Kapitel 12

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Ich schließe die Augen.
Die Musik geht zu Ende.
Die Scheinwerfer werden langsam gedämmt.
Auf einmal verstummt das Grölen und das Jubeln.
Für ein paar Sekunden ist es mucksmäuschenstill.
Dann bricht die Menge in einen tosenden Beifall aus. Die Leute jubeln und klatschen und schreien und lachen. Einige bitten sogar um eine Zugabe, doch ich verschwinde schnell von der Bühne, nachdem ich mich mit einer Verbeugung bedankt habe.
Unten an den Treppenstufen wartet Toni auf mich. Ihre Augen leuchten.
„Und, wie war es?", fragt sie aufgeregt. Ich bin immer noch völlig außer Atem und spüre die Spannung in meinem Herzen.
Ich bin voller Stolz.
Ich lächele breit. „Es war umwerfend!", antworte ich und falle Toni in die Arme. Das erste Mal sehe ich sie so richtig als eine Freundin, und nicht mehr als Konkurrentin.
„Danke für deine Hilfe", rufe ich ihr ins Ohr, das Grölen und das Klatschen hat immer noch nicht aufgehört.
„Nichts zu danken", antwortet Toni und löst sich aus meiner Umarmung. Dann bückt sie sich und greift unter die Treppenstufen.
„Hier."
Ich sehe sie fassungslos an. Mein Lächeln wird noch breiter.
„Wirklich?"
Sie nickt. „Wirklich", sagt Toni. „Zieh sie an."
Ich nehme ihr die Lederjacke ab, und obwohl ich schwitze, streife ich sie über.
Es ist ein ganz anderes Gefühl.
Es ist viel mehr als nur Stolz.
Es fühlt sich so verdammt richtig an, dass mir die Tränen kommen. Ich tue das nicht for Jughead. Nicht nur. Jetzt, wo ich eine Serpent-Jacke trage, fühle ich mich lebendiger als je zuvor. Sie passt perfekt und fühlt sich irgendwie kalt auf meiner heißen, nackten Haut an.
„Ich liebe sie", murmele ich und fahre über das kühle Leder.
„Betty."
Seine Stimme durchschneidet die Luft. Ich zucke augenblicklich zusammen.
Er hat es also gesehen.
Ein kleiner Teil von mir hatte bis zu Ende meiner Performance gehofft, dass Jughead vielleicht kurz nach draußen gegangen ist, um frische Luft zu schnappen.
Aber nein, er war die ganze Zeit hier und hat alles gesehen.
Seine Stimme ist ruhig, trotzdem fest und unfassbar wütend.
Ich traue mich nicht, mich umzudrehen und fummele stattdessen an der Schnalle meiner Jacke um.
„Zieh das aus."
Seine Stimme bebt nun, ich kann ihm anhören, wie sehr er sich zusammenreißt.
„Jones-"
„–Jetzt nicht, Toni", unterbrecht Jughead sie und Toni ist sofort still.
Langsam drehe ich mich um und sehe ihn an. Sein Kiefer ist angespannt, seine Lippen liegen aufeinander gepresst. Seine Augen sind leicht zu gekniffen und seine geballten Fäuste zittern.
„Ausziehen!", sagt Jughead wieder, immer noch mit zusammengebissenen Zähnen. Er sieht mich nicht an, er starrt nur auf die schwarze Lederjacke.
Ich bewege mich nicht. Dieses Mal nicht, weil ich mich nicht traue, sonder weil ich nicht will.
„Nein", sage ich und straffe die Schultern unter dem Leder. Jughead's ganzer Körper bebt jetzt.
„Betty, zwing mich nicht–"
„–Ich zwinge dich zu gar nichts", sage ich und greife dankend nach dem Wasserglas, das mir ein junger Kellner schüchtern hinhält.
„Verzieh dich", zischt Jug dem Jungen zu, der nun mit hochrotem Kopf davonläuft.
Ich setze mich auf die Treppenstufen und trinke das Glas in wenigen Zügen aus. „Betty", sagt Jughead wieder, nur jetzt noch angespannter. „Komm bitte mal kurz mit mir raus."
Ich lehne mich demonstrativ zurück und stütze die Ellenbogen auf die Stufe. „Wieso?", frage ich gelangweilt und nippe an meinem leeren Glas. In der nächsten Sekunde greift Jughead nach dem Glas und schleudert es gegen die Wand. Es zersplittert und ein paar Serpents drehen sich um und warten auf ein Szenario.
Ich schaue Jughead erschrocken an, doch dann packt er auch schon meinen Arm und zerrt mich hoch. „Aua", protestiere ich, doch Jughead schleift mich durch die Menge, die uns ängstlich Platz macht, bis zum Ausgang.
Draußen ist es eisig kalt, obwohl ich immer noch die Lederjacke anhabe. Endlich lässt Jughead mich los und ich lege fröstelnd die Arme um meinen Oberkörper. Obwohl es Frühling ist, sind die Nächte immer noch ziemlich kühl.
Jughead fängt an, auf die Mülltonne neben ihm einzuprügeln. Er flucht und tritt und schreit und schlägt.
Nach dem die Mülltonne nur noch aus Plastikfetzen besteht, gibt er sich zufrieden und lehnt sich erschöpft gegen die Hauswand. Er schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und reißt sich seine Mütze vom Kopf.
„Warum?", fragt er schließlich, die Augen geschlossen, den Kopf Richtung Nachthimmel gestreckt. Ich weiß nicht, ob er mit mir redet, deswegen antworte ich nicht.
Warum?!", schreit er wieder. Ich zucke heftig zusammen und bohre kleine Löcher in den Kies, mit der Spitze meins High Heels.
Ich zucke die Schultern. „Darum."
Jughead schmeißt wütend die Mütze zu Boden, kommt auf mich zu und rüttelt mich heftig an den Schultern. „Warum, Betty?", sagt er wieder, „warum, warum, warum?"
Ich hatte mich auf die schlimmste Reaktion vorbereitet. Ich hatte damit gerechnet, dass Jughead sauer sein würde, aber damit, dass er außer sich sein würde, hatte ich nicht gerechnet.
Ich zucke wieder mit den Schultern. „Weil ich es wollte", schluchze ich und starre auf seine Mütze, die immer noch am Boden liegt.
Müde lässt Jughead den Kopf auf meine Schulter sinken. „Betty", murmelt er, „Betty, was hast du dir nur gedacht?"
Ich wische mir schnell die Tränen weg, dann lege ich meine zitternden Hände auf seinen Rücken. „Ich will doch nur dazugehören", flauere ich und fahre mit meinen Händen durch Jug's dichtes Haar.
Er legt sein Gesicht in meinen Halsbeuge und atmet langsam mein Parfüm ein. Sein zitternder Atem hinterließt eine Gänsehaut auf meiner Haut.
„Das kannst du nicht", flüstert er zurück. Meine Hände erstarren in ihrer Bewegung. Ich schiebe Jughead leicht von mir weg, um in seine traurigen, leblosen Augen zu sehen.
In diesen glitzert es verschwörerisch.
Sein Blick ist so traurig und schmerzvoll, dass es mir sofort das Herz zerreißt.
„Jug", murmele ich in die Stille. „W-was meinst du?"
Jughead schluckt schwer und nimmt mein glühendes Gesicht in seine kalten Hände. Seine dünnen Finger umschließen meine Wangenknochen und eine Träne fällt auf seine Fingerkuppe.
„Betty, du ... kannst kein Serpent sein", sagt er schließlich und seine Stimme bricht. Er wendet den Blick ab, doch ich fasse ebenfalls nach seinem Gesicht, so dass er mich ansehen muss. „Was soll das heißen?", frage ich, jetzt lauter. Jughead seufzt und eine Träne rinnt seine Wange hinunter.
„Betty, ich ..."
Seine Stimme bricht.
„Du kannst dein Leben nicht so wegwerfen."
Ich schnaube verächtlich. „Wegwerfen? Das sagt der Serpent King?"
Jughead lässt mein Gesicht los und ich wende mich kurz ab, um Luft zu holen.
Bitte nicht.
„Betty, du bist perfekt. Du bist perfekt und intelligent und wunderschön."
Nein.
„Du verdienst eine Zukunft mit einem guten Abschluss, einem guten College und ..."
Sag es nicht.
„Einem besseren Mann."

I'm still in Love with You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt