26 ~ Hilfe naht

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Aufgewirbelte Blätter und Staub schlugen Cian ins Gesicht und er kniff die Augen zusammen. Das Dröhnen der Rotoren übertönte alle anderen Geräusche und hallte über den kleinen Landeplatz. Die Arme vor der Brust verschränkt, wartete Cian auf die beiden Männer, die aus dem Helikopter ausstiegen und zu ihm herüberliefen. Ein dunkelhaariger Mann mit einer langen Narbe auf der linken Wange war annähernd zwei Meter groß und breit wie ein Schrank. Doch vor bei seinem Blick sträubte sich Cians Nackenfell nicht. Falps war wohl der gelassenste Mann bei Phönix.

Nein, was Cians Tier an den Ketten ziehen ließ, war der Mann neben seinem Kollegen – sein Boss. Nur zehn Zentimeter kleiner als Falps, wirkte dieser Mann dennoch hochgefährlich. Banks kam auf ihn zu wie der sprichwörtliche Löwe auf Jagd. Nur schlecht für Cian, dass dieser Löwe mächtig angepisst war. Als beide vor ihm stehen blieben, konnte Cian das mordlustige Funkeln in Viktor Banks goldenen Augen sehen.

„Walker, ich reiße Ihnen den Arsch auf."

„Auch schön Sie zusehen, Boss." Ehe Cian reagieren konnte, traf Banks rechte Faust ihn mitten auf die Nase. Sofort schoss Blut aus der Wunde und lief ihm übers Gesicht. Der Leopard brüllte, forderte Rache und ließ geflecktes Fell über Cians Körper wabern. Doch dieser unterdrückte die Reaktion des Tieres. Stattdessen wischte er das Blut ab und sah Banks ungerührt an.

„Danke Sir, das habe ich verdient."

Victor schnaubte. „Sie hätten noch viel mehr verdient. Aber wenn ich Ihnen das alles angetan hätte, dann wären Sie nutzlos für mich."

Cian nickte lediglich.

„Wollen wir uns weiter wie kleine Jungs prügeln, oder wollen wir uns an die Arbeit machen?" Der tiefe Bariton von Falps durchbrach die angespannte Atmosphäre. Selbst in seiner menschlichen Hülle konnte der Nairi den Braunbären in sich nicht hundertprozentig verstecken.

„Sie haben Recht", sagte Banks und ging zu dem bereitgestellten SUV. Mittlerweile waren der Pilot und sein Copilot ausgestiegen und hatten allerlei Taschen und Kisten ausgeladen. Diese wurden nun in den großen Kofferraum verfrachtet, ehe die beiden Männer wieder in den Helikopter stiegen. Cian ließ sich auf die Rückbank nieder, während Falps sich hinters Steuer setzte. Banks begnügte sich mit dem Beifahrersitz.

Ehe der wuchtige Nairi losfuhr, drehte er sich zu Cian um und sah ihn aus erdbraunen Augen an. „Clara wird dir das Fell über die Ohren ziehen. Sie darf die Zentrale nun ganz allein am laufen halten." Cian lachte freudlos und sie fuhren vom Flugplatz.

~

„Dafür hasse ich Sie", knurrte Cian, als er zur Haustür hereinkam. Banks ignorierte ihn und starrte weiter in den Laptop. Das Wohnzimmer und die Küche sahen aus wie die Kontrollzentrale von Houston. Überall Computer, Konsolen, Modems und dazu ein riesiger Berg Kabel. Es war kurz vor elf Uhr nachts und die Männer waren gerade fertig alles anzuschließen.

Wortlos ging Cian ins Obergeschoss und schloss sich im Badezimmer ein. Ohne den Lichtschalter zu betätigen ging er zum Waschbecken und schöpfte mit beiden Händen kaltes Wasser über sein Gesicht. Mondlicht flutete durch das kleine Fenster und er sah sich im Spiegel über dem Becken. Er sah grässlich aus. Gramesfalten, die am Morgen eindeutig noch nicht da gewesen waren, hatten sich in sein Gesicht eingegraben.

'Nora fühlt sich sicher noch schlechter', dachte er und schloss gequält die Augen. Er hatte die Aufgabe übernommen, der alten Frau die grausame Nachricht zu überbringen. Erstaunlich gefasst hatte sie seinem Lagebericht gelauscht, hatte ihn nicht unterbrochen. Diese Frau verfügte über eine Stärke, derer Cian sie beneidete.

„Oh Junge", hatte sie lediglich gesagt und ihn aus unendlich traurigen Augen angesehen. Cian hatte nichts beschönigt und ihr offen gesagt, wie ihre Chancen standen: Beschissen. Er war nicht zurückgezuckt, als sie ihn an der Schulter angefasst hatte. Ihre Hände waren eiskalt gewesen, doch ihre Worte hatten ihn mehr zittern lassen.

Love Me WildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt