Cians Herz konnte sich nicht entscheiden, ob es nun stehen bleiben oder wie ein Presslufthammer gegen seine Rippen schlagen sollte. Er presste die Kiefer zusammen und versuchte, das Gebrüll in seinem Kopf zu ignorieren. Der Leopard forderte unmissverständlich den Kopf des Mannes auf dem Foto.
Cian setzte sich an seinen Laptop, schaltete ihn ein und noch einige weitere Geräte. Er fühlte Talunas Unruhe und zog sie zu sich heran. Er wollte sie streicheln und das Unbehagen aus ihrem Gesicht vertreiben. Er hatte sich nie als besitzergreifend gesehen, doch nun durchströmten ihn diese primitiven Gefühle wie eine Flut. Er wollte sie packen und so weit wie möglich von hier vortragen.
Aber er beherrschte sich und begnügte sich damit, sie auf seinen Schoß zu ziehen. Bereitwillig setzte sie sich und betrachtete den Bildschirm. Sie sagte nichts und er wusste, dass sie auf eine Erklärung von ihm wartete. Sein Fell sträubte sich bei dem Gedanken, doch er konnte nicht länger schweigen.
Er atmete tief durch und gab sein Passwort ein. „Ich kenne nicht den genauen Grund, aber du bist in einer Art Zeugenschutzprogramm einer Organisation der Regierung." Cian öffnete einige Programme und loggte sich auch dort ein. „Diese Organisation nennt sich Phönix und befasst sich hauptsächlich mit einer Gruppe gewalttätiger Menschen."
„Du meinst Terroristen?", fragte sie und sah auf ihn hinunter.
Er nickte. „So was in der Art. Ihre Anschläge und Attentate richten sich jedoch ausschließlich auf Nairi."
„Das kann nicht sein. Schon seit Anfang an war das Zusammenleben von Menschen und Gestaltwandlern friedlich."
Er lächelte kalt und sah sie an. Ihre Augen schienen im Halbschatten zu glühen. „Diese Gruppe existiert erst seit etwa einem halben Jahrhundert. Sie meinen, dass die Nairi eine missratene Laune der Natur sind und das wir ihnen ihre Lebensräume und Ressourcen stehlen."
Taluna runzelte die Stirn. „Und warum habe ich dann noch nie von diesen Menschen gehört?"
Cian legte das Überwachungsfoto in einen Scanner. „Weil Phönix es bisher erfolgreich verhindert hat, das all zu viel über sie bekannt wird." Er sah, wie sie den Lichtschein des Scanners auf dem Schreibtisch beobachtete.
„Wie heißen sie?"
„PurHuman." Ein freudloses Lachen ertönte und Cian hatte das Gefühl, als würde Luna sein Fell gegen den Strich bürsten.
„Rassismus ist doch etwas Feines", murmelte sie und verfolgte die Bewegungen der Maus. „Und was jetzt?"
Cian seufzte. „Ich werde das Bild an die Zentrale schicken und die können uns dann sagen, ob der Typ bereits bekannt ist. Es gibt nicht viele Nairi, die ihre eigene Art verraten."
„Ich werde mich nicht verstecken." Ihre Worte klangen endgültig und er fühlte ihren stechenden Blick.
„Natürlich wirst du das. Ich kann nicht zulassen, dass sie dich in die Finger kriegen."
„Nein!", fuhr sie ihn an und sprang von seinem Schoß. Weiße Reißzähne blitzten auf, als sie sagte: „Ich werde mich nicht verkriechen. Was wollen die überhaupt mit mir anfangen?"
Cian sah sie stumm an, rutschte auf seinem Stuhl nach vorne und zog sein Shirt über den Kopf. Er drehte ihr den Rücken zu und hörte, wie sie geräuschvoll die Luft in ihre Lungen sog. „Vor zwei Jahren war ich während einer Überwachungsmission leichtsinnig geworden und sie hatten mich austricksen können. Anschließend haben sie mit beinah eine Woche lang verhört, gefoltert und gequält."
Er sah Taluna wieder an und das Herz zog sich in seiner Brust zu einem harten Klumpen zusammen, als er Mitgefühl und Trauer in ihrem Blick sah. „Ich werde dir nicht erzählen, was sie mit mir gemacht haben, aber eines kann ich dir sagen – du wirst dir wünschen, nie geboren zu sein."
~
„Sie scheinen das Unglück wie ein Magnet anzuziehen Junge", knurrte Banks.
„Tut mir leid Sir."
„Pff, sparen Sie sich das." Raschelndes Papier war durch die Leitung zu hören. „Falps musste nicht lange suchen. Die Familie des Mannes arbeitet schon seit Jahren für PurHuman." Victor Banks atmete tief ein, als wolle er das Tier in sich mit aller Macht wieder unter Kontrolle bringen.
Cians Hals wurde enger und sein Herzschlag verdoppelte sich. „Wie schlimm ist es?"
Sarkastisches Lachen erklang von seinem Vorgesetzten. „Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße. Schnappen Sie sich die Frau und gehen Sie so schnell wie möglich zu einer sicheren Unterkunft."
„Das könnte problematisch werden", wandte Cian ein und erwiderte Talunas bohrenden Blick.
„Warum?", fragte der andere Nairi und Cian stellten sich die Nackenhaare auf. Diese leise und bedrohliche Stimme ließ in ihm alle Alarmglocken gleichzeitig schellen.
„Sie will nicht kooperieren."
Leises Knurren kam vom anderen Ende der Leitung. „Geben Sie sie mir."
Taluna blinzelte Cian verwirrt an, als er ihr das Handy reichte. „Er will mit dir reden", sagte er unheilvoll und verschränkte die Arme vor der Brust. Taluna zog eine Augenbraue hoch und ließ Cian nicht aus den Augen, als sie sich meldete.
„Hallo Mr Banks."
„Ms Giordano. Sie sind doch eine intelligente junge Frau, nicht wahr?"
„Wenn Sie das schon so sagen, dann wollen Sie mir sicher gleich das Gegenteil an den Kopf werfen."
Selbst Cian hörte noch das tiefe Lachen seines Vorgesetzten. „Sehr gut."
Taluna atmete tief ein und aus. „Mr Banks, ich werde mich nicht aufgrund von Vermutungen und Annahmen in einem Loch verstecken."
Banks brummte etwas Unverständliches, das sich verdächtig nach einem wüsten Fluch angehört hatte. „Und ob Sie das werden."
~
Kalter Stahl küsste die schweißbedeckte Haut seines Halses. Sein Herz setzte einige Schläge aus, das Blut rauschte viel zu laut in seinen Ohren. Eine angenehm warme Hand umfasste seinen Nacken.
„Hast du sie gefunden?", säuselte die bekannte Stimme hinter ihm.
„Ja." Seine gekrächzte Antwort hallte von den Mauern der Gasse wider.
„Braver Junge." Das Messer glitt von seiner Schlagader abwärts, verweilte auf seinem Schlüsselbein. „Du wirst sie holen – jetzt."
Gänsehaut überlief seinen Körper und er schluckte trocken. „Aber er ist bei ihr."
Die Hand an seinem Nacken verstärkte ihren Druck. „Das ist dein Problem. Du kennst die Konsequenzen."
„Ja."
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Love Me Wild
WerewolfIn einer modernen Welt leben Menschen und Gestaltwandler friedlich zusammen. Scheinbar. Die junge Panther-Wandlerin Taluna gerät mitten hinein in einen Konflikt, der seit Jahren unter der Oberfläche brodelt. Nur der Leoparden-Wandler Cian kann ihr h...