𝔊𝔢𝔦𝔰𝔱

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𝔊𝔢𝔦𝔰𝔱

Letztes Jahr

Cal musste feststellen, dass Blakes kryptische Andeutungen über die Festung keine leeren Worte gewesen waren.

Als sie erwachte, hatte sie kaum vier Stunden geschlafen, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte in ihrem Spiegelbild keine Schatten unter den Augen finden.

Cal verzog den Mund und schlüpfte aus den staubigen Klamotten, in denen sie geschlafen hatte.

London lag anders auf ihrer Haut, als die Staaten.

Alles, was sie kannte, war einmal hier gewesen, alles, was ihr noch geblieben war, ließ sie in Maryland zurück.

Eigentlich hatte Cal nichts.

Ihr erster Impuls war, nach Blake zu suchen, aber davon hielt sie sich ab. Genau das wollte er schließlich erreichen. Er wollte, dass sie zu ihm kam und ihm von ihren Problemen erzählte. Dass er ihr Vertrauter wurde, dass Cal rasend wie eine angezündete Katze nach Antworten suchte, die nur er ihr geben konnte.

Cal war ziemlich stur und setzte sich halbnackt auf ihre Bettkante, bis die Reisetaschen entdeckte, die jemand in die Ecke ihres Zimmers gestapelt hatte.

Jetzt, wo sie frische Kleider anziehen konnte, hatte sie das Bedürfnis, den Schweiß und den Staub aus Maryland wieder anzuziehen. Irgendetwas, was sie in der Festung daran erinnerte, wer sie war.

Du weißt, wer du bist. Leider besser als jeder andere.

Cal zog sich einen neuen Pullover an, schlüpfte in neue Jeans und blieb unschlüssig im Zimmer stehen.

Es war noch früh. Als sie die Zimmertür zum Flur öffnete, stolperte sie über ein Tablett mit trockenem Frühstück. Sie bückte sich, ein amüsiertes Grinsen im Mundwinkel, weil sie sich ziemlich sicher war, dass Dorcas ihren kurvigen Hintern dafür in die Küche geschlappt hatte.

Guten Morgen, Caroline.

Du wirst in der Bibliothek erwartet, sobald du das Frühstück beendet hast.

Dorcas. Eindeutig.

Cal verzichtete auf das Frühstück und ging gleich zurück in die Eingangshalle, wo Dorcas sie professionell ignorierte.

Cal räusperte sich.

„Was kann ich für dich tun?" Ein schmerzhaft aussehendes Lächeln breitete sich auf Dorcas Lippen aus.

„Wo ist die Bibliothek?" Cal hob die Augenbrauen, als Dorcas die Augen verdrehte. „Ja, ja, ich weiß, du Wunderkind. Jeder muss wissen, wo die Bibliothek ist. Aber wir sind hier in keinem scheiß Roman, ich kann keine Gedanken lesen. Also, raus damit."

Dorcas pikierter Gesichtsausdruck war jedes Wort wert gewesen.

Sie hasst dich. Aber wer tut das nicht?

„Hinter dir. Die Tür links vom Kamin."

Cal salutierte und überließ Dorcas ihrer Arbeit.

Sie konnte schlecht verbergen, wie schnell ihr Herz schlug, als sie die Bibliothek betrat.

Es geht los. In die Startlöcher. Fotoapparate raus, gleich dürfen wir Zeugen von Caroline Tides legendärem Versagen auf jeder erdenklichen Ebene werden.

Hinter der Tür erwartete sie staubige Stille. Bücherregale, die mit Büchern belastet wurden, die nicht unbedingt nach Charles Dickens und Jane Austen aussahen. Mehr nach Alistair Crowley.

Vitriol. Der SchakalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt