Kapitel 22 - A L L I E

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Finn führt mich mit einer Hand an meinem Rücken in den Raum. Ich weiß nicht was ich mir vorgestellt habe, aber sicherlich nicht das. Die Wände sind vollkommen weiß, um die Ästhetik der Bilder nicht zu verfälschen und jedes Bild ist für sich extra ausgeleuchtet.

So weit, so normal. Es ist wohl auch natürlich, dass alle Leute aussehen, als kämen sie gerade von einem roten Teppich. Doch was mich zweimal hinsehen lässt, ist das an der ganzen Raumseite entlang aufgebaute Buffet. Ein riesiges Buffet steht dort. Dabei nehmen sich die Gäste noch nicht einmal selbst ihre Häppchen vom Teller, sondern lassen das vom Personal machen.

Ich wusste, dass diese Galerie exklusiv ist, aber das toppt wirklich alle meine Erwartungen. Kein Normalsterblicher könnte hier einen Fuß hinein setzen. Dafür wird an der Tür gesorgt. Nur geladene Gäste dürfen hinein.

Und offenbar gibt es in der Welt der Reichen und Schönen auch Abstufungen. Immerhin sind wir durch einen extra Gang hinein gelangt, bei dem man keine halbe Stunde anstehen muss. Bei der Queen könnte ich das ja verstehen, doch Finn ist Footballspieler. Klar, er ist wahnsinnig talentiert und einer der besten Spieler seit Jahrzehnten laut Google, doch man könnte meinen, dass es weitaus wichtigere Personen gibt. Offensichtlich sieht das die Gesellschaft anders. Sportler stehen wohl mit auf der Spitze. Verrückte Welt!

Ich sehe zu Finn auf und lache. Ich könnte wetten, dass er gerade das Gleiche denkt. Er sieht sich im Raum um und sieht ganz und gar nicht überzeugt aus.

Grinsend gehe ich an den Anfang und Finn folgt mir wortlos. Ich betrachte das abstrakte Gebilde aus Dreiecken und Kreisen und lasse es auf mich wirken. Das Farbspiel ist interessant, aber wie ich finde ein wenig grell. Es erinnert mich an die schrille Mode der 80er. Neonfarben in allen Variationen sind vertreten. Ich sehe zum Schildchen unter dem Bild. Annonce an die Kindheit.

Das ergibt Sinn. Offenbar ist der Künstler schon etwas älter.

Ich ziehe Finn mit zum nächsten Bild. Auch dieses ist wieder abstrakt und soll durch Wirbel die Verwirrungen im Teenageralter darstellen. Interessante Interpretation dieser Phase.

„Also das könnte sogar ich noch malen“, murmelt Finn vor sich hin.

Wieder gehe ich weiter. „Es geht um die Intention hinter dem Bild und wie sie umgesetzt wird. Da steckt viel mehr dahinter, als das menschliche Auge auf den ersten Blick sieht.“

„Ah. Natürlich. Also sind das in Wirklichkeit kein Porno mit ultra vielen Händen, sondern der Ausdruck von Leidenschaft in der Teenagerzeit. Meine Fresse. Wie kommt man auf so einen Unsinn?“

Ich lache. „Mich würde eher interessieren, was den Künstler inspiriert hat, um mit 45 Jahren schon auf sein Leben zurückzublicken.“

„Also was ihn hierzu inspiriert hat, kann ich dir sagen. Er hat ein Filmchen ablaufen lassen, das abgemalt was er sah und einfach random noch fünfzig Arme und Beine hinzu gemalt. Wäre ja sonst zu langweilig. Warum einen Dreier malen, wenn es mit fünfzig Leuten viel lustiger ist. Vor allem, wenn die Köpfe fehlen.“

Ich verkneife mir ein Lachen und schiebe Finn schnell weiter. Das ältere Pärchen sieht jetzt nämlich Finn genauso verstört an, wie der das Bild.

„Finn nicht so laut!“

Er sieht schockiert zu mir. „Ist doch wahr! Das ist doch keine Kunst. Das, was du machst, ist Kunst und wunderschön, aber doch nicht das!“

Er deutet auf die Abbildung des Teufels mit einem Babyengelsgesicht.

Gut, da muss ich ihm recht geben. Das sieht wirklich komisch aus.

„Tja, ich sehe da auch kein Wiederaufstieg des Guten, wie es der Titel sagt. Sieht für mich eher wie ein Schlachtfeld aus.“

„Hmh. Mich würde interessieren wie das mit dem vorherigen Porno zusammen aussehen würde. Dann würden wenigstens die losen Arme und Beine Sinn ergeben.“

„Igitt, Finn!“

Er lacht. „Was ist doch so.“

Kopfschüttelnd kneife ich ihn leicht in die Seite. Ich weiß er versucht Kunst für mich ernst zu nehmen und ich kann verstehen, dass er diese nicht ernst nehmen kann. Sie sind eben ein wenig speziell. Aber ich möchte sie trotzdem ansehen. Es ist eine einmalige Chance, die sich nie wieder ergeben wird und die will ich nutzen.

„Warum gehst du nicht zum Buffet und holst uns was zu essen.“

„In Ordnung.“ Er beugt sich zu mir herunter, haucht mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet in der Menge. Perplex starre ich ihm nach.

Eine ältere Dame lächelt mich wissend an und ich sammle mich wieder. Ich lächle zurück und drehe mich wieder um.

Meine Wangen sind bleiben warm und ich kann mein lächeln nicht unterdrücken. Mann oh Mann. Finn bringt mich dazu vor dem Teufel-Baby-Bild dämlich verliebt zu grinsen. Wenn das jemand sieht...

Ich gehe weiter und trinke meinen Champagner leer. Sobald ich fertig bin, wird mir das leere Glas abgenommen und ich bekomme ein neues.

Finn braucht eine ganze Weile bis er wieder bei mir ist. Ich habe die Lebensgeschichte des Künstlers hinter mir gelassen und sehe mir jetzt seine erste und einzige Skulptur an. Sie ist aus Holz und scheint schon halb vermodert zu sein.

Finn bietet mir seinen Teller an und ich nehme mir ein Stück belegtes Baguette. Er tut es mir nach und legt den Kopf schief bei dem Anblick der Skulptur. Er kneift die Augen zusammen und runzelt die Stirn. „Was soll das sein?“

„Laut Titel die Arche, aber ich finde die Umsetzung etwas seltsam. Sollte die Arche nicht strahlend und voller Leben sein?“

„Vielleicht ist seine Arche untergegangen.“

Ich lache und schüttle den Kopf. „Gute Theorie.“

„Bist du hier durch?“

„Wie es aussieht ja. Wieso?“

„Weil ich drüben schönere Bilder gesehen habe, die ich dir zeigen will. Das kann sich doch kein Mensch länger als eine Minute ansehen“, sagt er, während er auf die Arche zeigt.

Ich folge seinem breiten Rücken, der sich problemlos seinen Weg durch die Menge bahnen kann und bleibe neben ihm stehen. Ganz in der Ecke neben dem normalen Eingang ist eine Tür angelehnt. Finn drückt sie auf und schließt sie hinter uns wieder halb.

„Dürfen wir überhaupt hier sein?“

„Keine Ahnung.“

„Aber dann sollten wir wieder zurück, Finn.“

„Ach was. Und selbst wenn uns jemand erwischt, kann ich mich sicher super heraus reden. Ich habe sowieso vor zwei dieser komischen sogenannten Kunstwerke zu kaufen.“

„Wirklich? Aber warum? Sie gefallen dir noch nicht einmal.“

„Nicht für mich. Das Tigers-Team veranstaltet jedes Jahr eine Spendengala. Die Jungs kaufen irgendeinen teuren Mist und stellen es für die Ersteigerung frei. Die Leute sind so verrückt und kaufen diese Dinge für noch viel mehr Geld. Naja immerhin kommt es Greenpeace und der WHO zugute.“

„Das ist eine schöne Idee.“

„Der Vorteil davon berühmt zu sein. Man kann etwas bewegen. Aber wir sind vom Thema abgekommen. Siehst du das?“

Er deutet auf eine Fotoserie. In schwarz weiß wird die Stadt dargestellt. Sie sind wirklich toll! Die Blickwinkel sind interessant und lassen die vertrauten Plätze irgendwie neu und anders wirken.

„Wow. Das gefällt mir auch.“

„Ja mir auch. Weißt du was? Ich kaufe das. Ich werde auf keinen Fall diesen verrückten Künstler auch noch unterstützen. Dieser hier hat die Aufmerksamkeit viel mehr verdient.“

Ein Angestellter tritt zu uns herein, sicher um uns zu verwarnen, doch bevor er etwas sagen kann, kommt Finn ihm zuvor.

„Ich kaufe das hier.“

Der Mann lächelt sofort und nickt hastig. „Ich rufe meinen Chef. Nur einen Augenblick." Er verschwindet sofort.

Quarterbackgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt