Es war unerträglich heiß in Talunas Zimmer. Kleine Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Stirn und ließen ihre Haare auf der Haut kleben. Am liebsten hätte sie schon wieder geduscht. Selbst in Top und Panty fühlte sie sich wie in einem Wintermantel. Und erst die Stechmücken. Mit ihrem ewigen Gesumme würden diese kleinen Biester sie noch in den Wahnsinn treiben.
Frustriert stöhnte sie auf und stieg aus dem Bett. Schwungvoll öffnete sie die beiden großen Fenster und ließ die einigermaßen kühle Nachtluft herein. Und noch mehr dieser blutsaugenden Plagegeister. Taluna stieß einen wüsten Fluch aus und starrte zu Pixi. Diese hatte sich auf die kühlen Fliesen im Badezimmer gelegt. Als Taluna das schlafende Tier beobachtete, kam ihr eine Idee. Wenn sie ein Fell hatte, konnten diese Monster sie schlechter stechen.
Nachdem Taluna auch die Zimmertür geöffnet hatte – als Leopard war das nicht so leicht – legte sie ihre Kleidung ab. Auch das Haargummi löste sie und legte es auf ihr Nachtkästchen. Nackt stellte sie sich mitten ins Zimmer und atmete tief durch.
Langsam entspannte sie alles in ihrem Körper und ließ ihn das tun, was natürlich für ihn war. Dunkles Fell waberte über ihre Haut und hüllte sie ein. Ihre Hände veränderten sich, ihr Rückgrat wurde länger und bildete einen Schwanz. Ebenso veränderten sich Gesicht, Ohren und Beine.
Doch danach hörte sie nicht auf. Sie wappnete sich für den unangenehmen Teil ihrer Wandlung. Um ihren menschlichen Körper in den eines Tieres zu pressen, musste sich die gesamte Anatomie verschieben. Es war genauso unangenehm, wie es sich anhörte. Taluna verglich es immer mit dem Knacken von Gelenken, bloß ein bisschen schlimmer.
Im Zwielicht der Nacht konnte man sehen, wie sich unter dem dunklen Fell Knochen, Muskeln und Gelenke verschoben. Hände und Füße wurden zu Pfoten, das Becken verformte und verschob sich, der Brustkorb wurde schmal und länglich, der Kopf und das Gesicht veränderten ihre Form. Taluna fühlte, wie sich auch ihre Kehle veränderte und sie damit ihre Sprache verlor.
Der ganze Vorgang dauerte knapp eine Minute, dennoch kam es Taluna länger vor. Als sie fertig war, schüttelte sie sich und streckte ihre Glieder. Gelangweilt öffnete Pixi im Badezimmer ein Auge und musterte Taluna. Diese zwinkerte ihrem kleinen Mischling zu, ehe diese sich wieder schlafen legte. In Tiergestalt konnte Taluna es nicht verhindern, dass sich ihre Sinne schärften. Als schwarzer Leopard hatte sie nicht die Möglichkeit auszublenden.
'Aber wenigstens habe ich ein Fell, das die Mücken abhält', dachte sie zufrieden und kletterte vorsichtig auf ihr Bett.
Ihr jetziger Körper war fast ebenso lang wie ihr menschlicher. Der dunkle Schwanz war beinah noch einmal so lang. Auch das Gewicht unterschied sich nur geringfügig – wo sollte ihre Masse denn auch hin? Schließlich konnte sie ihr Gewebe nur verformen, nicht hinzu- oder wegzaubern.
Zufrieden mit sich streckte sich Taluna aus und schnurrte wohlig. Sie fühlte, wie ein Luftzug über ihr Fell streichelte. Es war mittlerweile beinah elf Uhr nachts, von draußen drangen nur die Geräusche einer gewöhnlichen Sommernacht. Taluna tat einen tiefen Atemzug, roch die Blumen im Garten, die trockene Erde und einen Hauch Sandelholz.
'Stopp – Sandelholz?!', jagte es durch ihren Kopf und sie öffnete die Augen. Der Lattenrost ihres Betts knarrte unter ihr, als sie sich aufsetzte. Prüfend sog sie die Luft in ihre Lungen und analysierte die verschiedenen Aromen. Je genauer sie den Geruch analysierte, desto sicherer war sie sich: Er war ganz in der Nähe. Ihr Fell sträubte sich und sie musste ein gefährliches Knurren unterdrücken. Als Tiere waren Nairi ihrem animalischen Gegenstück näher als sonst. Instinkte und Reflexe bestimmten ihre Handlungen. Und Talunas Urinstinkt ging es gewaltig gegen den Strich, dass sie verfolgt wurde.
'Keine treibt mich in die Enge', dachte sie und glitt wie ein schwarzer Schatten vom Bett. Auf dem Gang lauschte sie einige Sekunden. Doch sie hörte nichts, Nora schlief noch immer. Auf leisen Pfoten ging Taluna die Treppe hinunter und in die Küche. Ihre Großmutter und sie hatten die Türklinke extra niedrig anbringen lassen, damit auch große Katzen sie problemlos erreichen konnten.
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Love Me Wild
WerewolfIn einer modernen Welt leben Menschen und Gestaltwandler friedlich zusammen. Scheinbar. Die junge Panther-Wandlerin Taluna gerät mitten hinein in einen Konflikt, der seit Jahren unter der Oberfläche brodelt. Nur der Leoparden-Wandler Cian kann ihr h...