Finn ist seit drei Stunden da. Ich war mehr als überrascht ihn vor meiner Tür stehen zu sehen und war zu perplex als er mich dann auch noch um diesen Gefallen bat. Ich soll ihm ein Bild malen... Offenbar für einen Freund. Meiner Meinung nach passt das alles etwas zu gut. Aber ich kann nicht anders, als mich über seine Hartnäckigkeit auch ein bisschen geschmeichelt zu fühlen. Zumindest, wenn ich richtig liege. Der Kerl will einfach nicht aufgeben.
Aber zum ersten Mal bin ich deswegen nicht genervt. Es bringt mich zum Lächeln und das sollte es ganz und gar nicht.
„Das ist super bis jetzt!" Finn kommt kauend zu mir und hält mir eine Schale mit Nüssen hin.
„Danke" Ich nehme ihm das Essen ab und er setzt sich neben mich.
Die Leinwand, die er mitbrachte, ist enorm! Wundern tut es mich allerdings nicht. Sein 'Freund' wird sicher eine riesige Wohnung haben. Die Dimensionen dieser Leute sind um einiges größer als meine. Vielleicht ist mein riesig in diesen Kreisen nicht mehr als normal.
„Findest du?" Ich bin überrascht, dass er es schon gut findet. Immerhin bin ich erst an der Bleistiftskizze, die ich noch nicht einmal fertiggestellt habe. Finn hat ewig gebraucht um das richtige Motiv zu finden und wollte zu allem meine Meinung, aber er wird seinen 'Freund' besser kennen als ich. Ich male was dem Kunden gefällt.
Er entschied sich schlussendlich für die Rückansicht eines Footballspielers in voller Montur mit seinem Helm in der Hand. Das Football-Stadium soll gefüllt sein, aber verschwommen und dunkler, der Spieler jedoch klar und hell. Es juckt mir in den Fingern ihn zu fragen, warum er die Farben so will, denn im Gegensatz zum Motiv war er sich dabei sofort klar. Es muss also eine Geschichte oder ein Gedanke dahinter stecken, und zwar ein glücklicher, denn er hat dabei ein leichtes Lächeln im Gesicht gehabt, dass auch seine Augen erreichte. Ich will wissen was diesen Ausdruck in sein Gesicht zaubert ... und deswegen sollte ich nicht fragen.
„Kannst du die Linie da noch ganz durchziehen?"
Er reißt mich aus meinen Gedanken und ich zucke sogar kurz zusammen. „Was?"
Er schmunzelt mich an. Verdammt! Wie kann man den dabei nur so süß aussehen? Kann er denn bitte nicht wie die Versuchung auf zwei Beinen aussehen? Meine Mission ist viel zu schwierig. Vor allem, wenn er so dicht neben mir sitzt...
„Die Linie da. Warte." Er nimmt mir den Stift ganz behutsam aus der Hand. So als wollte er mich nicht wieder erschrecken. Offenbar ist ihm aufgefallen das ich zurzeit sehr schreckhaft bin. Tja und ich merke jedes Mal wieder wie aufmerksam er ist.
Er zieht die Linie ganz langsam bis an den Rand. Der Bleistift knarzt auf der Leinwand und hinterlässt eine präzis gerade Linie. Dann gibt er mir den Stift wieder und ich breche den intensiven Augenkontakt ab. Wenn er weiterhin diese Superkraft von Aufmerksamkeit hat, kann er mich bald lesen wie ein Buch und das ohne ein Wort von mir.
Ich skizziere noch eine Weile und wir schweigen dabei. Er lehnt sich zurück und schnappt sich die Nüsse wieder. Essend sitzt er neben mir und sieht immer wieder mit verengten Augen aufs Bild.
„Gefällt es dir nicht?"
„Doch, doch. Ich versuche es mir nur fertig vorzustellen."
Ich lehne mich auch zurück und lache. Noch sind weder Konturen noch Farbe auf der Leinwand. Seine Vorstellungskraft müsste enorm sein, um da schon irgendwas zu sehen. Was sein Kompliment von vorhin auch nur zu einer Schmeichelei macht. Die Frage ist nur, warum er das macht? Warum ist er so hartnäckig? Warum ist er genauso stur wie ich?
„Und siehst du schon was?" Ich unterdrücke ein Grinsen. Und bei dieser Erkenntnis fällt es mir aus dem Gesicht. Er hat es geschafft mich lächeln zu lassen! Und das mit einer Leichtigkeit, dass ich es noch nicht einmal gemerkt habe. Es ist nicht das malen das mir die Gelassenheit und Freude bringt. Es ist er!
„Ehrlich gesagt nicht viel, aber ich weiß, dass es gut wird." Er zwinkert mir zu.
„Willst nicht du malen?", lenke ich ihn schnell ab.
Mir großen Augen sieht er mich wie ein Auto an. „Ich soll malen?"
Ich halte ihm den Stift hin und er nimmt ihn mir zögernd ab. Er setzt die Spitze an die Leinwand und sieht zu mir zurück. Als wollte er sicher gehen, dass ich das ernst meine. Ich nicke ihm zu und ergebend dreht er sich zur Leinwand. Jetzt starrt er sie groß an. Ein Kichern brodelt in mir und will hinaus.
Ganz zögerlich und vorsichtig malt er die Schulter des Spielers. Er drückt den Stift kaum auf, sodass die Linien nur ganz leicht sichtbar sind.
„Du kannst ruhig fester aufdrücken."
Er dreht sich zu mir um und zieht eine Augenbraue nach oben. „Die Schulter ist total mickrig geworden!", protestiert er.
Ok. Er hat recht. Ich halte mir die Hand vor den Mund als er sich wieder zurück lehnt und ich das ganze Bild wieder sehen kann. Die Schulter ist wahnsinnig dünn. Ein Strich gegenüber dem Rest des Körpers.
„Ach. Das gibt dem Bild irgendwas. Einen humorvollen Touch.", lache ich.
Er lacht und schüttelt den Kopf. Als sein Lachen abebbt radiert er alles wieder weg und sagt wie beiläufig: „Ich denke wir sollen unsere Nummern austauschen. Immerhin arbeiten wir beide und müssen Termine finden."
Ich runzle die Stirn. „Ich kann es ruhig allein fertig malen." Immerhin hat er doch gerade bewiesen, dass er nicht malen kann. Er wird nur neben mir sitzen.
„Ich würde gern zusehen, wenn es für dich ok ist."
Aha. Er will also nicht locker lassen. Und so wie ich ihn bis jetzt kennengelernt habe, wird er auch stur bleiben. Wir sparen uns also nur eine Diskussion, wenn ich jetzt schon nachgebe, denn immerhin sitzt er am längeren Hebel. Er könnte einfach hier auftauchen und bei diesen Sicherheitsstandards im Haus könnte er auch locker plötzlich in meiner Wohnung stehen. Dann lieber angekündigt.
„In Ordnung."
Überrascht sieht er mich an und dann breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Oh nein! Ahhh. Jetzt muss er denken, dass ich ihm meine Nummer gern gebe und nicht nur wegen dieses bescheuerten Vorwand - dem Bild.
Bevor ich auch nur blinzeln kann, hält er mir mein Handy entgegen und hat seins gezückt. Offenbar hat er nur darauf gewartet.
Ich gebe sie ihm. Sicherheitshalber schickt er mir eine Nachricht um zu überprüfen, ob ich ihm auch meine richtige gegeben habe. Ich kann es ihm nicht verübeln, immerhin habe ihm auch eine falsche Adresse gegeben. Ist nur offensichtlich, dass er jetzt vorsichtiger ist. Das schlechte Gewissen kommt zurück und diesmal schiebe ich es nicht weg. Immerhin habe ich es verdient.
„Hier. Mach lieber du weiter, wenn das noch was werden soll."
Ich nehme ihm den Bleistift ab und stelle die Skizze fertig. Obwohl er mich darum gebeten hat, werde ich die Skizze fertigstellen, wenn er weg ist. Dieser Plan fällt aber zusammen als er zum Abschied ein Foto von der Leinwand macht.
Er geht ab jetzt also immer auf Nummer sicher bei mir. Es ist ihm ernst, dass er bei jedem Strich von mir dabei sein will. Finn... Dieser Mann...
Ich muss ab jetzt mehr denn je darauf achten meine Mauern aufrechtzuerhalten, denn auch wenn es peinlich ist, aber sie bröckeln jetzt schon. Seine Versuche, Taten und Worte machen etwa mit mir. Sie sind süß, aufmerksam und nur auf mich bezogen. Er zieht keine 0815-Nummer mit mir ab, wie Essen oder spazieren gehen, und das bedeutet etwas. Mir bedeutet es etwas, denn das heißt, dass er sich wirklich Gedanken um mich macht.
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Quarterbackgirl
RomanceUm die Liebe muss man kämpfen. ~ Allies Leben könnte gerade komplizierter nicht sein und ganz gewiss braucht sie keinen Mann um mit ihren Problemen klar...