheryl."
Meine Stimme ist nichts mehr als ein Krächzen, doch für Cheryl scheint es genug zu sein. Sie lächelt noch einmal kurz, dann verlässt sie das Badezimmer.
Ich bleibe noch kurz sitzen und denke über das Geschehene nach. Cheryl Blossom kommt einem sonst immer so unantastbar vor, die Bienenkönigin, die HBIC.
Aber gerade wirkte sie noch fast wie ein Kind. Ein kleines, verletzliches Kind, das sich um ihre Mutter sorgt.

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt