-𝕆𝕟𝕖- ✔

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Eigentlich habe ich persönlich nie darüber nachgedacht, zu welcher Art von Leuten ich gehören würde, sofern ich jemals eine öffentliche Highschool besuchen sollte. Das Rollenbild ist wie ein Vordruck, aber man kann sich selbst schwer einschätzen, denke ich. Das mit dem Gruppenbilden hat bereits in der Middleschool angefangen, da bin ich irgendwo in der Menge untergegangen und jetzt erst wieder aufgetaucht, nachdem ich fast erstickt bin unter Hausaufgaben und Freiwilligenarbeit. Ich habe mir Mühe gegeben, die Personifikation der Unauffälligkeit zu sein, weil ich nicht gesehen werden wollte oder noch nicht bereit war, von der Welt gesehen zu werden.

Nachdem ich die Junior High hinter mir gelassen hatte und inzwischen zu den Seniors gehöre, kann ich sagen, dass es nicht schwer ist, sich einfach treiben zu lassen.
Wenn man einer der Normalos ist, so wie ich es eine lange Zeit war, wird man in Ruhe gelassen und hat keine Probleme, dafür aber immer genügend Freunde. Man bekommt Unterstützung, wo man welche braucht und man kann sogar Ansehen erlangen, wenn man eine gute Führung vorzuweisen hat. Die Anspielung auf ein Gefängnis hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass der graue Betonklotz, den man unsere Schule nennt, wie eines aussieht, sondern vielmehr mit der erschreckenden Information, dass das Klischee, das niemand leben will, welches aber trotzdem unseren Alltag bestimmt, uns in Ketten legt und uns ausbeutet.

Was genau die anderen Normalos jedoch dazu bewogen hat, mich aus ihrer Gruppe zu werfen, kann ich nicht sagen; zu viele Gründe hatten sie dafür. Zum einen bin ich hochintelligent, oder zumindest wird das behauptet, und könnte daher auch zu den Strebern gehören. Außerdem kann man sagen, dass meine Tante anhand ihres Kontostandes zur Elite dieser Kleinstadt gehören könnte, wenn sie es denn wollen würde, weshalb man mich als Beliebten identifizieren könnte, wenn ich der Einstufung in eine Adelsschicht nicht von Grund auf an vorbeugen würde. Ich bin nicht wirklich beliebt bei den Lehrern, vermeide es jedoch auch, andere Schüler wissentlich fertig zu machen – was die Bullies ebenfalls als Ausweichmöglichkeit ausschließt.

Eigentlich bin ich abgesehen von genannten Fakten ein ziemlich guter Normalo: Durchschnittlich groß, relativ sportlich, angetrieben von mittelmäßiger Motivation, die mich zumindest dazu bringt, fünf von sieben Tagen in der Woche das Schulgebäude zu betreten. Quasi Mister Average. Ich glaube, wenn ich jemals auffallen sollte, würden die Menschen um mich herum vor Überraschung an einem Herzinfarkt sterben.

Also warum gehöre ich jetzt zu den Außenseitern und nicht zu den Strebern oder den Beliebten? Oder irgendeiner anderen Gruppe? Vielleicht schließen die beiden erstgenannten Sachen sich laut gesellschaftlicher Norm gegenseitig aus. Wenn du schlau bist, darfst du nicht beliebt sein und wenn du beliebt bist, darfst du nicht schlau sein. Witzige Vorstellung irgendwie. Nicht mehr ganz so witzig jedoch, wenn man mit der Information vertraut ist, dass 'Gott' – oder wer auch immer – bei Verteilung an denk- und leistungsfähiger Gehirnmasse bei der Gruppe der Beliebten tatsächlich ziemlich geizig war.

Aber jetzt ernsthaft: Warum sollte man nicht beides sein können? Vielleicht weil gesellschaftliche Akzeptanz und die Werte, die heutzutage vermittelt werden, längst überholt zu sein scheinen. Die Frage sollte eher lauten, warum ich mich so sehr darüber aufrege. Natürlich ist es nicht schön, abzurutschen. Aber normalerweise mache ich mir nichts aus sozialen Stellungen. Meine ist nämlich sowieso nicht hoch durch meinen eindeutigen Mangel an ebensolchen Kontakten. Aber ich meine, ich hätte das Jurastudium schon mit acht absolvieren können, da kann man wohl erwarten, dass ich ohne große Probleme durch meine Highschool-Zeit komme, oder etwa nicht?

Vielleicht wissen sie ja wer ich bin und haben angefangen, hinter meine Maske zu schauen. Wer weiß das schon so genau? Inzwischen frage ich mich nur noch, wann ich angefangen habe, in anderen Menschen Feinde zu sehen. Sie sind doch keine verdammten Konkurrenten, sie sind meine Mitmenschen und -schüler. Diese Tatsache scheint jedoch im einen Ohr hereinzugehen und aus dem anderen wieder herauszukommen.

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