,,Promises broke again, what a sin"

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Ein Wort meiner Brüder und wir bleiben noch ein wenig in der Vergangenheit. Nächstes Mal geht es wieder in die Gegenwart - versprochen!

Berlin, 2002

Weder Elli noch Felix wollten vor einem Jahr glauben, dass sie auf das Gymnasium gehen würden. Kinder aus ihrer Siedlung gingen auf die Gesamtschule, aber doch nicht auf ein Gymnasium. Nur gingen beide sehr verschieden damit um. Während Elli sich durch den jahrelangen Tanzunterricht anpassen konnte und im Verhalten nicht sonderlich auffiel, konnte Felix nicht mit dem Reichtum und der teilweisen Versnobtheit seiner Mitschüler umgehen. Er ließ sich die Bemerkungen nicht gefallen und sorgte auch im Unterricht regelmäßig für Stress. Schon zu Beginn der siebten Klasse hatten sämtliche Lehrer Elli und Felix auseinander gesetzt, weil sie ständig miteinander sprachen.

Nur war die Schule auch der Ort, an dem sie sich am längsten sehen konnten. Elli hatte mittlerweile jeden Nachmittag Tanzunterricht und trat fast jedes Wochenende bei Wettbewerben an. Soweit Felix es verstanden hatte, tanzte sie in mehreren Altersklassen gleichzeitig und fuhr deswegen auch mal Samstagmorgen bis nach Bayern oder NRW. Sie behielten trotzdem den traditionellen Freitagabend mit Film und Übernachtung bei. Dabei wechselten sie sich jede Woche mit dem Aussuchen ab.

Als sie eines Freitags dafür nach Hause kamen, sahen sie Agathe, wie diese eine Matratze in Ellis Zimmer zog. ,,Mama, was wird das?" ,,Geht schonmal in die Stube, dann erkläre ich es euch." Felix legte die Tüte Chips auf dem Couchtisch ab und Elli holte Limonade und Gläser aus der Küche. Sie hatten sich den ersten Harry Potter Film ausgeliehen, um ihn nochmal zu schauen.

Agathe setzte sich gegenüber der beiden und begann dann mit der Aufklärung ihrer Aktion: ,,Wir, also Frank und ich, haben entschieden, dass ihr ab jetzt nicht mehr in einem Bett schlafen dürft." Sie blickte in zwei empörte Gesichter und fuhr seufzend fort: ,,Ihr seid jetzt 13 und da fängt man langsam an, Interesse am anderen Geschlecht zu entwickeln und sich zu entdecken. Frank und ich wollen nur aufpassen, dass nichts passiert." ,,Mama iih, das ist Felix. Den mag ich nicht so!"

Auch Felix verstand Agathe nicht. Klar war Elli hübsch, aber sie war seine beste Freundin, fast wie eine Schwester und mit der machte man solche Sachen nicht. Genau das sagte er Agathe auch. Elli und er berührten sich ja nicht mal im Bett. Sie schlief meistens auf der Seite mit dem Gesicht zur Wand und er daneben auf dem Rücken. Und sie würden das Verbot eh nicht durchsetzen können, wenn sie sich hinter verschlossener Tür wieder in ein Bett legten. Agathe ließ sich überzeugen und versprach auch nochmal mit Felix' Vater darüber zu sprechen. Er war ihr dafür dankbar. Nach dem Streich an ihrem Deutschlehrer und dem darauf folgenden Tadel war Frank ihm nicht sonderlich wohlgesonnen.

Felix drehte in den nächsten Wochen regelrecht frei, wenn es um Schule ging. Im Biologieunterricht waren sie wieder einmal bei Sexualkunde und er kommentierte jedes Penis und Vagina mit "Schwanz" und "Muschi". Am Ende der Stunde wurde er mal wieder zum Direktor gezerrt und der nächste Tadel erteilt.

Anstatt ihm eine Lektion zu erteilen, stachelte es Felix nur noch mehr an. So fuchtelte er in einer Kunststunde einfach mit der Schere rum und schnitt im Zuge dessen dem Mädchen vor ihm einige Strähnen ab. Er konnte beteuern, dass es keine Absicht war; den Tadel und Hausarrest bekam er trotzdem. Nur zum Fußball durfte er noch, wo ihm einer der älteren Jungs Gras zusteckte, das er dann mit Mitschülern auf der Toilette rauchte. Sie lösten den Rauchmelder aus und obwohl sie zu dritt waren, bekam nur Felix den Tadel. Und das waren nur zwei Vorfälle von vielen. Innerhalb von zwei Monaten sammelte er fast 30 Tadel an. Solange die Schule keine härteren Maßnahmen traf, würde Felix auch nicht mit dem Widersprechen, Beleidigen und Chaos anrichten aufhören.

,,Felix, warum machst du das alles in der Schule?" Elli und er saßen auf der Couch der Schneiders und sahen sich Center Stage an. Er fand den Film eher langweilig, aber schaute ihn Elli zuliebe, die sich im Gegenzug seine Action-Schinken gab. ,,Keine Ahnung. Am Anfang wollte ich noch beweisen, dass ich nicht ihrem Bild entsprach, aber dann hab' ich gemerkt, dass sie ihre Meinung nicht ändern würden. Also kann ich auch einfach der Neukölln-Assi sein, für den sich mich halten." ,,Aber so bist du doch in Wirklichkeit gar nicht." ,,Du weißt das, aber sie werden es mir nie glauben. Und irgendwie macht es auch Spaß zu sehen, wie die Lehrer versuchen, nicht auszurasten." ,,Ich möchte nur nicht, dass du von der Schule fliegst. Dann würden wir uns noch weniger sehen als jetzt schon." ,,Das wird schon nicht passieren."

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