Kapitel 17

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Viel zu früh für einen Samstag, selbst wenn es eigentlich jede Woche so ist, stehe ich schon in der Küche und bin dabei mir gerade Kaffee zu machen. Meine Eltern scheinen schließlich noch zu schlafen und ich brauche das jetzt einfach, viel zu müde bin ich von dieser ganzen Woche.

Jeden Abend habe ich mit Angel telefoniert und selbst wenn wir gesagt haben das wir früher Schluss machen hatte ich vor der Schule nie mehr als drei bis vier Stunden Schlaf. Was man mir vermutlich auch sehr deutlich ansieht, als ich vorher in den Spiegel geschaut habe, hatte ich eher das Gefühl eine Leiche zu sein und um ehrlich zu sein fühle ich mich auch ein bisschen so.

Trotzdem, nicht mit Angel zu telefonieren möchte ich auch nicht, wozu gibt es schließlich Koffein und Make-up wenn nicht für fast durchgemachte Nächte.

Immerhin sind bald Weihnachtsfeiern, dann kann ich den Schlaf hoffentlich aufholen. Vor allem wenn ich dann hoffentlich fast komplett und am wichtigsten über die Feiertage zu Jonas kann.

Ich will nicht wie jedes Jahr auf heile Familie machen, zwar ist es schon im Alltag viel zu viel, doch die Ausmaße die es über Weihnachten annimmt machen mich einfach komplett fertig. Ich hasse es hier schließlich nicht nur aus Lust und Laune heraus, wie es scheint bin ich leider nur die einzige die es nicht schafft das alles zu verdrängen und mich zu verhalten als sei nichts. Dafür ist schon viel zu viel passiert, ich habe Glück das ich überhaupt noch auf beiden Augen sehen kann.

Weihnachten ist nach dem Vorfall vor fünf Jahren einfach nur noch schrecklich geworden, einzig und alleine Elisa freut sich noch wirklich auf das Fest, immerhin hat sie damals nichtmal mitbekommen das ich im Krankenhaus war. Ich weiß natürlich das sie dafür nichts kann, sie war viel zu jung um zu verstehen was vor sich gegangen und passiert ist, allerdings fällt es mir schwer. Selbst ein sechsjähriges Kind bekommt doch mit das irgendwas komplett nicht stimmt und seine Schwester für mehrere Wochen verschwindet... vermutlich hat sie es einfach nicht verstanden und es ist sogar besser für sie auf diese Weise.

Gerade als natürlich über das kleine Monster nachdenke kommt sie natürlich in die Küche, warum steht sie eigentlich auch am Wochenende so früh auf, während ich noch auf meinen Kaffee warten muss.

„Guten Morgen" begrüßt sie mich freundlich lächelnd während ich mich kurz zu ihr drehe und sie dabei ebenfalls leicht anlächele, sie kann nichts dafür und irgendwo muss ich ja auch noch ein wenig freundlich sein. So sehr ich meine Familie hasse ist es eben meine Familie, wer weiß was mal noch passieren könnte. Ich habe ja schon erlebt wie schnell eine Familie wegen einer Erbschaft komplett auseinandergerissen wurde, auch wenn ich auf die meiner Eltern vermutlich freiwillig verzichten würde.

„Morgen" begrüße ich dir durch meine Gedanken, welche mich stetig runterziehen, weniger freundlich als beabsichtigt. Aber der gute Wille zählt, inzwischen sollte sie damit zurechtkommen können. Sie sieht sogar eher ein wenig positiv überrascht aus als ihr mein neutraler Ton auffällt, ohne meine Eltern in der Nähe zu wissen ist zumindest das schon um einiges einfacher.

„Magst du das Mädchen eigentlich sehr?" fragt Elisa schließlich aus dem nichts während ich verwirrt meine Stirn runzele, wen meint sie? Schließlich habe ich schon seit Jahren keine meiner Freundinnen mehr hergebracht.

„Welches Mädchen?" fragte ich deshalb ein wenig verwirrt aber auch neugierig wie sie jetzt darauf kommt nach.

„Na die mit der du jeden Abend redest, ich höre euch immer. Du bist dabei immer fröhlich" erklärt sie mir schwach lächelnd während ich leicht nicke, ich habe natürlich nicht daran gedacht das ihr Zimmer direkt neben meinem liegt und die Wände leider nicht unbedingt die dicksten sind.

„Achso, ja. Ich mag sie" antworte ich Elisa wahrheitsgemäß während ich mir den Kaffee, der endlich fertig ist, in eine Thermostasse einfülle und noch ein wenig Milch dazu gieße bevor ich nach dem Deckel greife um sie zuzuschrauben. Immerhin will ich nicht allzu lange hier bleiben, wer weiß schon wann meine Eltern aufwachen und ich möchte nicht heute morgen schon wieder einen Streit provozieren, der kommt morgen Abend noch früh genug.

„Magst du sie sehr? Bist du lesbisch?" fragt das kleine Mädchen auf ein Mal während ich damit vollkommen überrumpelt bin, wie kommt sie jetzt darauf? Und wo hat sie das bitte aufgeschnappt?

„Nein?" antworte ich kopfschüttelnd und muss mich erst wieder sammeln, das sie überhaupt auf sowas kommt... das ist doch einfach Schwachsinn. Nur weil ich gerne mit ihr telefoniere und schreibe muss das doch noch lange nicht heißen das ich auf Frauen stehe, schließlich habe ich doch eigentlich Jonas.

„Achso" antwortet meine Schwester nur unbeteiligt und mit unschuldigem Lächeln während ich noch immer vollkommen durcheinander bin, ich sollte vielleicht doch mal mehr schlafen. Leicht gestresst fahre ich mir durch die offenen, wenn auch nicht wirklich gut liegenden Haare und drehe dann endlich wirklich den Deckel auf meine Tasse.

„Machst du mir dann noch einen Kakao?" fragte Elisa mit einem Mal wieder vollkommen anders während ich dieses Mal gar nicht anders kann als nur kurz zu nicken und gleich darauf eine Tasse mit Milch und dem Pulver aus der Mikrowelle vor ihr auf den Tisch zu stellen.

„Ich bin weg..." murmele ich noch leise bevor ich in den Flur verschwinde, warum hat mich das jetzt nur so aus dem Konzept gebracht, noch nie zuvor war das überhaupt Thema bei mir. Weshalb auch? Das macht doch überhaupt keinen Sinn... oder so.

Leise seufze ich auf und bemerke erst als ich Töne aus dem Schlafzimmer meiner Eltern höre das ich noch immer mit dem Kaffee in der Hand im Flur stehe und dabei meine Schuhe anstarre. Schnell fange ich an mir meine Stiefel und meine Jacke anzuziehen bevor ich die kleine Wohnung so schnell wie möglich verlasse und mich erneut durch diese Kälte auf den Weg zur Wohnung meines Freundes mache.

Allerdings schaffe ich es dabei nicht an etwas anderes zu denken als an die Fragen welche meine Schwester mir gestellt hat.

Mag ich Angel? Bin ich lesbisch?

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