𝔊𝔢𝔤𝔢𝔫𝔴𝔞𝔯𝔱

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Jetzt


Cal schreckte hoch.

Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass sie in New Orleans Trailer eingeschlafen sein musste.

Ihre Finger gruben sich in den Stoff, der unter ihr auf der alten Matratze lag.

Sie atmete tief ein und aus, um in die Realität zurückzukehren. Sie hatte wieder von dem Tag geträumt, an dem sie New Orleans all die hässlichen Dinge über sich erzählt hatte. Der letzte Tag, an dem sie ihn gesehen hatte.

In ihrem Traum lief sie danach meistens im Bademantel und ohne Schuhe durch die Stadt, bis ihr aufging, dass sie sowieso keine Perspektive hatte. Kein Zuhause, kein Abschluss, nur ein paar Probleme mit Drogen.

Die tragische Geschichte, wie Cal sich nach ihrer Zeit im Kolloquium den Lebensunterhalt verdient hatte.

Diesmal war ihr Traum anders gewesen. Der Kuss, den New Orleans so abrupt beendet hatte, war viel intensiver. Eigentlich ging es in dem Traum nur um den Kuss. Und New Orleans hatte die ganze Zeit gewusst, dass sie eine Mörderin war.

Bullshit. Es wird niemals dazu kommen. Wer liebt schon eine Mörderin?

Sie schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. Ihr Gesicht war von getrockneten Tränenspuren bedeckt und ihr fiel wieder ein, dass New Orleans tot war.

Verrückt, wie sehr sie das mitnahm. Immerhin hatte er sie von sich gestoßen. Und trotzdem schmerzte sein Tod noch viel mehr, als seine Abweisung.

Cal hatte versucht, nicht an ihn zu denken, aber zu wissen, dass er noch irgendwo da draußen war, hatte ihr das Leben leichter gemacht.

Im Innenhof schepperte es, jemand polterte gegen die Tür des Trailers.

Cal sprang auf und packte ihre Sachen. Das hatte sie also geweckt.

Sie öffnete die Tür des Wohnwagens und drängte sich an ein paar überraschten Gesichtern vorbei. Die Menschen stanken, in ihren Händen knisterten Plastiktüten. Wahrscheinlich waren sie gekommen, um sich die Nacht mit heißgeliebten Substanzen zu versüßen.

Hastig ging sie zur nächsten U-Bahnstation. Sie achtete darauf, den Blick nicht zu heben, sie wollte niemandem die Möglichkeit geben, in ihr Gesicht zu blicken.

Wohin jetzt? Sie brauchte ein Telefon. Oder sie ging gleich zu Blake.

In der Unterführung blieb sie stehen. Sie war außer Atem.

Was hat dir jetzt solche Angst gemacht?

Mit pochendem Herzen drehte sie sich langsam um sich selbst. Sie fühlte sich verfolgt. Eine alte Manie, die sie auch nach den Ereignissen in der St. Pauls Cathedral nie abgelegt hatte. In East Ende war um diese Uhrzeit kaum ein normalerMensch unterwegs. Sie sah Junkies, Betrunkene und Obdachlose.

Sonst nichts. Halb erwartete sie, den Nichtmann wieder zu sehen. Probehalber bewegte sie ihre Hände, aber sie verkrampften sich nicht. Cal hatte keinen Anfall mehr erlebt, seit New Orleans sie rücksichtslos in den Pfuhl der Wahrheit gestoßen hatte. Sie dachte wieder daran, was Blake getan hatte.

Er hatte sie belogen. Er kannte sie schon viel länger, als die paar Wochen, die sie beim Kolloquium verbracht hatte. Blake hatte Kindesmissbrauch beobachtet, ohne etwas dagegen zu unternehmen, und er hatte dafür gesorgt, dass Cal einen Mann wie Less treffen würde.

Vitriol. Der SchakalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt