-𝕋𝕙𝕚𝕣𝕥𝕪-

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Zach und ich stehen noch eine Weile in meinem Zimmer, ohne auch nur ein einziges Wort zu verlieren.

Er atmet flach, als würde er die Ruhe nicht stören wollen, die sich um uns herum ausgebreitet hat wie Nebel. Irgendwie gesteuert folge ich seinem Beispiel, halte ihn aber fest, als er sich von mir lösen will.

Als er sich kurz zurückbeugt, um mich fragend anzusehen, schüttele ich lediglich den Kopf und schließe meine Augen.

"Kathy wird mich hassen", sagt er irgendwann und ich gebe ein grummelndes Geräusch von mir, die Augen immer noch geschlossen. Vielleicht will ich, dass er weiter spricht, aber sicher bin ich selbst nicht einmal.

"Wofür?", frage ich, als er nicht weiter redet, wie so viele Menschen es tun. Warum sollte man auch angefangene Sätze zu Ende bringen? Völlig sinnlos.

"Dass ich hier bin. Sie wird mich hassen und sie wird dich hassen." Ich öffne die Augen, ziehe meine Augenbrauen nach oben und er wirft seine Arme in die Luft – also nicht wörtlich, sondern gestikulativ. "Sie weiß nicht, dass ich schwul bin. Und du kennst sie ja, sie überdramatisiert alles immer. Wenn ich ihr jetzt – oder wenn ich eben nach Hause komme – davon erzähle, wird sie denken, zwischen uns würde sonst was laufen."

"Da hast du wahrscheinlich recht. Aber es wäre trotzdem gut, wenn du es ihr endlich sagst – nicht, dass ich das zu entscheiden hätte, ich habe meiner Tante immer noch nicht wirklich etwas davon erzählt –, da sie dir das sonst vorhalten könnte und ich weiß nicht, ob du das willst." Ich atme viel zu laut aus.

Es gibt in genau diesem Moment nichts, was ich lieber wissen würde, als meinen derzeitigen Blutdruck und die Pulsstärke. Ein Ruhepuls? Vielleicht, aber irgendwie scheint mein Herz schlagartig schneller zu pumpen, warum weiß ich selbst nicht.

"Aber wir wissen beide, dass zwischen uns nichts gelaufen ist und auch nicht laufen wird."

Es könnte genauso gut eine Feststellung gewesen sein, aber da ich selbst rhetorische Fragen hin und wieder beantworte, erwidere ich jetzt: "Ja, das tun wir."

Wir nicken uns zu und kurzerhand beschließen wir, dass ich Zach jetzt nach Hause fahre, da er am Morgen mit dem Bus und jetzt am Nachmittag mit mir gefahren ist.

Auf dem Weg die Treppe hinunter wird mir nochmal zu deutlich bewusst, dass Maryse nicht hier ist; dass sie ... nicht bei mir ist.

Tief atme ich ein und aus, darüber nachdenkend, ob ich jetzt wirklich noch fahren sollte, da es mir plötzlich an Konzentration ziemlich mangelt.

Schwarze Flecken säumen mein Sichtfeld, die wie Funken hin und her schweben. Ich versuche mich am Geländer festzuhalten, aber durch den Schwindel, der mich überraschend getroffen hat, schaffe ich es nicht, danach zu greifen, sodass ich das Gleichgewicht verliere und die Nase voran auf den Boden falle.

Zachs Reaktionszeit ist deutlich langsamer als meine, weshalb er es natürlich nicht schafft, mich vor dem Fall zu bewahren. Außerdem hätte ihn auch der Mangel an Kraft seinerseits und meine Gewichtskraft daran gehindert – Faktoren, die man niemals unterschätzen sollte.

So kommt es dann im Übrigen auch dazu, dass ich, immer noch ein wenig verwirrt über meinen plötzlichen Aussetzer, auf dem Holzboden im Flur sitze und suchend umher blicke. Wonach ich suche, kann ich nicht sagen, aber etwas fehlt.

Da Zach sich auf die Suche nach einem Kühlakku gemacht hat – ich habe ihm gesagt, wo welche zu finden sind, aber sein Orientierungssinn scheint ähnlich unausgebildet zu sein, wie seine Reaktionszeit –, bin ich mit meiner blutenden Nase allein.

Ich versuche aufzustehen, um mir ein Taschentuch zu holen, aber in dem Moment kommt Zach – mit Kühlakku – um die Ecke und hält mich auf.

"Du kannst jetzt nicht einfach aufstehen, Carter. Was brauchst du?", fragt er fürsorglich.

Nobody | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt