Love Me Wild

20 ~ Komm spielen

Cian wusste, was passieren würde, und nahm den Pager in die Hand, noch ehe er Alarm geschlagen hatte. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und die Luft kühlte langsam ab. Lediglich in seinen Boxershorts hatte er im Wohnzimmer gesessen und gezappt. Etwas, was er schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte. Ernüchtert hatte er festgestellt, dass sich das Fernsehprogramm im Gegensatz zu ihm nicht verändert hatte: Immer noch derselbe Müll.

Doch all seine Sinne waren zu neuem Leben erwacht, als er einen vertrauten Geruch aufgeschnappt hatte. Moos und Flieder streiften wie Geister durch das Haus und kündigten jemanden an, den Cian nicht erwartet hätte. Mit schnellen Schritten ging er zu Hintertür und öffnete die Schlösser und Riegel. Als er die Tür aufstieß, saß vor der kleinen Veranda ein schwarzer Leopard im Gras. Silberne Augen sahen ihn an und am rechten Ohr blinkte ein silberner Ring.

„Ist etwas passiert?", fragte er und malte sich im Geist schon die schlimmsten Szenarien aus. War PurHuman vielleicht aufgetaucht, ohne das er etwas davon mitbekommen hatte? Oder war etwas mit ihrer Großmutter nicht in Ordnung? Und warum zum Teufel saß sie in ihrer Tiergestalt vor ihm?

Ihre Schwanzspitze zuckte leicht und sie streckte sich. Er konnte genau erkennen, wie Muskeln und Sehnen unter dem dunklen Fell arbeiteten. Wenn das Licht in einem bestimmten Winkel darauf fiel, konnte man die zu Rosetten angeordneten Flecken sehen. Panther waren eigentlich die schwarze Form der Leoparden oder Jaguare, doch sie waren nicht vollkommen schwarz. Das Licht zeigte ihre Fellzeichnung.

Cians Herz stolperte, als sie langsam auf ihn zu schlich. Der Leopard in seinem Inneren zerrte mit aller Macht an seinen Stricken – er wollte raus zum Spielen. Verwirrt schüttelte Cian den Kopf, doch das Bedürfnis blieb. Er verspürte nicht den Drang, die Beine in die Hand zu nehmen oder sich im nächsten Zimmer einzuschließen. Selbst als sie begann, behutsam um seine nackten Beine zu streichen.

„Willst du reinkommen?", fragte er – wusste er doch, dass Nairi zwar nicht sprechen konnten, doch mit ihren Ohren war noch alles in Ordnung. Ein Lächeln zog an seinen Mundwinkeln, als sie zu ihm aussah und nickte. Er ließ ihr den Vortritt, ging nach ihr ins Haus und schloss die Tür. Er verzichtete auf die Riegel – schließlich wollte er ihr keine Angst machen. Dennoch hätte er gern gewusst, was sie hier wollte.

Wieder begann sie um seine Beine zu streichen und schließlich sogar zu schnurren. Tief und wohlklingend schwebte der Laut durch den Raum, drang unter Cians Haut und jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken.

„Was willst du, Luna?" Hilflos sah er sie an und meinte, ein schelmisches Funkeln in ihren Katzenaugen zu sehen. Er runzelte die Stirn, als sich ihr Kopf und der Hals seltsam verformten.

„Scheiß auf die Regel, komm spielen", sagte sie mit einer tieferen Version ihrer Stimme. Sie hatte ihre Kehle verändert, um ihm diese Botschaft mitzuteilen.

„Du willst spielen?", fragte er verwirrt und war sich im Klaren, dass sein Mund offen stand. Sie nickte und ihr Körper wurde wieder vollkommen der eines Tiers.

Cian sah sie einige Augenblicke an und wog das Für und Wider ab. Jedoch warf sich der Kater in seinem Inneren so vehement auf die Seite des Für, dass er gar nicht weiter überlegen musste.

'Lass mich raus', knurrte er ihm zu und drängte von innen gegen seine Haut. Cian seufzte resigniert und schloss die Augen. „Mein Gott, was tu ich hier eigentlich?"

Doch noch ehe das letzte Wort aus seiner Kehle geschlüpft war, hatte er schon den unsichtbaren Muskel in seinem Inneren losgelassen. Die Verwandlung ging viel schneller, als er es erwartet hatte. Knochen, Gelenke, Fleisch und Muskeln verschoben sich so harmonisch, als läge seine letzte vollständige Wandlung erst Tage zurück – nicht annähernd eineinhalb Jahre. Er hatte Angst davor gehabt, denn als Tier konnte er keine Waffe halten.