02 | VOLLBREMSUNG

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- MARIUS -

Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist es nach Hause zu kommen und Dunkelheit vorzufinden.

Es ist still und leer. Meine Mama ist noch arbeiten und wird erst in der Nacht nach Hause kommen.

Seufzend schalte ich das Licht im Flur an und werfe anschließend ein Blick auf mein Handy. Nora hat morgen keine Vorlesungen, sie wird also über Nacht bei Vincent bleiben, was heißt, dass er sie morgen früh oder erst am Abend nach Hause fahren wird.

Es wird wirklich Zeit, dass ihr Auto aus der Reparatur zurückkommt. Das hat sie davon, wenn sie es in eine Nobelwerkstatt geben muss und nicht mir überlässt, damit ich es bei meinem Onkel innerhalb kürzester Zeit reparieren kann.

Ich freue mich dennoch wirklich für sie, was die Sache mit Vince angeht, aber das Ganze hat trotzdem einen kleinen Beigeschmack.

Vielleicht ist das auch ein Zeichen. Nora ist immer für mich da gewesen, vor allem als meine Eltern sich getrennt haben, meine Schwester schließlich zu meinem Vater gezogen ist und als meine erste richtige Beziehung in die Brüche gegangen ist.

Sie ist schon eine ganze Weile das Zentrum meines Lebens, immerhin habe ich freien Zugang zu ihrem Zuhause, wofür ich ihr und ihren Eltern unglaublich dankbar bin und nun ist es komisch, wenn ich zu ihr gehe. Denn entweder könnte Vince da sein oder sie ist eben bei ihm.

Ich glaube es wäre nicht so cool, wenn ich wie ein drittes Rad an ihnen kleben würde.

Urplötzlich holt mich das große Gefühl von Einsamkeit ein. Müsste Maya morgen nicht wieder in die Schule und ich nicht arbeiten, wäre ich sicher noch länger geblieben, wobei es jetzt schon an ein Wunder grenzt, dass wir beide noch wohl auf sind.

Noras kleine Schwester ist eben immer da, auch wenn Nora selbst es nicht ist. Das ist ein bisschen merkwürdiger Gedankengang, denn sonst hat es mich auch nicht wirklich interessiert wo sie ist.

Müde trockne ich mir meine Haare, während ich auf mein Bett zu gehe und überlasse das Handtuch der Schwerkraft, als ich es einfach loslasse und es zu Boden segelt.

Schnaubend lasse ich mich auf mein ungemachtes Bett fallen. Eigentlich sollte ich mir etwas überziehen, aber es interessiert sowieso niemanden, ob ich etwas anhabe oder nicht. Immerhin ist niemand hier.

Ich starre in die Dunkelheit und kann die Küchenuhr bis in mein Zimmer hören.

Tick, tack. Tick, tack.

Es ist ein konstantes Geräusch und irgendwie mag ich das.

Konstanten sind toll, wie ein Freund, der immer für einen da ist oder Familie, die einen begrüßt, wenn man von der Arbeit nach Hause kommt. Nur fehlt mir letztendlich genau das.

Auch wenn es egoistisch klingt, aber mir missfällt der Gedanke Nora jetzt teilen zu müssen. Es ist toll gewesen sie einfach anrufen zu können und zu wissen, dass sie Zeit hat, wenn sie nicht gerade etwas mit Freundinnen unternimmt oder lernen muss.

Meine Kumpels bekomme ich auch nicht mehr wirklich zu Gesicht, sie arbeiten selbst bis abends, sind noch im Ausland oder bereits am Studieren.

Papa wohnt mit Fannie, kommt drauf an wie der Verkehr ist, eine halbe bis dreiviertel Stunde von hier weg.

Und Mama, Mama hat Schichtdienst. Es wechselt sich jede zweite Woche ab mit Spät- und Frühdienst. Eigentlich hat sie montags frei, aber aufgrund Arbeitskräftemangels kommt es nicht selten vor, dass sie, wie morgen, durcharbeitet. Sie sagt wir brauchen das Geld, obwohl ich finde, dass es uns ganz gut geht.

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