Ein Jahr. 365 Tage. Für viele viel zu kurz. Für mich zu lange. 12 Monate ist er nicht mehr bei uns. Papa, der eigentliche Sinn meines Lebens. Der, der mich immer zum lachen gebracht hat, egal wie es mir ging. Doch er war nicht mehr da. Von einem auf den anderen Tag, wie verschwunden. Nur eben aus der Welt der lebenden. Wäre Krebs nur ein Sternzeichen, würde ich jetzt mit ihm und Mama im Restaurant sitzen, um meinen Geburtstag zu feiern. Doch was mach ich stattdessen? Ich verbringe meinen Fünf-zehnten Geburtstag auf dem Friedhof und zupfe die wenigen Blumen zurecht, während Mama sich Zuhause die Birne vollsäuft. Sie ist in das Loch abgerutscht, vor welchem ich mich gerade noch so retten konnte. Denn ich hatte noch gewisse Personen, die mir Halt gegeben hatten. Mama hatte niemand. Aber sie wollte auch niemanden. Die Hilfe von Phil hat sie abgelehnt. Er erinnere sie zu sehr an Papa. Kein sonderlich origineller Grund, wenn man es genau nimmt. Für die Ablehnung der Therapie gab es keine Begründung. Jedenfalls nicht für mich. Ich hab einmal gefragt und dann nie wieder. Zurecht. So wie sie reagiert hatte.
"Ich hab dich lieb Papa", murmelte ich mit zitternder Stimme und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Er wird keinen meiner Geburtstage mehr erleben. Zumindest nicht hier auf der Erde. Mein Blick gleitete zum Himmel. Er wird von dort aus auf mich aufpassen. Daran glaube ich ganz fest. Seufzend stand ich auf und ging Richtung Ausgang. Der Gedanke, dass ich ihn nie wieder sehen werde, schmerzte jedes Mal aufs neue unglaublich stark.
Ungeduldig starrte ich die Tür an und wartete darauf, dass sie endlich geöffnet wurde, was wenig später auch geschah. "Hey kleine", begrüßte mich Phil und umarmte mich kurz. Wortlos erwiderte ich es und ging an ihm vorbei in seine Wohnung. Manchmal fühlte es sich wirklich so an, als würde ich bei ihm wohnen. Wobei das manchmal auch besser werde. Immerhin hat er keine lebende Alkoholleiche bei sich zu Hause. "Alles Gute, Freya", hinderte er mich am hinsetzen und schloss mich ein zweites Mal in seine Arme. Mit aller Mühe probierte ich die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, was aber nicht sonderlich gut klappte. Er erinnerte mich zu sehr an Papa. Kein Wunder. Sie sind Brüder gewesen und das sieht man direkt. "Danke", murmelte ich leise und ließ mich endlich auf das Sofa plumpsen. Mit einem schon fast neidischen Blick musterte ich sein Wohnzimmer. Würde es bei uns auch nur so ordentlich aussehen. "Wie geht's dir und deiner Mama?", fragte er nachdem er schnell in der Küche war und etwas zu trinken auf dem Tisch abgestellt hatte. Wortlos zuckte ich mit den Schultern. Diese Frage ist doch selbsterklärend. Und trotzdem stellt er sie jedes Mal. Vielleicht ist es nur die Hoffnung, endlich Mal wieder eine gute Nachricht von uns zu hören. "Sie trinkt wieder mehr", berichtete ich ihm flüsternd und starrte auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers. Es gab Mal eine Zeit, in der ihr Alkoholproblem wieder ganz in Ordnung war, doch vor ein paar Wochen ist es wieder schlimmer geworden. Meine Vermutung liegt bei Papas Todestag. "Soll ich Mal mit ihr reden?", bot Phil vorsichtig an. Er war gefühlt der einzige, den ich wirklich interessierte. Mama war ich doch vorne und hinten egal und für die Freunde, die ich hatte war ich auch nur in der Schule interessant. Dennoch schüttelte ich den Kopf. "Das bringt doch nichts", antwortete ich leise und ließ meine Finger umeinander kreisen. Vor allem bei ihm wird sie es am wenigsten interessieren. Seit Papa Tod ist vermied sie jeglichen Kontakt mit Verwandten oder Freunden von ihm. Manchmal hab ich sogar das Gefühl, dass sie das am liebsten auch mit mir machen würde. So wie sie sich manchmal mir gegenüber verhält, ist dieser Gedanke nämlich garnicht Mal so abwegig. "Hast du nochmal mit ihr über die Therapie geredet?", wollte er wissen und legte seinen Arm um mich. Erneut musste ich den Kopf schütteln. "Das letzte Mal hat sie ne halbe Woche nicht mit mir geredet, das will ich nicht nochmal riskieren", erinnerte ich ihn an das erste mal, als ich sie gefragt hatte. Seufzend nickte er. Eine Stille entstand. Wir beide wussten nicht mehr, worüber wir reden sollten. Es war aber keine komische Stille. Es war angenehm. Und immernoch besser, als daheim. Papa hätte das nicht gewollt. Er wollte immer, dass wir alle glücklich sind. Auch nach seinem Tod. Das war einer seiner letzten wünsche. Doch Mama hatte das anscheinend vergessen. "Ich vermisse ihn", murmelte ich leise. Mein Blick war auf das Bild gefallen, welches Phil auf seinem Regal stehen hat. Es war ein Bild von ihm und seinem Bruder. "Ich doch auch" , gab Phil zurück. Jeder andere Tag im Jahr war in Ordnung. Zwar war der Schmerz immer ein Teil in meinem Alltag, aber es ging. Bis auf heute. Und genauso wird es auch die nächsten Jahre sein. Mein Geburtstag hatte genauso an Wert verloren, wie der eigentliche Tag. "Kann ich heute hier schlafen?", erkundigte ich mich vorsichtig. Nachhause gehen wollte ich nicht wirklich.
Die Stimmung heute morgen, bevor ich das Haus verlassen hatte, war mir schon genug.
"Kannst du immer, das weißt du doch."
Dankbar blickte ich ihn an. Ich wüsste garnicht, was ich ohne ihn machen würde.
"Heute Abend wollten noch ein paar Kollegen kommen, wenn dir das nichts ausmacht", informierte er mich und stand auf. Hastig schüttelte ich den Kopf. Ich wollte bloß nicht, dass er seine Pläne nur wegen mir änderte. "Ich stör euch nicht", wank ich ab und fühlte mich irgendwie schon wieder so, als wäre ich eine Last für ihn. Etwas, was ich keines Falles wollte. "Tust du doch auch sonst nicht. Du kannst ruhig dabei bleiben." Das sagt er bestimmt nur so. Am liebsten würde ich direkt wieder gehen. Der einzige Grund, weshalb ich das nicht tat, war, weil ich nicht nachhause wollte. Alles lieber als das.-----------------------------------------------------------------------
Hello and welcome zu meiner vierten Geschichte hier auf Wattpad😌Es freut mich sehr, dass du hergefunden hast! Und ich würde mich auch freuen, wenn du bleiben würdest.
Man liest sich im nächsten Teil<3
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ASDS//Fear of the dark
FanfictionDie 15 Jährige Freya wohnt nach dem Tod ihres Vaters bei ihrer Mutter. Für beide ist der Verlust des Familienmitglieds nicht einfach. Während Freya Hilfe ihres Onkels hat, nimmt ihre Mutter keine Hilfe an. Und genau das wird beiden im Nachhinein zum...