Kapitel 34

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„Bereit?"
Ich nicke und schaue in Betty's grüne Augen, während sie mir die Krawatte zurecht legt. Zum Schluss streicht sich noch einmal über das weiße Hemd, das ich trage, um ein paar Falten glatt zu streichen.
„Du siehst gut aus, Jug", gesteht Betty und küsst mich zaghaft auf die Wange. Ich halte sie fest und drücke sie sanft an meine Brust. Dann atme ich den wohltuenden Geruch ihrer Haare ein, sie riecht nach Vanille und ein bisschen nach Holunder.
„Ich will dort wirklich nicht hin", seufze ich und drücke Betty noch etwas fester an mich. „Ich weiß", flüstert Betty.
„Könnt ihr mal bitte etwas Platz machen? Mama meint ich soll mir etwas anderes anziehen."
Wütend stapft meine kleine Schwester Jellybean an uns vorbei und drängelt sich zu ihrem Koffer, den sie immer noch nicht ausgepackt hat.
„Wieso? Sieht doch gut aus", sage ich, aber Jellybean funkelt mich nur böse an.
„Man geht aber nicht in gerissenen Jeans und einem dreckigen T-Shirt zum Gericht", erklärt meine Mutter, die sich ebenfalls an mir und Betty vorbei drängelt, um meiner Schwester zu helfen. Sie selbst trägt ein enges graues Kleid und einen Blazer, der viel zu teuer aussieht.
„Vielleicht kann ich dir helfen?" Betty kramt in dem großen Kleiderschrank, der fast die Hälfte des Schlafzimmers einnimmt, herum.
„Wie wäre es damit?" Sie hält Jellybean ein dunkelblaues Kleid mit einer schwarzen Strickjacke hin. „Das passt zu deinem Haarband."
Jellybean schüttelt trotzig den Kopf. „Ich ziehe doch kein Kleid an."
Genervt rollt Gladys mit den Augen. „Doch, Jelly. Jetzt stell dich nicht so an. Du nimmst das Kleid und bürstet dir die Haare noch einmal durch. In 10 Minuten fahren wir."
Mit diesen Worten drückt Mom Jellybean das Kleid in die Hand und verschwindet Richtung Küche. JB scheucht mich und Betty aus dem Zimmer und ich lasse mich erschöpft auf die alte Couch fallen.
„Wer kommt noch alles zu Verhandlung?", fragt Betty, während sie sich ihre samtschwarzen Ballerinas anzieht. Sie sieht schön aus, in ihrem schwarzen Kleid mit den Blumenverzierungen am Kragen. Sie gefällt mir in dunkeln Farben, sie sieht dann so elegant aus.
„Nicht viele", antworte ich seufzend und fahre mir durch die kurzen Haare. Mom hat mir nicht erlaubt, die graue Wollmütze im Gerichtssaal zu tragen. „Toni wollte vorbeikommen, vielleicht auch Fangs. Sonst kommen noch ein paar andere Serpents. Und Archie und Kevin, er ist ja Sheriff Kellers Sohn."
Betty nickt abwesend und schaut kurz den cremefarbenen Brief an, der immer noch auf der Küchentheke liegt. Dann lässt sie ihn in der Handtasche versinken.
„Kommt ... Sweet Pea?"
Ich schüttele heftig den Kopf. „Nein. Niemals. Wenn er sich auch nur traut, einen Fuß in deine Nähe zu setzten, dann–"
„–Jughead, achte bitte auf deine Worte." Gladys kommt herein und mit ihr gleich ein Schwall an Parfüm. Neben ihr steht Jellybean, mit verschränkten Armen und in Betty's Kleid.
„Hey, du sieht toll aus, Jellybean", sagt Betty. „Blau steht dir echt super!"
Aber Jellybean scheint sich nicht für das Kompliment zu interessieren.
„Wird der Rothaarige von gestern da sein?", fragt sie mürrisch, doch ihre Wangen färben sich leicht rot.
„Du ... meinst du Archie?", fragt Betty verwirrt und JB nickt.
„Archie war gestern da? Hat er nach mir gesucht?"
Betty schüttelt den Kopf. „Nein, es ging um das Musical. Wegen einer Hausaufgabe, er war am Mittag kurz da."
Jellybean stöhnt genervt. „Ist er jetzt da oder nicht?"
Ich nicke. „Ja, ich habe ihn eingeladen."
Betty sieht mich verwundert an. „Wieso hast du Archie zur Verhandlung deines Dads eingeladen?"
Ich zucke mit den Schultern und greife nach den meisten Autoschlüssel. „Er ist mein einziger richtiger Freund. Das ist doch kein Problem, oder?"
Schnell schüttelt Betty den Kopf und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Nein", sagt sie, „kein Problem."
Wir vier steigen ins Auto und fahren über die Northside, vorbei am Pop's und an der Riverdale High.
Die Fahrt dauert ungefähr zwanzig bis dreißig Minuten. Auf dem Parkplatz tummeln sich schon einige Serpents, ein paar haben sogar Anzüge und Krawatten an.
Jellybean und Gladys steigen aus und begrüßen alle, bedanken sich, dass sie meinen Vater unterstützen.
Betty und ich bleiben aber noch im Auto. Auf einmal überfällt mich eine riesige Angst.
„Ist alles okay, Jug?" Ich spüre Betty's Hand auf meiner Schulter.
Ich schüttele langsam den Kopf. „Nein", flüstere ich. „Nein, ich hab so eine Angst, Betty. So eine Angst."
Betty zieht mich leicht an sich und drückt meinen Kopf an ihre Brust. Ich kann ihr Herz schlagen hören, laut und deutlich.
„Es ist okay, Jug", flüstert sie und küsst mich auf meine pochende Schläfe. „Es ist okay, Angst zu haben. Aber ich bin da, okay? Ich bin jetzt da und ich werde nicht weggehen, ja? Ich bleibe."
Wenn sie nur eine Ahnung hätte, wie gut mir ihre Worte tun. Was für eine Wirkung sie auf mich haben. Betty ist das größte Geschenk auf dieser Welt. Sie gibt mir das Gefühl, dass ich alles schaffen könnte. Sie gibt mir Kraft und Liebe und Sicherheit. Ich weiß nicht, wer ich war, bevor ich dieses atemberaubende Mädchen kennengelernt habe.
„Ich liebe dich", flüstere ich schluchzend in die Stille, aber es ist nicht genug. Ich will ihr zeigen, wie sehr ich sie liebe. Ich will es beweisen. Ich schaue langsam auf, in ihre tiefgrünen Augen mit den langen Wimpern.
„Ich weiß", flüstert Betty zurück und lächelt. „Ich liebe dich auch."
„Ich weiß nicht, was er von mir erwartet", sage ich schließlich. Ich setze mich wieder auf und halte Betty's Hand. Ich starre durch die dreckige Windschutzscheibe, direkt auf das klobige Gebäude, in dem die Gerichtsverhandlung stattfinden wird.
„Ich meine, erwartet er, dass ich mich für ihn einsetze? Die Schuld auf mich nehme? Ihn verteidige?"
Verschiedene Szenarien spielen sich in meinem Kopf ab wie bei einem Film. Wenn ich für meinen Vater eine einzige Enttäuschung bin, was würde es ändern?
„Jughead, jetzt hör mir zu." Betty hält mein Gesicht mit beiden Händen fest und sieht mich eindringlich an. „Du stehst nicht in seiner Schuld. Er hat es verbockt, also wird er dafür zahlen. Du tust und sagst das, was der Richter von dir verlangt. Mehr nicht, verstanden?"
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht Betty's erste Gerichtsverhandlung ist, bei der sie heute erscheint. Andererseits kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass das süße Mädchen von nebenan schon einmal vor Gericht musste.
Ich schlucke schwer und nicke. „Okay."
„Okay. Und jetzt geh daraus und bring das ganze hinter dich."
Sie lächelt mir aufmunternd zu und tätschelt mir die Wange.
Dann steigen wir aus und der Horror beginnt.
Wortwörtlich.

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt