15 ~ Frechheit siegt

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Missmutig schob sich Taluna ein Stück Schweinefleisch in den Mund. Selbst das Essen ihres Lieblingschinesen konnte sie nicht aufmuntern. Darum saß sie mit ihrem Mittagessen bei ihren zwei persönlichen Psychologinnen und ließ ihren Frust ab.

„Ich bin mir ganz sicher, dass er es ist", beteuerte sie, als sie geschluckt hatte.

Gloria zog geräuschvoll ihre Nudeln in den Mund und meinte kauend: „Ich glaube nicht, dass er ein Stalker ist."

„Ich auch nicht. Es passt nicht in das Muster dieser Personen, so offen und auf ‚normalem' Weg an ihre Opfer heranzutreten", fügte Kathy hinzu und nickte bestimmt.

„Meinst du wirklich?"

Gloria nickte anstelle von Kathy. „Ja. Stalker tun viel mehr, als ihr Opfer nur zu verfolgen. Sie hinterlassen Nachrichten auf allen erdenklichen Wegen, sie beschädigen das Eigentum, schicken Geschenke oder Blumen oder setzen seltsame Gerüchte in die Welt."

Taluna stocherte in ihrem Reis herum und seufzte. „Naja, Blumen hab ich bisher noch keine bekommen."

Kathy lachte und verschluckte sich beinah an dem Bissen in ihrem Mund. „Vielleicht ist es wirklich so wie Nora gesagt hat und es ist nur ein dummer Zufall. Hört sich für mich jedenfalls logisch an."

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll", murmelte Taluna und lehnte sich auf dem weichen Sessel zurück. Um vor der vielen Arbeit in der Redaktion wenigstens in ihrer Pause Ruhe zu haben, war Taluna in die Praxis von Kathy und Gloria geflüchtet. Das Gebäude lag nur etwa zehn Minuten zu Fuß von Talunas Büro entfernt. Die Pantherin hatte unwillkürlich aufgeatmet, als sie die hellen und freundlichen Räume der Praxis betreten hatte.

„Jetzt hör auf über deine Paranoia nachzudenken und rück endlich raus wie er aussieht", riss Kathlen sie aus ihren Grübeleien und grinste sie an.

„Ja, spuck's schon aus!" Gespannt saß Gloria an ihrem Schreibtisch und klimperte mit den Wimpern. Taluna konnte gar nicht anders, als zu lächeln. Diese beiden waren mindestens genauso verrückt wie ihre Patienten – oder wie Taluna selbst.

Um Zeit zu schinden, kratzte sie mit einem Löffel die Reste aus der Pappbox und kaute gründlich. „Hm... wie er aussieht...", überlegte sie laut und trank einen Schluck Wasser. „Also... Goldbraune kurze Haare, goldene Augen. Breite Schultern und vielleicht 1,85 Meter groß."

Kathy blinzelt verwundert. „Hast du schon für ein Fahndungsfoto geübt?"

Gloria lachte leise vor sich hin. „Sicher weiß sie auch schon seine Schuhgröße."

„Seit still, ihr undankbaren Weiber. Ihr wolltet es doch wissen."

„Schon gut, ruhig Blut", beschwichtigte Kathy sie und strich sich einige helle Strähnen hinters Ohr

„Was ist er – Mensch oder Nairi?", hakte Gloria nach.

„Eindeutig Nairi. Um genau zu sein ein Leopard."

„Oh... Ein fleckiger oder ein schwarzer?"

Taluna rollte mit den Augen. „Ein fleckiger."

„Ja, und sonst? Hohe Wangenknochen, volle Lippen, ein knackiger Hintern?" Gloria hatte sich erwartungsvoll nach vorn gelehnt und ihr Kinn auf die gefalteten Hände gelegt. Ihre haselnussbraunen Augen funkelten erwartungsvoll.

„Er kommt nicht aus deinen verdammten Nackenbeißerromanen", konterte Taluna und versuchte nicht zu grinsen. Ihre Freundin hatte eine Schwäche für die Sparte Liebesromane, auf deren Cover eine vollbusige Schönheit von einem halbnackten Adonis leidenschaftlich umschlungen wurde.

Love Me WildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt