16 ~ Nur eine Regel

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Das Knurren seines Magens veranlasste Cian seine Arbeit zu unterbrechen. Es hatte bereits angefangen zu dämmern, als er sich an den Laptop im Obergeschoss gesetzt hatte. Nun war es dunkel und er hatte seinen heutigen Bericht abgeschickt. Er konnte sich schon Banks hämisches Grinsen vorstellen, wenn er las, was ihre Zielperson getan hatte.

Er atmete tief ein und rieb sich übers Gesicht. Hunger nagte an ihm und er ging hinunter in die Küche. Cian kämpfte gegen die innere Unruhe, die ihn seit seiner Ankunft in Heyton plagte. Da er ständig auf der Hut sein musste, um die Zielperson zu verfolgen, litt sein Training darunter. Wie sollte er auch eine Stunde laufen gehen, wenn er nicht wusste, ob sie heute nicht früher zur Arbeit ging? Und abends war er schließlich so lustlos, dass er es sein ließ.

'Das geht alles vorbei', beruhigte er sich und kreiste mit den Schultern. Seine bloßen Füße verursachten kein Geräusch, als er über die glatten Fliesen ging und den Kühlschrank öffnete. Mrs Giordano hatte ihm die Reste der Lasagne aufgedrängt und er grinste in sich hinein, als er es in die Mikrowelle stellte.

„Verrücktes altes Weib", murmelte er vor sich hin und deckte den Tisch.

Nora Giordano war wirklich eine seltsame Frau – vielleicht sogar noch verrückter als ihre Enkelin. Cian lachte leise vor sich hin und schüttelte den Kopf. Welche Frau würde schon zum Angriff übergehen, wenn sie sich mit einem mutmaßlichen Irren konfrontiert sah?

'Das könnte ein Problem werden, falls wirklich Leute von PH auftauchen', dachte er und wurde wieder ernst.

Er durfte sein Ziel nichts aus den Augen verlieren – ihre Sicherheit hatte oberste Priorität. In den Akten hatte gestanden, dass ein Verwandter von ihr eine hohe Position bei der Regierung innehatte. Allerdings war nicht ersichtlich, um wen es sich handelte. Doch das war für Phönix egal. Für sie zählte lediglich, dass sie ihre Klienten vor den radikalen Methoden von PurHuman schützen mussten.

Die Mikrowelle piepste und Cian stellte die dampfende Mahlzeit auf den Tisch – eine Portion, von der zwei ausgewachsene Menschen ohne Probleme satt geworden wären.

'Es hat sich noch nichts getan, aber das muss nichts heißen', grübelte er, während er anfing zu essen. Banks hatte ihm am Morgen ein Mail geschrieben, dass keine weiteren Internetaktivitäten in die Richtung von Taluna Giordano gegangen waren.

„Luna... mit dem Mond hat sie aber nichts gemeinsam", flüsterte Cian und fühlte, wie er lächeln musste. 'Ich verfalle wohl langsam dem Wahnsinn – so viel habe ich in den letzten Jahren nicht mehr gelächelt.'

Nachdem er aufgegessen hatte, ging er nach oben und stellte sich mit dem Fernglas ans Fenster. Von seinem provisorischen Büro konnte er relativ gut zu dem Haus der Giordanofrauen blicken. Alle Fenster waren dunkel, bis auf eines im Obergeschoss. Cian kniff die Augen zusammen und sah genauer hin. Ein zierlicher Schatten huschte am Glas vorbei, dann war es dunkel.

~

„Ich find ihn heiß", schnurrte Susan und machte damit den Katzen alle Ehre.

Taluna schnippte gegen ihren Oberarm und sah sie anklagend an. „Soll ich das deinem Mann erzählen?"

„Den interessiert das nicht – schließlich ist er nicht mehr Mitte zwanzig." Susans dunkelbraune Augen funkelten vergnügt, als sie ihrer Kollegin zuzwinkerte.

„Von dem würde ich gern mal ein paar Aktaufnahmen machen." Die Menschenfrau seufzte theatralisch und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

„Susan!", empörte sich Taluna und sah die Frau anklagend an.

„Was?" Mit einer Miene, als könnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun, sah Susan die Nairi an. Taluna winkte ab und sah wieder aus dem Fenster.

Love Me WildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt