Kapitel 2

563 29 12
                                    

In der Schule angekommen gehe ich sofort rüber zu meinem Spind, um meine Bücher und Hefte für die erste Stunde zusammenzusuchen. Als ich meinen Spind öffne, erblicke ich ein schon älteres Foto von Jughead und mir. Ich hab es an die Innenseite der Tür gepinnt; es ist ein Foto, das Veronica von uns gemacht hat, der erste Schultanz auf dem wir gemeinsam als Paar waren. Ich habe das Foto nie abgehangen, selbst dann nicht, als meine Beziehung mit Jug auf Eis lag.
Ich fahre langsam mit dem Zeigefinger über den Rand des Fotos und verharre schließlich an Jughead's Gesicht. Sein Lächeln ist zum Sterben schön! Sogar das Leuchten in seinen Augen sieht man durch die Kamera.
„Hey, Betty!"
Schlagartig werde ich aus meinen Gedanken gerissen und ich haue die Tür meines Spinds zu, als hätte ich etwas verbotenes gemacht. Vor mir steht Veronica, dicht daneben Archie Andrews. Ich kenne die beiden schon ewig und seit ich denken kann sind wir beste Freunde. Doch vor ungefähr einem Jahr, im Sommer, schien sich etwas zwischen Archie und mir zu regen, das entpuppte sich jedoch nur als eine harmlose Teenie-Schwärmerei. Nun war es nämlich Veronica, die ein ziemliches Interesse an Archie zeigt.Sie stehen wirklich nah nebeneinander und ihr sonst so perfekt aufgetragener Lippenstift ist ein wenig verschmiert. Allerdings habe ich das Gefühl, dass Ronnie sich über ihre Gefühle noch nicht ganz im Klaren ist, deshalb dränge ich sie auch nicht.
„Hi, wie gehts?", antworte ich also und öffne wieder meinen Spind. Wieder krame ich nach meinen Büchern und wieder streift mein Blick das Foto.
„Großartig!", antwortet Veronica in der Zeit. „Heute morgen kam die erste Zusage! Es ist zwar ein eher mittelwertiges College in Manhattan, aber immerhin bin ich dort sicher!"
Ich stopfe die Bücher in meinen Rucksack und schließe dann den Spind. „Wie? Du hast schon eine Zusage bekommen?", frage ich verblüfft und auch ein wenig nervös. Zu dritt gehen wir in Richtung Geschichtskurs, Jug müsste dort schon auf uns warten.
„Ja, das ist wirklich schon fast sonderbar früh. Aber Midge Klump aus Französisch hat auch schon eine Mitteilung bekommen von einem anderen College, allerdings war es wohl eine Absage."
Fragend wende ich mich an Archie: „Was ist mir dir? Hast du auch schon irgendwelche Zu- oder Absagen bekommen?"
Doch Archie schüttelt den Kopf. „Nee. Ich habe erst zwei Bewerbungen verschickt. An Harvard und Yale denke ich schon gar nicht mehr. Da werde ja noch nichtmal auf die Warteliste gesetzt."
Veronica bleibt stehen und nimmt tröstend Archie's Hand. „Sag so etwas nicht, Archie. Du bist ein klasse Schüler, nur an deinen Noten müssen wir noch ein bisschen feilen."
Verwirrt ziehe ich eine Augenbraue hoch, bei der Intimität und Vertrautheit, die die beiden versprühen. Als Ronnie meinen fragenden Blick bemerkt, lässt sie Archie's Hand abrupt fallen.
„Äh, wir sollten ... zum Unterricht", sagt sie schnell und betritt hastigen Schrittes den Klassenraum.
Veronica lässt sich auf einen Stuhl in der Mitte des Raumes nieder, Archie hebt die Hand zum Abschied und verschwindet dann im hinteren Eck bei den anderen Footballspielern.
Jughead sieht vorne rechts und hat seine alte Schultasche, wie sie sonst nur die Lehrer tragen, auf den Stuhl neben ihm geschmissen, damit sich ja niemand anders neben ihn setzt.
Lächelnd über dies Geste komme ich auf ihn zu und nehme die Tasche runter.
„Hi", sage ich und reiche ihm die Tasche. „Mmh, danke", murmelt er nur. Erst jetzt sehe ich das schon zerfledderte Buch auf seinem Tisch liegen. Ein kleines, braunes Taschenbuch mit vergilbten Blättern.
„Was liest du da?", frage ich, während ich meine Sachen für die erste Stunde auf den Tisch bereitlege.
„Stolz und Vorurteil", antwortet Jughead nach einer halben Ewigkeit, das Buch scheint wohl spannend zu sein. Der Titel sagt mir zwar nichts, aber trotzdem schiele ich zu ihm rüber, um ein paar Worte auf zu schnappen. Es ist wohl ein älteres Buch, das lässt sich zumindest anhand der alten Ausdrucksweise erkennen.
„Ist es spannend?", frage ich nach einem kurzen Schweigen. Endlich legt Jughead das Buch weg und verstaut es in seiner Tasche. „Sagen wir so", raunt er mir mit gedämpfter Stimme zu. Ich schaue rüber zur Tür, unser Geschichtslehrer betritt den Raum. „Es ist eine unfassbar revolutionäre Liebesgeschichte aus dem 19. Jahrhundert. Ein berühmter Klassiker, wir lesen es momentan in meinem Schreibkurs."
Ich versuche ein interessiertes Gesicht zu machen, jedoch hört sich dieser Klassiker nicht so toll an. Und normalerweise ist so etwa überhaupt nicht Jug's Gebiet. Er liebt Krimis und Thriller, aber Liebesgeschichten findet er viel zu kitschig.
Die ersten Stunden vergehen zum Glück schnell, und ehe wir uns versehen, sitzen wir alle, Jughead, Archie, Ronnie, Kev und ich, draußen vor der Cafeteria an einem Tisch und genießen die schöne Frühlingsluft beim Lunch.
Ich habe keinen großen Hunger, weswegen Jug sich nach nur fünf Minuten schon über meine French Fries her macht. Ich lehne mich leicht gegen seine Schulter und blinzele und die hochstehende Sonne hinauf.
Manchmal kann das Leben so schön sein. Wenn man die richtigen Leute um sich rum hat, kommt einem alles viel einfacher vor. Ich bin froh, über meine Wahl. Für einen Moment bereue ich gar nichts.
„Betty, ich habe jetzt eine Idee für das Sommer-Musical im Juni", ruft Kevin plötzlich zwischen meinen Tagtraum. Ich rappele mich auf und beuge mich über den Tisch zu ihm. „Und?, frage ich, „an was denkst du?"
Kevin macht ein gespanntes Gesicht und blickt dann in die Runde, wobei sich niemand richtig für seine Idee interessiert, außer ich. Jughead vergnügt sich immer noch mit meinem Mittagessen, Ronnie zieht sich ihren Lippenstift nach und Archie beobachtet sie heimlich dabei.
Doch Kevin scheint das alles nicht zu bemerken und fährt fort: „So etwas gab es noch nie an der Riverdale High! Obwohl es doch klassisch und philosophisch ist!"
Langsam werde ich ungeduldig, also dränge ich ihn ein wenig. „Komm schon, Kev. Jetzt sag's schon!"
Kevin machte noch eine viel zu lange dramatische Pause, dann platzt er hinaus:
„Romeo & Julia!"
Jughead wird nun auch hellhörig und für einen Moment kehrt eine verwirrtes, nachdenkliches Schweigen ein.
„Schatz", beginnt Veronica endlich, den Lippenstift noch in der Hand, „ist das nicht ein Drama?"
Kevin nickt begeistert. „Genau! Ich nenne es: »Drama meets Music«. Klasse, oder?"
Er scheint ziemlich begeistert von seiner Idee zu sein, also stimme ich zu. „Tolle Idee, Kev. Klingt echt interessant. Sicher mir schon mal zwei Tickets für die erste Reihe."
Kevin lacht laut, dann sieht er mich durchdringend an. „Warum sitzen, wenn du auch auf der Bühne stehen kannst? Ich bitte dich, Betty. Du bist Julia!"

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt