Kapitel 21 - Lassander/Nimrod

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Lasander war vorraus gestürmt, bis ihn die Lungen von der Anstrengung brannten und er anhalten musste.

Bei allen Göttern, diese Frau brachte ihn zur Weißglut. Dabei hätte er die ersten Sätze von ihr durchaus lachend in Kenntnis genommen.

Aber der letzte Satz, der hatte ihn schwer getroffen, weil er absolut der Wahrheit entsprach.

Ja, er rannte seiner Verantwortung davon. Schon jahrelang.

Er legte seine Hände auf die Knie und keuchte. Kurz schloss er die Augen und verfiel in seine Erinnerungen.

Bringt den Prinz von hier fort. Er ist hier nicht mehr sicher!

Die Stimme seines Vaters drang in seine Gedanken.

Er hatte damals nicht gehen wollen. Nein, Lasander wollte bei seiner Familie bleiben. Sein Vater hatte darauf bestanden, dass Kasar den damals zwölfjährigen Prinz mit sich nahm und in dem Kloster versteckte, von dem er gerade erst gekommen war.

Er hatte bei seinem Vater im Thronsaal gesessen und starrköpfig seine Meinung vertreten.

„Ich werde nicht wieder in dieses Kloster gehen, Vater! Ich will hier bleiben und dein Volk mit verteidigen!"

Sein Vater hatte ihn stolz betrachtet, aber darauf bestanden, dass Lasander den Hof verließ.

Er war sehr enttäuscht gewesen.

Er hatte seine Verantwortung übernehmen und sich nicht feige verstecken wollen. Deswegen hatte er sich vor Kasar versteckt und war in den Brunnen gestiegen. Kasar hatte ihn gesucht, war dann aber davon geritten.

Lasander hatte alles mit angehört, war aber feige im Brunnen geblieben, als er die ersten Kämpfe vernahm.

Dennoch hörte er alles, als ob man ihn damit bestrafen wollte.

Die Hinrichtung seiner Eltern!

Die Ermordung der Menschen, die Schutz in der Burg gesucht hatten.

Er hatte gehört, wie sich die Nachtelfen lachend einen nach den anderen geschnappt hatten, um sie zu quälen. Kinder wurden gegen die Mauer geschleudert, Frauen vergewaltigt, um ihnen danach die Kehle durch zu schneiden.

Er hatte das Schmatzen der Trolle gehört, die sich an den noch warmen Leibern der Toten gütlich taten.

Lasander war zwar lange im Kloster gewesen, aber er kannte alle Schleichwege aus dem Schloss. Sobald die Dunkelheit hereinbrach, verschwand er.

Er rannte um sein Leben.

Erst, als er in einem dichten Wald angekommen war, hatte er sich eine Pause gegönnt. Nur kurz hatte er sich auf das weiche Moos gelegt und die Augen geschlossen. An Schlaf war aber nicht zu denken gewesen. Die grausamen Geräusche hatten sich in sein Gehirn eingebrannt.

Lange weinte er und zum Schluss übergab er sich, als ihm bewusst wurde, was das alles bedeutete.

Seine Eltern waren tot. Das Königreich zerstört und man würde ihn suchen.

Aus einem Bach hatte er sich etwas zu trinken gegönnt und war dann weiter gelaufen.

Er tat alles, was ihm sonst immer zuwider gewesen war.

Bei einem Bauernhof hatte er sich die einfache Kleidung von der Leine geklaut und hatte seine eigene dafür da gelassen.

Er hatte gestohlen, gelogen, sich um Essen geprügelt. Nein, das war wirklich kein Verhalten, dass einem Prinzen würdig war.

Er war in der Gosse gelandet. Ganz unten, wo niemand sein wollte.

Doch dann wurde er erwischt.

Man hatte ihn in ein Loch geworfen und niemand wollte ihm mehr heraus lassen. So hatte ihn Kasar gefunden. Er hatte die Bauern bezahlt, die ihn eingesperrt hatten und ihn mit in seine Herberge genommen.

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