Türchen 6:
Lukasz Piszczek x Claire
Für gulaschquatsch
[geschrieben am 08.09.2020]
[Words: 2.580]„Und, weißt du schon, was du nach dem Sommer machst?", erkundigte sich Elisa bei mir, die Frau meines Bruders Tomasz, während sie ihrer Tochter ein weiteres Würstchen auf den Teller gab. Ich wollte gerade antworten, als ich von der lauten und tiefen Stimme meines Bruders Mareks unterbrochen hatte, der selten etwas Schlaues zu sagen hatte, also machte ich mich schon einmal aufs Schlimmste gefasst.
„Vielleicht sich endlich eine Frau suchen. Ich meine, dann kann er ja nicht sagen, dass er keine Zeit hat!", meinte er und meine zwei anderen Brüder Tomasz und Marek stimmten ihm zu. Ich sah sogar meinen Vater nicken, der am anderen Ende des Tisches mir gegenübersaß. Ich verdrehte bloß genervt meine Augen und wurde dann von Lisas Blick gefangen, der Frau von Marek, mit der ich mich schon immer ausgesprochen gut verstanden hatte. Ihr hatte ich auch anvertraut, wie sehr mich doch diese ganzen Kommentare zu meinem Single Leben nervten und ich hatte auch das Gefühl, als hatte sie das nachvollziehen können. Wenigstens bespaßten sie sich nicht noch mit meinem angeblich nicht vorhandenen Sexleben, was nebenbei existierte, aber ich schätze mal, das taten sie bloß nicht, weil heute Heiligabend war und weil fünf Kinder mit am Tisch saßen, die mir momentan sogar meine liebste Gesellschaft waren. Ich wurde lieber genervt, ob ich Süßigkeiten rüberschieben konnte, als mit meinem Liebesleben, das so oder so seit Jahren von nur einer einzigen Person bestimmt wurde.
„Ich weiß noch nicht, was ich machen werde. Vermutlich viel in der Akademie aushelfen und...", ich wurde von dem Klingeln meines Handys unterbrochen, was eigentlich ein Vergehen am Esstisch war, da elektronische Geräte ausdrücklich verboten waren.
„Sorry", murmelte ich sofort und zuckte mein Handy aus der Tasche der schwarzen Stoffhose, die ich trug. Sofort entdeckte ich Claires Namen auf dem Display und mit einem Mal war die Außenwelt nicht mehr existent.
„Entschuldigt mich, das ist wichtig. Deutschland!", log ich sofort, um einen plausiblen Grund haben aufzustehen. Ich schob meinen Stuhl zurück und verließ den Tisch, der sogleich wieder in ein neues Gesprächsthema verfiel, während ich ins Wohnzimmer lief, mich in eine Ecke stellte und schließlich den Anruf annahm.
„Hallo?", fragte ich verwirrt in den Hörer, weil ich weder mit Claire gerechnet hätte, noch, dass sie mich an Heiligabend anrufen würde.
„Lukasz?", hörte ich ihre zitternde Stimme, was nicht wirklich dafür sorgte, dass ich weniger verwirrt war.
„Normalerweise gehe ich ran, wenn man meine Nummer wählt", lachte ich, doch hielt meine Stimme leise, damit keiner darauf Aufmerksam wurde, dass ich keinen Anruf aus Deutschland erhalten hatte.
„Ha-ha, hast du in Deutschland einen neuen Humor gefunden, oder wie?", brummte sie, doch fuhr mit ihren Worten fort, noch bevor ich darauf eine Antwort geben konnte.
„Ich warte vor deinem Haus, kommst du raus?"
Ich stutzte: „Wie du wartest vor meinem Haus?"
„So wie früher, als wir Kinder waren. Ich warte vor deinem Haus!", erklärte sie mir, als sei es das normalste der Welt. Ich schob die Gardinen etwas beiseite und spähte aus dem Fenster.
„I see you!", rief sie dann und kurz darauf entdeckte auch ich eine zierliche Gestalt, die in der Einfahrt meines Elternhauses auf und absprang und mir dabei zuwinkte.
„Lass mich jetzt bitte bloß nicht stehen!", flehte sie mich an, da sie mein Schweigen wohl richtig gedeutet hatte. Dann wiederum. Ich würde nichts lieber tun, als Claire nun zu sehen. Unserer letztes Aufeinandertreffen lag schon viel zu lange zurück.
„Mache ich nicht!", versicherte ich ihr dann und ließ die Gardine wieder vors Fenster fallen.
„Ich komme!", fügte ich hinzu: „Gib mir zwei Minuten!"
„Okay!", meinte sie und ich konnte in ihrer Stimme das Grinsen hören, was auch mein Herz höherschlagen ließ. Ich nahm mein Handy vom Ohr, beendete den Anruf und steckte es wieder in die große Hosentasche, bevor ich zurück zum Tisch ging.
„Ehem...", begann ich und wurde sofort von einem duzend interessierten Augenpaaren in Empfang genommen, die interessiert auf die Ausführung dieser Worte warteten.
„Ich muss mal raus. Also wichtig, das hat man mir gerade am Telefon gesagt. Etwas wegen der Akademie!", erklärte ich und versuchte möglichst überzeugend zu wirken.
„Wer ruft denn bitte an Heiligabend wegen Arbeit an?", presste meine Mutter dann geladen vor Skepsis vor. Ich presste meine Lippen aufeinander und dachte schon, dass meine Lüge entpuppt wäre.
„Unfassbar diese Menschen heutzutage. Keine Sekunde Ruhe hat man da!", regte er sich auf und versicherte mir somit, dass zumindest er mir geglaubt hatte und grundsätzlich glaubte jeder mir, wenn mein Vater mir glaubte.
„Ja, ich weiß. Ich bin bald wieder zurück. Ich muss da nur hin. Tut mir leid!", murmelte ich dann und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf.
„Wenn du musst, dann musst du wohl!", meinte Mark dann und klopfte mir auf den Unterarm, da das das einzige war, was er von seinem Stuhl erreichte. Ich nickte, bevor ich kurz winkte und dann am Tisch vorbeilief in Richtung des Flurs. Ich hörte noch eines der Kinder fragen, wohin ich wollte, doch das war mir persönlich unwichtig. Ich sprang in meine Knöchelhohen Stiefel und schnappte mir meine beiden Jacken, da ich aufmerksam genug war, um zu bemerken, dass Claire draußen fror. Ich warf mir eine Jacke über und zog dann die Tür auf, nur um sofort von einem eisigen Windstoß begrüßt zu werden, der eine Gänsehaut um meinen Körper wandern ließ. Ich schüttelte mich und trat dann raus, ließ die Tür hinter mir zufallen und hielt dann Ausschau nach Claire. Ich fand sie immer noch in der Einfahrt, mit ihren Armen um ihren dünnen Körper umschlungen, der in dem schwarzen Kleid nur noch zierlicher aussah, als er ohnehin schon war.
„Tja, Spargel frieren schneller!", meinte ich, als ich durch den Schnee zu ihr stapfte. Sie schnaubte sofort, weil sie nie der Meinung gewesen war, dass sie ein Spargel war. Im Gegenteil, laut ihr wog sie immer zu viel und egal, wie oft ich sie versuchte vom Gegenteil zu überzeugen, sie blieb stur. Wäre es nicht sie, hätte ich es schon längst aufgegeben, aber es war Claire und ich würde niemals müde werden alles daran zu setzen, damit es ihr gut ging.
„Hier!", meinte ich dann und faltete die Jacke auf. Sie schob ihre beiden Arme in die Ärmel, bevor ich sie über ihre Schultern warf. Mein Mantel sah zwar aus, wie ein Kleid und die Tatsache, dass sie auch darunter ein dickes Kleid trug, oder nannte man es noch Tunika?, sorgte dafür, dass das alles etwas albern aussah, aber das war mir egal und ich wusste auch, dass sie sich vor mir nicht schämte komisch auszusehen.
„Danke", wisperte sie, mit einem Lächeln, dass dafür sorgte, dass in ihrer linken Wange ein Grübchen auftauchte. Rechts nicht, denn sie hatte die komische DNA, dass sie nur links ein Grübchen hatte. Sie hatte es immer gehasst, ich hatte es immer geliebt.
„Hey übrigens!", wisperte sie und fiel mir dann um den Hals. Ich legte sofort meine Arme um ihren Körper und presste sie an mich.
„Hey", hauchte auch ich ihr ins Ohr.
„Aber lass uns jetzt bitte abhauen, ich hab meinen Eltern gesagt, dass ich kurz zur Akademie muss!", fügte ich hinzu und spürte, wie mein Atem an ihrem Ohr abprallte und wieder in mein Gesicht stieg.
„Okay", lachte sie: „Dann machen wir den Teenager Move, obwohl wir 35 sind!"
Sie löste sich von mir und nahm meine Hand, bevor sie mich von der Einfahrt herunter auf die kleine Dorfstraße zog, die völlig leer war, weil jeder vernünftige Mensch in einem polnischen Dort, für das Familie und Religion an erster Stelle stand, Zuhause hockte und das Weihnachtsfest zelebrierte. Claires und meine Hände blieben verbunden, wogegen ich natürlich nichts hatte.
„Warum bist du da?", wollte ich dann wissen. Sie sah zu mir und stolperte einen Schritt nach rechts, sodass unsere Schultern sich kurz berührten.
„Weil ich gehört habe, dass du da bist, wir uns lange nicht gesehen haben und ich Zeit mit dir verbringen wollte!"
„Und das konnte nicht bis morgen warten?"
„Nope!", stellte sie klar und ich wusste, dass keine bessere Antwort kommen würde. Das war einfach Claire. Nicht alles hatte einen tieferen Sinn oder eine vernünftige Erklärung. Da hatte sich seit dem Kindergarten, wo wir uns kennengelernt hatten, bis heute nichts geändert.
Wir spazierten die Straße entlang und schwangen unsere Hände hin und her, wie wir es in der Grundschule begonnen hatte. Es war irgendwo albern es mit 35 zu tun, aber um das alles zu erklären. Ich hatte, wenn ich mit Claire zusammen war, nie das Gefühl, als sei ich 35. Es fühlte sich immer so an, als seien wir noch immer die dummen Kinder, die wir in der zehnten, aber auch ersten Klasse gewesen waren. Als seien seither nicht mehr als fünfzehn Jahre vergangen. Und ich mochte dieses Gefühl, vor allem, weil ich in Dortmund die ganze Zeit der erfahrene war, dem jeder seine Sorgen anvertraute und der alles organisiert und geplant haben musste. Claire war ein schönes Gegenstück, wo ich völlig chaotisch und planlos sein konnte. In Dortmund gäbe es keine Chance, dass ich einfach durch die Straßen spazierte, ohne einem Ziel vor Augen, denn das wäre Zeitverschwendung. Aber mit Claire war das völlig in Ordnung.
„Links abbiegen bitte!", meinte sie dann und zog mich in den kurzen Waldabschnitt, der entlang der Dorfgrenze lag und unser Dorf von dem anderen trennte. Wir liefen den Pfad entlang, den wir nur allzu gut kannten, da wir hier immer durchmussten, als wir zur Schule wollten beziehungsweise sollten, denn zugegeben manchmal sind wir hier auch durch und dann nach links zur Busstation.
„Wusstest du, dass sie die Buslinie 7 aus dem Plan gestrichen haben?", erkundigte sich Claire und mir schien es wieder, als würde sie meine Gedanken lesen können, dass sie ausgerechnet jetzt auf den Bus zu sprechen kam.
Ich fing an zu lachen und löste meine Hand aus ihrer, nur um meinen Arm um ihre Schultern zu legen und sie näher an mich zu ziehen.
„Darlin', das haben sie schon vor einem Jahr, du bist einfach nie Zuhause und hast es nicht mitgekriegt!", hauchte ich ihr ins Ohr.
„Pff", brummte sie: „Kann halt nicht jeder so viel Geld wie du haben und jedes freie Wochenende frei haben. Für manche Menschen sind auch 200 Euro viel!"
„Mit welcher Fluglinie fliegst du bitte, dass ein Flug aus England nach Polen 200 Euro kostet?"
„Lufthanser!", erklärte sie mir, was ich mit einem Lachen kommentierte: „Ja, mit der würde ich auch nicht jedes Wochenende Heim können!"
Claire rollte mit ihren Augen, aber ich versprach mir innerlich sie noch einmal über Flugzeuge und Fluglinien aufzuklären und, dass Lufthanser nicht die preisgünstigste war, aber das konnte warten.
Ich sah nach rechts, wo sie her ging und ihre Finger durch die Gersten fliegen ließ, von denen der Schnee herunterfiel, jeder mal wenn sie sie berührte.
„Uii, schau mal. Die Schaukel wurde erneuert!", meinte Claire dann und zeigte auf die dünne grüne Wiese gegenüber von den Gerstenfeldern. Ich sah den Zaun an Bäumen entlang, bis ich die Schaukel entdeckte, die von einem Ast herunterhing. Sofort löste Claire ihre Hand von den Feldern und schnitt mir den Weg an, um zur Schaukel zu gelangen.
Sie schlug den Schnee vom Holz und saß schon darauf, als ich bei ihr ankam.
„Du benimmst dich wie ein Kleinkind!", meinte ich, auch wenn ich das Bild von ihr auf der Schaukel ziemlich süß fand, vor allen Dingen die Tatsache, dass sie, obwohl sie erwachsen war, dennoch mit ihren Füßen nicht den Boden berühren konnte.
„Weil du so erwachsen bist, mit deinen roten Stiffeletten!", meinte se lachend und deutete auf meine Schuhe.
„Ey!", brummte ich sofort: „Das nennt man Mode!"
„Jaja, Babyboy!", lachte sie. Ich quittierte ihre Worte mit einem Augenrollen, bevor ich einen Strang der Schaukel in die Hand nahm und begann sie hin und her zu schwingen, mit dem Wissen, wie ätzend es war, wenn sie nur eine Seite bewegte."Ey, Ey, Luki!", kreischte sie, als ich die ganze Schaukel zu schütteln begann.
„Ey, nein, wie gehst du denn mit einer Lady um!", kreischte sie weiter, doch das Kreischen wurde immer mal wieder von einem Kichern unterbrochen. Ich fing auch an zu lachen, doch machte keine Anstalten aufzuhören, stattdessen begann ich die Schaukel einzudrehen und hörte erst auf, als die beiden Stränge aufs Höchste gespannt waren, sodass Claire sich schnell ausdrehte. Sie fing an zu schreien, zu Lachen und mich zwischenzeitglich sogar zu beleidigen, bis ich irgendwann wieder die beiden Stränge ergriff und sie zum Stehen brachte. Lachend beugte ich mich zu ihr runter.
„Du hast dich auch nicht besonders erwachsen angehört!", versicherte ich ihr dann. Sie ordnete sich noch ihre dunkelblonden Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht gefallen waren, bevor sie ihren Kopf hoch und mich ansah. Erst jetzt bemerkte ich, wie nah ich ihr eigentlich gekommen war, vor allen Dingen, als sich unsere Nasenspitzen kurz berührten. Ich wollte wegzucken, dann wiederum träumte ich seit ich klein war ihr so nahe zu sein.
Das Lächeln fiel von unser beider Lippen und stattdessen konnte ich nicht anders, als mich im grün ihrer Augen zu verlieren, dass durch hellere Sprenkel gekennzeichnet war, die mir aber auch schon vor Jahren aufgefallen waren.
Auf einmal spürte ich ihre Hand, die sich über meine legte, sie noch immer die Schaukel hielten. Sie löste meine Finger vom Strang, bevor sie meine Hand wieder in meine nahm. Sie stand auf und ich war enttäuscht, dass ich den Moment der Nähe wieder einmal nicht genutzt hatte. Ich war schon bereit für den Rest des Abends Trübsal zu blasen, als ich Claire erblickte, die mich wieder auf den Weg führte und gerade direkt unter dem Mond stand und aussah wie ein Engel. Wie ihr Blond im Licht schimmerte, ihr mein großer Mantel von den Schultern hing. Sie war perfekt. In ihrer ganzen Erscheinung vollkommen.
„Was starrst du so?", fragte sie dann lachend. Ich wollte mir schon die richtigen Worte zusammenlegen, als mir Bewusst wurde, dass Worte hier völlig Fehl am Platz waren. Ich schmiss alle Bruchteile von Sätzen über Board und setzte mich stattdessen in Bewegung zu ihr. Ich merkte ihren etwas eingeschüchterten Blick, doch sie musste kurz damit klarkommen.
Ich legte meine Hand an ihre Wange und schob damit ihre Haarsträhnen zurück, bevor ich mich dicht vor sie stellte, mich zu ihr herunterbeugte und schließlich meine Lippen auf ihren platzierte. Ich merkte, wie überrumpelt sie von der ganzen Aktion war und rechnete schon damit gleich zurückgewiesen zu werden, als ich dann ihre Hand merkte, die sich auf meine Brust legte, diese hochrutschte und schließlich ebenfalls ihren Weg auf meine Wange fand. Anschließend spürte ich, wie sie erst den Druck erwiderte und dann ihre Lippen öffnete, um es nicht bei einer bloßen Berührung zu lassen. Meine beiden Arme wanderten um ihre Taille und ich zog sie noch dichter an mich heran. Ich konnte ein kleines Lächeln im Kuss erkennen, was mich ebenfalls kurz lachen ließ. Ich wusste nicht, wie lange wir hier so standen, aber ich wollte die gerade nicht mehr loslassen, dafür waren ihre Lippen zu interessant und ihre Finger in meinen Haaren zu angenehm.
Als wir uns schließlich doch von uns lösten, war es mehr aus Atemnot, als aus freien Stücken. Ein zartes Lächeln zierte ihre Lippen. Ich lehnte meine Stirn gegen ihre und beobachtete das Lächeln, welches immer breiter wurde.
„Das hätte Teenager Luki nicht getan!", wisperte ich dann. Sie schüttelte kaum merkbar ihren Kopf.
„Hätte er nicht!", stimmte sie mir zu: „Aber ich bin dankbar, dass du erwachsen geworden bist!"
Ich küsste sie auf die Stirn, bevor ich sie an meine Brust presste und meine Hand in ihren Haaren verlor.———
So extra zum Nikolaus ein längerer Os mit Baby Lu haha
Ich hoffe er gefällt euch ❤️
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Sport Adventskalender Oneshots 2020 • [boyxgirl]
FanficDer diesjährige boyxgirl Sport Adventskalender von mir. Ich hoffe er gefällt euch ☺️ (Formel 1, Fußball)