Warme Sonnenstrahlen drangen durch den dünnen Vorhang und wärmten Talunas Körper. Eine kühle Brise ließ den Stoff elfenhaft tanzen und warf lebhafte Schatten auf das große Bett. Langsam aber sicher schälte Taluna sich aus den vielen Schichten des Schlafs und streifte die letzten Reste eines schon vergessenen Traums ab, als sie blinzelnd die Augen öffnete.
Sie liebte den Sonntagmorgen. Sonntage waren ohnehin ihre Lieblingstage. An diesen Tagen war alles still, friedlich und ganz ohne die Hektik, die die Welt unter der Woche in Atem hielt. An Sonntagen konnte sie so lange schlafen, wie sie wollte, im Pyjama frühstücken und den ganzen Tag das tun, wozu sie wirklich Lust hatte.
Es hatte Jahre gedauert, Nonna von diesem Ritual zu überzeugen. Ihre stets geschäftige Oma konnte keine Minute ungenutzt lassen. Immer hatte sie etwas zu tun oder eine Aufgabe zu erledigen. Notorische Faulenzer waren ihrer lieben Nonna da ein Dorn im Auge. 'Manchmal wünsche ich mir, dass Nairi im Alter auch gebrechlich werden', dachte Taluna und warf die dünne Decke von sich. Doch statt ausgezehrt und senil waren Nairi noch bis ins hohe Alter gesund, agil und leistungsfähig. Natürlich nicht ganz so wie die jungen, aber dennoch viel vitaler als zum Beispiel die Menschen.
Knackend und mit wohligen Lauten streckte und reckte sich Taluna, ehe sie ihre Beine über die Bettkante schwang und aufstand. Ein leises Schnurren erregte ihre Aufmerksamkeit und sie kniete sich auf den Boden. Das ihr nur zu vertraute Geräusch kam von unter ihrem Bett. Auf allen vieren spähte Taluna unter das Gestell und grinste.
„Ist dir das da unten nicht zu warm Pixi?"
Ein hohes Miauen war zu hören, als sich die schlanke Katze unter dem Bett hervorschob und ihren Kopf sanft an Talunas Wange rieb.
Diese lachte fröhlich und fing ebenfalls an zu schnurren. Wäre Nonna hier gewesen, sie hätte wohl wieder den Kopf über Talunas kindisches Verhalten geschüttelt. Katzenhafte Nairi waren in der Lage zu schnurren – ebenso wie ihre tierischen Ebenbilder. Allerdings nicht durchgängig, denn nur die domestizierten Hauskatzen konnten beim Ein- und Ausatmen schnurren. Es war eine kleine Macke von Taluna, ihre Kehle ein wenig zu verändern und bei Wohlbehagen zu schnurren. Allerdings hatte sie sich soweit im Griff, dass sie es nicht in der Öffentlichkeit hat – na ja, nicht mehr.
Immer noch lächelnd kraulte Taluna Pixi hinter den sandfarbenen Ohren mit den dunklen Spitzen. Pixi war eine Savanna – eine Kreuzung zwischen einer Hauskatze und einem Serval. Sie hatte sie von ihrer Großtante Beatrix geschenkt bekommen – eine Servalnairi. Nora hatte damals nur mit den Augen gerollt und gemeint, ihre Schwester hätte schon immer einen seltsamen Humor besessen. Dennoch liebte Taluna ihren kleinen Mischling.
Mit der Katze auf dem Arm öffnete Taluna ihre Zimmertür und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Dort wurde sie von dem verführerischen Duft von Waffeln und Kaffee empfangen. Durch den kühlen Flur ging sie zielstrebig auf die Küche zu, die sich im hinteren Teil des Hauses befand. Die Tür zum Garten stand weit offen und man konnte die Vögel zwitschern hören. Allerdings mussten die Tiere schon gegen die Musik ansingen, die aus dem alten Radio kam.
Mit einem Fuß wippte Nora im Takt des alten Bluesstücks, trank einen Schluck Kaffee und hob nicht den Blick von ihrer Zeitung, als sich Taluna ihr gegenüber an den Esstisch setzte. Ihre kurzen Locken hatte sie mit einem weißen Haarreif aus ihrem Gesicht zurückgestrichen und die vereinzelten silbernen Strähnen leuchteten regelrecht aus dem Schwarz hervor.
„Schön, dass du auch mal aufgestanden bist", sagte Nora und faltete ihre Zeitung zusammen.
Taluna lächelte nur und kraulte Pixi weiter hinter den Ohren. „Dir auch einen wunderschönen guten Morgen Nonna. Danke der Nachfrage, ich habe wunderbar geschlafen."
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Love Me Wild
WerewolfIn einer modernen Welt leben Menschen und Gestaltwandler friedlich zusammen. Scheinbar. Die junge Panther-Wandlerin Taluna gerät mitten hinein in einen Konflikt, der seit Jahren unter der Oberfläche brodelt. Nur der Leoparden-Wandler Cian kann ihr h...