Kapitel 21 (Jughead's Sicht)

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Am nächsten Tag fahre ich am Nachmittag zur Polizeistation der Riverdale Northside. Auf der Southside wird momentan noch unter den Anforderungen von Hiram Lodge, der reichste Mann in ganz Riverdale und dazu noch Veronica's Vater, gebaut.
Betty ist heute wieder länger in der Schul geblieben, um Kevin bei den Vorbereitungen für die erste Probe am Freitag, in zwei Tagen, zu helfen. Erst wollte sie mit mir kommen, aber ich konnte sie gerade noch so davon abhalten.
Ich schäme mich dafür, dass Dad schon wieder festsitzt. Generell schäme ich mich für ihn. Ich weiß nicht, wie Betty es mit uns aushält. Klar, mein Vater ist nicht oft zu Hause, aber wenn er es ist, dann vollkommen betrunken, dreckig und mit schlechter Laune.
Sein Alkoholkonsum ist, seit wir nach Riverdale gezogen sind, noch schlimmer geworden. Manchmal kommt er tagelang nicht nach Hause und hinterlässt mir nicht einmal eine Nachricht. Und jetzt bin ich wieder derjenige, der das Geld auftreiben kann, um ihn aus dem Knast zu holen.
Seufzend stoße ich die Tür zum Polizeirevier auf. An der Rezeption steht Mr. Keller, Riverdale's Sheriff.
„Tag, Jughead", begrüßt er mich, als ich vor der Rezeption stehenbleibe. „Bist du wegen deinem Vater hier?"
Ich nicke. „Ja, er wurde gestern auf Kaution festgenommen. Wann wird die Verhandlung sein?"
Sheriff Keller kommt auf mich zu, legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich in einen abgelegenen Raum, vermutlich sein Büro. Er schließt die Tür und bitte mich zu sitzen.
Ich setze mich gegenüber von ihm in einen Sessel mit dunkelgrünen Bezug.
„Hör mal, Jughead", beginnt Mr. Keller, „dein Vater ist jetzt zum vierten Mal auf Kaution festgenommen worden. Ihr wohnt noch nicht mal seit einem Jahr in Riverdale. Ich bin früher mit deinem Vater zur Schule gegangen, das weißt du vielleicht ja. Jedenfalls waren wir nie wirklich befreundet, aber dein Vater war früher echt ein netter Kerl. Sehr sportlich, er wollte unbedingt ein Stipendium, um Football an einem College zu spielen."
Sheriff Keller lacht kurz auf, während er in Erinnerungen schwelgt.
„Schon gut, wie viel wird die Kaution den ungefähr kosten?", frage ich schnell. Mein Dad hat keinen richtigen Job, manchmal arbeitet er im Whyte Wyrm als Barkeeper. Das einzige Geld, das ich habe, ist mein Collegegeld. Seit meinem 13. Geburtstag habe ich jeden Cent gespart.
Sheriff Keller seufzt und faltet die Hände. „So einfach ist das nicht, Jughead."
„Ich weiß, ich weiß. Erst wird mein Vater einen Anwalt brauchen, dann wird es eine Verhandlung geben und dann kann ich die Kaution abbezahlen. Aber Sie wissen doch sicher, wie viel dieser Betrag so ungefähr kosten wird. Ich möchte mich nur drauf vorbereiten."
Sheriff Keller seufzt wieder und sieht mich ernst an. „Jughead, vielleicht wird es nicht auf eine Kaution hinauslaufen. Dein Vater stellt öffentlich eine Gefahr da. Es wäre das beste, für uns alle, wenn wir ihn hier behalten würden."
Ich versuche die Worte zu verarbeiten, die Mr. Keller gerade ausgesprochen hat.
„Er ... er wandert also in den Knast?", frage ich ungläubig.
„Ins Gefängnis, aber ja. So sieht es momentan aus. Aber Glück im Unglück hast du ja, die bist 18 und wirst somit nicht in eine Pflegefamilie müssen."
Mein Vater war einmal bisher im Knast. Und das auch nur für vier Wochen. Obwohl ich immer glaubte, dass ich ohne ihn besser dran wäre, waren die vier Wochen in einer Pflegefamilie die schlimmsten meines Lebens.
„Wie ... wie lange? Ein paar Wochen, vielleicht Monate?"
Ich wollte alles wissen, ich musste alles wissen.
Sheriff Keller zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich noch nicht, wir müssen auf die Verhandlung warten. Ich denke nicht, dass es länger als fünf Jahre sein wird."
Ich traue meinen Ohren nicht. Fünf Jahre! In fünf Jahren würde ich 23 sein. Ich würde ein erwachsener, vielleicht sogar verheirateter Mann sein! Ich würde an irgendeinem College studieren und Bücher schreiben. Und mein Dad würde im Knast hocken?
„Sheriff Keller ...", stottere ich, „können wir nicht bitte eine Kaution abbezahlen? Meine Mom ist gerade in der Stadt, außerdem habe ich Geld gespart. Bitte, nennen Sie mir einen Betrag und ich zahle ihn."
Sheriff Keller schüttelt traurig den Kopf. „Es tut mir leid, Jughead. Ich werde dich oder deine Mutter anrufen, wenn wir ein Datum für die Verhandlung haben. Deinem Vater haben wir einen Anwalt zugestellt, er wird also vertreten."
Ich kann es nicht glauben. Ich kann es wirklich nicht glauben!
„Möchtest du vielleicht kurz mit ihm reden?", fragt Mr. Keller, als ich nicht antworte. Ich schüttele stumm den Kopf, da meine Kehle viel zu trocken ist, um auch nur ein Wort herauszubringen.
Er nicke und steht auf, dann öffnet er die Tür. „Das wird schon, Jughead. Es ist das beste, glaub mir. Dein Vater ist ein guter Mann und tough dazu. Geh nach Hause und grüß deine Mutter von mir, ja?"
In meinen Ohren rauscht das Blut, als ich aufstehe und Sheriff Keller die Hand schüttele. Dann verlasse ich mit wankenden Schritten das Revier und lasse mich schwer auf den Sitz meines Autos fallen.
„Knast, vielleicht fünf Jahre", flüstere ich, als ich die Autotür hinter mir zugezogen habe. Ich starre durch die Windschutzscheibe irgendwo in die Ferne und denke an meinen Vater. Er sitzt jetzt irgendwie da drin, in einem orangen Overall und wartet auf seine Verhandlung. Ob er weiß, was ihm bevorsteht? Ob er sich schämt, ob er es bereut? Ob er an mich denkt?
Wütend schlage ich auf mein Lenkrad ein und schlage dreimal heftig an auf die Hupe.
Salzige Tränen brennen in meinen Augen und laufen mir heiß über die Wangen. Ich hoffe, dass er sich schämt! Er soll sich dafür schämen, dass er seinen einzigen Sohn zurücklässt. Wenn er aus dem Gefängnis kommt, werde ich höchstwahrscheinlich nicht mehr in Riverdale sein.
Betty wird an Yale studieren und ich ... das habe ich ihr noch nicht erzählt. Und jetzt weiß ich auch nicht mehr, wie ich es ihr erzählen soll.
Wütend haue ich noch mal auf die Hupe ein. Dann atme ich dreimal tief ein und aus und lasse den Motor anspringen. Mit gemischten Gefühlen bahne ich mir einen Weg zum Sunnyside Trailerpark, der traurigste Ort in ganz Riverdale.

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