-𝕋𝕖𝕟-

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Ich glaube, dass Kinder über Dinge nachdenken, die man als Erwachsener nach und nach vergisst.

Damit will ich nicht sagen, dass Kinder intelligenter sind als Erwachsene, auch wenn das letztlich darauf hinausläuft.

Aber ist es nicht so? Kinder sind viel weitsichtiger, als Erwachsene, denken an Dinge, die für einen Erwachsenen nicht einmal infrage kommen.

"Hörst du mir eigentlich zu, Carter?", fragt Kathy. Wir sind in der Stadt in ihrem Lieblingscafé, dessen holzvertäfelte Wände nur bedingt von Fenstern unterbrochen werden, die dadurch spärliches Licht ins Ladeninnere lassen.

"Wenn du nicht von Quantenphysik redest, dann wahrscheinlich nicht." Sie hasst es, wenn ich so tue, als sei ich intelligenter als sie - auch wenn ich das bin -, weil sie sich dann dumm fühlt.

"Was habe ich gesagt? Du hast mir schließlich so gut zugehört."

"Du sagtest 'Carter, du kommst nächstes Wochenende mit mir ein Kleid für den Homecoming-Ball kaufen und du wirst Tristan ausführen, ob du willst oder nicht'. Berichtige mich, wenn was nicht stimmt, aber ich bin ziemlich sicher, dass alles richtig ist. Außerdem wollte ich hinzufügend sagen, dass Tristan und ich nicht miteinander ausgehen werden. Schließlich weiß er ja noch nicht einmal, dass ich auf Kerle stehe." Ich hole tief Luft und mir wird kurz schwarz vor Augen.

Wenn ich schnell und viel auf einmal rede, merke ich richtig, wie mein Gehirn an Gehirnzellen abnimmt, die nicht mehr beatmet werden können.

Aus diesem Grund vermeide ich auch, zu oft zu schnell zu sprechen.

Ich will meine werten Gehirnzellen schließlich behalten.

Es ist Sonntag; nachdem Mister Churchill gestern gegangen ist - er hat sich nicht von uns verabschiedet -, hatte ich ein Gespräch mit Victor, in dem es um den Respekt gegenüber Erwachsenen ging.

Na ja, eigentlich hat er die meiste Zeit geredet.

Er kam zu uns rein, während wir über Musik diskutierten, und holte mich zu sich ins Wohnzimmer.

Das Gespräch begann eigentlich verhältnismäßig normal. Er fragte mich, wie das Essen geschmeckt hat und wirkte zur Abwechslung sogar richtig interessiert an meinem Leben.

Aber das hielt natürlich nicht lange an, denn nach diesem kurzen Smalltalk kam der Hammer: Er fing an zu schreien, dass ich gefälligst nicht so respektlos gegenüber Autoritätspersonen sein soll.

Kathy hat sich in meinem Zimmer in der Zeit wahrscheinlich einen abgelacht.

Als Maryse dann rein kam und Victor gefragt hat, warum er denn so schreit, hat er wiederum sie angeschrien, warum sie mich nicht erzogen hat.

Dann hat es ihr gereicht und er durfte die Nacht auf der Couch verbringen.

Gerechte Strafe, wenn man mich fragt.

Zwar habe ich mir nichts anmerken lassen, aber Maryse meinte, dass mich niemand ungestraft verletzt. Sie hätte mir genauso gut 'Mein Baby' auf die Stirn schreiben können - auch wenn es eine Lüge wäre.

"Und wenn wir es ihm erzählen? Dass du schwul bist, mein' ich." Sie schlürft an dem Strohhalm ihres Eiskaffees, während sich vor meiner Nase ein simples Wasser befindet.

Ich habe nicht vor, lange hier zu bleiben, auch wenn kein reges Treiben herrscht. Schließlich hasse ich Cafés immer noch.

"Klar."

Sie sieht mich ungläubig an. "Ehrlich jetzt? Oder wolltest du mich einfach dazu auffordern, dir Vertretungsstunden in Sachen 'Sarkasmus' zu geben?" Kathy muss lachen, aber ich bleibe - wie immer eigentlich - ganz ernst.

Nobody | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt