Schritt für Schritt

,,Is it stupid if I'm asking Do you miss me?"

Riesa, Leipzig, Mannheim, Hannover, Oberhausen, Nürnberg, November 2020

Drei Tage Training und Sasa taten alle Knochen weh. Am Abend aß sie mit den anderen, duschte und warf sich dann auf's Bett. Eigentlich wollte sie noch kurz auf Instagram, aber nach den ersten Stories schlief sie jedes Mal ein. Spätestens nach der ersten Show mit Publikum hätte sich die ganze Schufterei gelohnt.

Als sie am Montag das erste Mal in Kostümen tanzten, wurde das Bild mit jedem Durchgang klarer. Sie wurden synchroner, die Schritte fühlten sich natürlicher an und die Stimmung schaukelte sich hoch. Die Premiere morgen würde hoffentlich genauso gut werden, wie die letzte Durchgangsprobe. Dann dürften sie auch endlich Sachen auf Instagram teilen und mehr über die Tour berichten.

Obwohl sie komplett neu in der Gruppe war, fühlte Sasa sich sofort aufgenommen. Robert half dabei, weil er sie schon kannte und die Verbindung zu den anderen herstellte. Den größeren Anteil am Gemeinschaftsgefühl hatten ihre Leidenschaft für's Tanzen und das geteilte Ziel, eine grandiose Show auf die Beine zu stellen. Noch einmal schlafen, dann war es endlich so weit.

Sie schlüpften in die Kostüme, schminkten sich und gingen noch ein letztes Mal im Kopf die Schritte durch. Sasas Herz pochte bis zum Hals. Vor den Touren in den USA war sie auch nervös, aber heute erreichte es ein neues Level. Sie konnte das deutsche Publikum nur schwer einschätzen. Nur war die erste Tour schon ausverkauft und hatte hervorragendes Lob bekommen. Also gab es gute Vorzeichen und gleichzeitig hohe Erwartungen. Sie mussten das letzte Jahr einfach toppen, was kein Problem bei den Promis, die dabei waren, sein sollte.

Acht Kostümwechsel später wurden sie von lärmendem Applaus überschwemmt. Jeder Umbau hatte funktioniert und nur wenige kleine Fehler waren passiert. Die Show war wie ein Rausch an Sasa vorbeigezogen und das Adrenalin schoss noch immer durch ihren Körper. Die Zusage zur Tour war neben dem erneuten Kontakt zu Felix die beste Entscheidung, die Sasa bisher in diesem Jahr getroffen hatte.

Nach zwei erfolgreichen Shows in Riesa bekamen sie einen Ruhetag in Leipzig. Sasa war das letzte Mal in ihrer Jugend dort und freute sich schon darauf, auch einmal etwas anderes von der Stadt zu sehen als Veranstaltungsräume und Sporthallen. Auf der Suche nach einer der zwei Blusen, die sie eingepackt hatte, stieß sie auf den Grund, warum der Koffer schwerer zu schließen war: Ein schwarzer Pullover, der ihr einige Größen zu groß war. Bei näherer Betrachtung war es das Oberteil, das Felix am Freitag getragen hatte. Er musste es mit voller Absicht in ihrem Koffer platziert haben, schließlich lag es unter anderen Kleidungsstücken. Sie nahm sich vor ihn zu tragen, wenn ihr Schlafanzug während der Tour gewaschen wurde.

Erstmal legte Sasa den Pulli wieder beiseite und hielt dann endlich die hellblaue Seidenbluse in der Hand, nach der sie gesucht hatte. MakeUp, Haare und eine schnelle Instagram Story später machte sie sich auf den Weg in die Lobby. Sie hatten sich in verschiedene Gruppen aufgeteilt, weil die Interessen und Vorhaben variierten. Die einen wollten in Museen, andere lieber spazieren und essen und wieder andere ein wenig shoppen gehen. Am Nachmittag würden sich alle am Kino treffen und gemeinsam einen Film ansehen.

Sasa war mit Robert, Kathrin, Vadim und Andrej verabredet. Sie bildeten die "Essen-und-Spazieren" Gruppe. Bis auf Andrej waren schon alle in der Lobby und überlegten, wohin sie zuerst gehen wollten. Der fehlende stoß fünf Minuten später dazu und entschuldigte sich damit, dass er noch mit seiner Frau telefoniert hatte. ,,Wie geht es ihr und dem Baby?" Sasa musste einfach nachfragen, schließlich verdankte sie der Schwangerschaft der anderen Frau ihren Platz auf der Tour. ,,Ihnen geht es super, die Kleine hat heute Nacht viel getreten und Vika konnte nicht wirklich schlafen, aber sie wünscht uns viel Spaß heute in Leipzig."

Nach einem Halt bei einer Pizzeria am Markt, einem Japaner in einer kleinen Gasse und einem Café standen sie vor den Türen des Kinos im Petershof und warteten auf die anderen. In jedem Lokal hatte sich jeder ein einzelnes Gericht bestellt, von dem die anderen aber jederzeit kosten durften. Kathrin und Sasa sorgten dafür, dass auch die Fans der Show mitbekamen, was sie an ihrem freien Tag trieben. Die Stories wurden gefüllt mit Bildern von Essen, interessanten Häusern und Denkmälern, die sich über die Innenstadt verteilten. Im Kino sahen sie sich Black Widow an und Sasa war wieder einmal dankbar für ihre Ehe mit einem Regisseur und ihren Job in L.A., durch den sie alle Marvel Filme gesehen hatte und auch diesen in seinen Nuancen gut nachverfolgen konnte.