Kapitel 46 (Jughead's Sicht)

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Ich stoße die Tür zum Whyte Wyrm mit so einer Wucht auf, dass die bis eben anhaltenden Gespräche sofort verstummen.
„Schau mal, der Boss ist da", flüstert einer der jüngeren Serpents seinem Freund zu. Beide schauen mich mit geweiteten Augen und einem respektvollen Blick an.
Erhobenen Hauptes laufe ich durch die Tischreihen und setze mich an die Bar. Dort nehme ich meine Mütze habe und fahre mir durch das kurze braune Haar, bevor ich meine Bestellung aufgebe.
„Ein kaltes Bier, bitte."
Die beiden Barkeeper tauschen verdächtige Blicke aus und obwohl beide wissen, dass ich noch keine 21 Jahre alt bin, schenke sie mir das Bier ein.
So ist das halt, als Serpent King. Hier, auf der Southside, haben sie alle Respekt vor mir. Sogar die Älteren, wie Tallboy, der sich zwar gewaltig zusammenreißen muss, um keinen blöden Spruch abzugeben, aber immerhin schafft er es.
„Wie geht es deinem Vater?", fragt einer der Barkeeper und reicht mir den kalten Bierkrug.
Bevor ich das Glas ansetze, antworte ich Schultern zuckend: „Keine Ahnung, ich habe ihn seit der Verhandlung nicht mehr gesehen. Hab nur ein paar Mal mit dem Sheriff telefoniert."
Ich trinke einen Schluck und versuche nicht zusammenzuzucken, als mich der bittere Geschmack erreicht. Ich mag keinen Bier, generell trinke ich keinen Alkohol. Und das aus gutem Grund.
„Ist deine Mom noch in der Stadt? Gladys?"
Ich schüttele den Kopf. „Nein, abgereist. Kommt auch nicht wieder."
„Schade", sagt der zweite Barkeeper und ich erkenne, dass es Tallboy ist. „Die ist echt ein scharfes Ding."
Vor Wut haue ich mit der flachen Hand auf die Theke, sodass die Gläser klirren.
„Mach mal halblang, Tallboy, ja? Dem Jungen geht's nicht gut", sagt der Andere im ernsten Tonfall.
„Mir geht es blenden", widerspreche ich.
„Und deswegen das Bier? Ehrlich, Jones?"
Ich drehe mich um und sehe in Toni's zusammengekniffene Augen. Sie nimmt sich den anderen Barhocker und setzt sich zu mir.
„Wo ist Betty?", sind ihre ersten Worte.
Noch einen Schluck. Ich fühle langsam, wie der Alkohol einsetzt. Mir wird warm, meine Wangen glühen und die Haut prickelt. Ich mag es.
„Nicht hier", antworte ich also knapp und trinke noch einen Schluck.
Toni nimmt mir das kalte Glas aus der Hand, schiebt es Tallboy zu und sagt: „Wasser, gib ihm Wasser."
Dann wendet sie sich wieder zu mir. „Habt ihr euch gestritten?"
„Was geht dich das an?", blaffe ich.
Sie seufzt. „Also, ja, habt ihr."
Ich antworte nicht. Mir ist warm, sehr warm, ich bin mir sicher, dass es vom Alkohol kommt.
„Wo ist sie? Zuhause?"
Toni's Fragen nerven mich, schließlich hat sie mit der ganzen Sache nichts tun.
„Jughead, antworte mir. Was ist passiert? Wo ist sie?"
Toni's Stimme wird panischer, sie erinnert sich bestimmt noch an Betty's und meinen letzten Streit.
„Weg."
„Sie ist ... weg? Was heißt das?"
Ich zucke wieder mit den Schultern und lehne die Stirn gegen die hölzerne Platte der Theke. „Weiß nicht."
Toni schnappt hörbar nach Luft. „Du weißt nicht, wo deine Freundin ist? Jughead, ruf sie an! Es könnte sonst was passiert sein."
Ich lache leise und blicke in Toni's angstvollen Augen. „Topaz, das hier ist Riverdale. Was kann hier denn schon passieren?"
„Sweet Pea", sagt sie. „Das kann passieren."
Und dieser eine Name reicht, um mich auf Hundertachtzig zu bringen. Ich spüre, wie die Wut mich durchfährt, tausendmal stärker als sonst. Ich kann das Blut in meinen Ohren rauschen höre, als ich wankend aufstehe.
„Wo ist er? Wo ist er, verdammt?"
Ich brülle schon fast, als Toni sich ihre Jacke schnappt, meine Hand nimmt und mich nach draußen schleppt.
„He, Bezahlung!", ruft Tallboy uns noch hinterher, doch das Einzige, was er von uns bekommt, ist Toni's Mittelfinger, den sie in die Luft streckt.
„Steck sie dir sonst wohin, Tallboy!", entgegnet Toni und wir beeilen uns zur Tür rauszukommen.

Beim Wohnwagen angekommen, weist mich Toni an, mich auf das Sofa zu setzen.
„Wie kann das sein?", denkt sie laut, während sie ein Glas Wasser eingießt, „Du hast doch nur an dem Bier genippt."
Mein Kopf dröhnt und mir ist gleichzeitig schlecht und schwindelig. Dass ich ihn Wahrheit mehrere große Schlucke getrunken habe, dazu noch auf einen fast leeren Magen, weiß sie nicht. Und das es mein erstes Mal war, dass ich Alkohol getrunken habe.
„Hier, trink. Wasser und Toast, das wird helfen. Du brauchst was zu Essen."
Stöhnend nehme ich das Glas an und verschütte etwas Wasser auf meinem Shirt. „Warum denn kein Burger vom Pop's?", frage ich wie ein trotziges Kleinkind.
„Weißbrot hilft", erklärt Toni und hält mir eine labbrige Toastscheibe hin. Angewidert nehme ich sie an, doch Toni scheint dies zu übersehen.
„Wir müssen Betty anrufen, bevor es dunkel wird. Wenn sie sich im Dunklen alleine auf der Southside aufhält, dann wird's übel."
„Sie hat kein Handy."
„Was?"
„Kein Handy", wiederhole ich wieder. „Sie ist ohne ihr Handy gegangen.
„Was? Wie bitte? Jughead Jones, wie kannst du nur so unverantwortlich sein?"
Toni schreit hysterisch, während sie sich die pink gefärbten Haare rauft.
„Was soll ich denn machen? Sie liebt Archie doch eh viel mehr! Bestimmt ist sie bei ihm, diesem Verräter!", schreie ich zurück und lasse mich in die alten Sofakissen sinken.
„Archie Andrews? Ich bitte dich, das ist doch Quatsch."
Ich schüttele den Kopf. „Sie hat es selbst zugegeben."
Diese Worte versetzen mir einen gewaltigen Stich ins Herz. Mein Mädchen liebt jemand anderen.
Toni kommt auf mich zu und setzt sich neben mich. „Nein, Jughead. Nein und das weißt du auch. Betty liebt dich, nur dich. Ihr beide seid für einander bestimmt, hörst du? Ihr liebt euch so sehr und findet immer einen Weg zu einander. Weißt du noch? Betty hat die Serpents gehasst und verabscheut und jetzt ... jetzt ist sie die Queen."
Ich schüttele den Kopf. „Nein", flüstere ich. „Ist sie nicht."
Toni sieht mich fragend an.
Und dann erzähle ich ihr alles. Unser Plan, die Serpents zu verlassen, Riverdale zu verlassen. Der Brief von Yale, dass Betty noch keine Zusage hat. Und meine Zusage, für England. So dicht bin ich, dass ich ihr all das erzähle.
Und dann weine ich.
Ich weine, obwohl ich doch sonst nie weine. Außer vor Betty.
Doch auch in Toni finde ich diesen Komfort, dieses Vertrauen.
Ich weine lange. Lange und laut.
Aber sie sitzt hier und hält mich in den Armen, sagt kein Wort und streicht mir über den Rücken, so wie meine Mom es früher immer gemacht hat.
Doch die ganze Zeit wünsche ich mir, dass sie es wäre, die mich in den Armen hält.
Betty.

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt