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Childhood Friend ~ Chapter I

Die Zeit heilt alle Wunden? Wer hat sich denn nur diesen Müll wieder ausgedacht...

Mike's PoV:
‚Schlimmer kann es wohl nicht mehr werdenʼ, flog es mir durch den Kopf. Kurz seufzte ich auf während ich meinen Blick weiter entsetzt durch den Raum schweifen ließ. Wo man nur hinsah waren Spinnenweben und Kartons, welche beinahe bis unter das Dach gestapelt waren. Und nun hatte ich die Aufgabe bekommen das ganze Chaos hier zu beseitigen. Sobald ich ein paar Schritte ging erhoben sich kleine Staubwolken vom Boden und wirbelten durch die Luft. Was hätte ich schon anderes von einem Dachboden, den seit Jahren keine Menschenseele mehr betreten hatte, erwarten sollen? Seufzend begann ich damit den ersten Karton von einem der Stapel zu entnehmen um ihn dann ordentlich in eine Ecke des Raumes zu stellen. Als ich gerade die nächste der beigen Schachteln nehmen wollte rutschte etwas von dieser herunter und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Verwundert stellte ich den Karton weg und wedelte etwas mit der Hand um wenigstens nur ansatzweise etwas sehen zu können.

Es war ein Buch. Ein staubiges, altes Buch, welches nicht so wirkte, als hätte jemand in letzter Zeit daraus gelesen. Jedoch wurde mir schnell klar, dass es sich hierbei nicht um irgendein Buch handelte als ich dies aufhob. Sofort sprang mir der auffällige, goldene Schriftzug ‚Memoriesʼ auf dem mit weinroten Samt überzogenen Einband ins Auge als ich diesen ein wenig von der dicken Staubschicht, welche sich dort über Jahre abgelagert hatte, befreite. Die Neugierde loderte in mir auf. Vorsichtig schlug ich deshalb die erste Seite, auf der mein Name stand, auf. Es war ein altes Fotoalbum aus meiner Kindheit. Noch nie hatte ich es zu Augen bekommen und doch schien dieses Buch so viele Erinnerungen festzuhalten. Ich blätterte eine Seite weiter, zwei Bilder befanden sich darauf. Sie waren nur schwarz-weiß und zudem etwas verpixelt, jedoch konnte man die beiden Kinder, welche darauf zu sehen waren, auf den ersten Blick erkennen. Es waren mein bester Freund und ich. Damals waren wir zusammen im Pacific Park in Santa Monica gewesen. Jeder hatte seinen einen Arm um die Schulter des jeweils anderen gelegt. So gerne erinnerte ich mich an die Zeit, als ich noch ein Kind war. Damals hatte ich nicht viele Freunde gehabt, dennoch war ich glücklich gewesen und hatte immerzu gelächelt.

Weiter musterte ich den Jungen neben mir. Obwohl das Bild keinerlei Farbe hatte, konnte ich mich genau an seine braunen Locken, welche ihm immer strähnenweise ins Gesicht gehangen hatten, und die pechschwarzen Augen, welche dennoch so viel Wärme und Lebhaftigkeit ausgestrahlt hatten, erinnern. Wir beide waren die Kinder gewesen, die anders waren, und genau aus diesem Grund waren wir unzertrennlich geworden. Nie hätten wir gedacht, dass wir uns jemals verlieren könnten. Doch genau dies war geschehen. Noch zu gut konnte ich mich an den Moment erinnern, an dem wir uns zum letzten Mal Lebewohl sagen mussten...

„Ich will nicht, dass zu weggehst, Chazzy.“, schluchzte ich in die Schulter des älteren Jungen. Er löste sich von mir, Tränen liefen über die von blassen Sommersprossen bedeckten Wangen.
„Ich komme doch nächstes Jahr wieder, Mikey.", lächelte er aufmunternd, obwohl er selbst weinte, und wischte mir mit dem Ärmel seines schwarzen Captain America Pullovers die Tränen von den Wangen.
„Versprochen?“, fragte ich woraufhin er entschlossen nickte und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich verspreche es.“, lächelte er und verhakte seinen kleinen Finger mit meinem.
„Ich hab dich lieb, Chazzy. Bis zum Mond...
„...Und zurück. Ich verspreche dir, dass wir uns schon bald wiedersehen werden, Mikey.

Doch an dieses Versprechen hatte er sich nicht gehalten, bis heute fehlte von ihm jede Spur. Zudem hatte ich nie verstanden, warum er mich immer auf die Wange geküsst hatte. Es hatte mir damals gefallen und mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben, doch bis heute fand ich es noch immer fragwürdig.
„Was hast du da gefunden, Kleiner?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir woraufhin ich erschrocken hochfuhr und mich ruckartig umdrehte. Hinter mir stand mein älterer Bruder Jason, welcher mich neugierig musterte. Er kam zu mir und ließ sich dann neben mir nieder.
„Kannst du dich noch an Chester erinnern, Jay?“, fragte ich leise und strich vorsichtig über das Gesicht meines ehemaligen besten Freundes auf dem Foto. Er nickte als Antwort und blickte ebenfalls auf das Buch vor mir nieder.

„Du vermisst ihn noch immer, nicht wahr?“, fragte er mitfühlend woraufhin ich schnell den Kopf schüttelte.
„Ach Schwachsinn. Er hat mich sicherlich längst vergessen. Immerhin waren wir damals noch kleine Kinder“, murmelte ich und klappte das Fotoalbum zu. Ich wollte mir nichts anmerken lassen, wie sehr der Gedanke, dass er mich vielleicht schon längst vergessen hatte, schmerzte.
„Wie du meinst.“, zuckte mein Bruder mit den Schultern ehe er aufstand und mich alleine ließ. Nun war es wieder still im gesamten Raum. So still, dass man das Ticken der Pendeluhr in unserem Wohnzimmer und das leise Peitschen der Äste des Baumes vor unserem Haus gegen das große Fenster im Flur bis hier oben hören konnte. Die ungewohnte Ruhe war beinahe schon erdrückend. Seufzend riss ich mich von dem Buch los, legte dieses behutsam auf einen Tisch, welcher ebenfalls auf dem Dachboden einen Platz gefunden hatte, und fuhr mit meiner eigentlichen Arbeit fort.

Es war spät am Abend als ich noch immer hellwach in meinem Bett saß, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und das Buch fest in den Händen haltend.
„Ich hab dich lieb. Bis zum Mond...“, wisperte ich wobei ich damit zu kämpfen hatte nicht in Tränen auszubrechen. Jedoch ertönte dieses Mal nicht die liebliche, zarte Stimme von Chester und vollendete den Spruch unserer Kindheit. In diesem Moment wusste ich nicht, was ich fühlen sollte. Traurigkeit? Hass? Er hatte mich alleine gelassen, sein Versprechen gebrochen. Doch ich konnte es nicht über's Herz bringen ihn zu hassen. So viel hatte er für mich getan, mich nie im Stich gelassen. Ich wusste weder wo er nun war, wie es ihm ging noch, ob er sich überhaupt noch an mich erinnern konnte. Dennoch wusste ich, dass der Junge mit den Augen, welche schwarz und geheimnisvoll wie die Nacht waren, und den dunklen Locken immer einen Platz in meinem Herzen haben würde.

Stunden vergingen. Still lag ich in meinem Bett und lauschte den Schlägen der Pendeluhr, welche durch das nachts beinahe leblos wirkende Haus hallten. 9, 10, 11. Der letzte Ton verklang. Nun war es genau Mitternacht. Fest drückte ich das Buch an meine Brust während Tränen über meine Wangen liefen. Mir ging die Kraft aus und wie sooft weinte ich mich in dieser Nacht in den Schlaf...

~To be continued~

Childhood Friend \\ Bennoda ✍︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt