Kapitel XIX ~Tuchfühlung~

4 0 0
                                    

„Hey Schlafmütze!" Tatsuya rüttelte unsanft an Soras Schulter um ihn endlich wachzubekommen. In ein paar Minuten würden sie an ihrem Hotel ankommen. Doch Sora grummelte nur irgendwas Unverständliches. Tatsuya seufzte genervt. Seit einer halben Stunde musste er schon als Kissenersatz herhalten und ihm tat langsam sein Schultergelenk weh. Energisch packte er seinen Freund und schob ihn zurück.
„Kann man denn nicht mal für fünf Minuten die Augen zu machen?", brummte Sora und schob die Kopfhörer an seinen Hals.
„Du hast die ganze Fahrt gepennt! Die Hälfte davon auf meiner Schulter, die jetzt ganz schön wehtut", motzte Tatsuya und sah beleidigt aus dem Fenster. „Wir sind übrigens gleich da."

Wenige Minuten später stand die ganze Klasse vor dem Riesigen Hotel. Es lag mitten in der Stadt, direkt neben einer riesigen Einkaufsmeile. Die Luft roch angenehm Salzig. Das Meer war fußläufig in knapp 20 Minuten erreichbar.

„Ich werde jetzt die Zimmeraufteilung durchgehen", rief ihr Klassenlehrer, schob sich wichtigtuerisch die Brille zurecht. „Und ich will kein jammern hören. An der Verteilung wird nicht gerüttelt und schon gar nicht diskutiert. Wenn ihr eure Sachen verstaut habt, treffen wir uns unten in der Halle wieder und gehen gemeinsam essen", sagte er mit einem strengen Ton und las unter kollektiven aufstöhnen die einzelnen Zimmerbelegungen vor. Er begann mit dem ersten Zimmer und übergab jedem Paar auch gleich die Schlüssel, damit sie sich schon in ihre Zimmer begaben um ihre Taschen los zu werden.
Unter vereinzelten Protesten, lichtete sich die Scharr der Schüler, bis Tatsuya und Sora aufgerufen wurden. Sie hatten tatsächlich Glück gehabt und zusammen ein Zimmer bekommen. Zufrieden, sich nicht mit jemand anderem das Zimmer teilen zu müssen, nahm Sora dem Lehrer die Schlüssel ab und begab sich zusammen mit Tatsuya auf die Suche nach Zimmer Nr. 367. Im dritten Stock den Flur ewig runter, fanden sie schließlich ihr Zimmer. Sora streifte die Chip Card durch den Scanner und die Tür entriegelte sich mit einem leisen 'klick'.

Das Zimmer war Hoteltypisch recht schlicht eingerichtet. Ein Schmaler Flur, an dessen linker Wand Haken für Jacken angebracht waren, führte in einen größeren Raum. An der rechten Wand standen zwei schmale Betten, daneben Nachttische, auf denen kleine Lampen im dezenten Braun drapiert waren. Direkt über den Betten erstreckte sich ein überdimensioniertes Bild, dass die kleinen Inseln in der Bucht bei schönstem Wetter zeigten. Auf der anderen Seite hing ein Fernseher an der Wand und darunter stand eine kleine Kommode. Sämtliche Möbel erstrahlten in Eiche rustikal und verliehen dem Raum so einen Hauch Gemütlichkeit. Die ganze Außenwand bestand aus großen Bodentiefen Fenstern und gab den Blick auf die Stadt preis. Lediglich hauchdünne Gardinen umspannten die Fenster und sorgten so für das Gefühl von Privatsphäre. Das Zimmer besaß sogar ein eigenes kleines Bad, mit einer Dusche, obwohl es im Hotel ein riesig großes Bad gab.

Tatsuya warf seine Tasche auf eines der Betten und ließ sich danebenfallen. Er schloss entspannt die Augen und seufzte Wohlig.
„Ach ich liebe den Geruch vom Meer", trällerte er und grinste zufrieden.
„Zu viel Salz, wenn du mich fragst", sagte Sora trocken und legte seine Tasche nun ebenfalls auf das übriggebliebene Bett.
„Du hast auch an allem was zu meckern heute", seufzte Tatsuya und erhob sich wieder. Er musterte Sora eingehend. Die Schatten unter Soras Augen waren ihm nicht entgangen. Die letzten zwei Wochen mussten wirklich anstrengend gewesen sein. Schule, Statistik und dazu immer mal wieder Trainingseinheiten. Es gab Tage da hatte er sich ernsthaft gefragt, wann Sora überhaupt schlief, aber auf seine Fragen hin bekam er immer nur blöde, nichtssagende Antworten.

Eine halbe Stunde später saß die ganze Klasse im Speisesaal des Hotels. Die meisten schienen sich, sehr zu Soras Freude, endlich etwas beruhigt zu haben. Das aufgeregte durcheinanderreden war zu einer normalen Gesprächsatmosphäre zurückgekehrt.
„Hört mal: Nach dem Essen, werden wir uns in kleine Gruppen aufteilen und ein paar der Schreine besuchen. Danach habt ihr bis zum Abendessen Freizeit und könnt auf eigene Faust die Gegend erkunden", kündigte Herr Yogata an. „Geht aber auf keinen Fall allein irgendwo hin! Ich möchte niemanden suchen müssen, ist das Klar?", sagte er scharf und sah dabei jeden einzelnen seiner Schüler durchdringend an, als hätten sie bereits etwas verbrochen. Stummes Nicken befreite die Schüler von dem Blick und wurden in Gruppen eingeteilt. Dabei hatten Sora und Tatsuya weniger Glück. Sora wurde mit der nervigen Klassensprecherin, die ihn mit einem bösen Blick förmlich zu erstechen versuchte, und drei Jungs, die er nicht wirklich kannte zusammengesteckt, während Tatsuya von drei Mädchen und einem etwas rundlicherem Jungen umgeben war.
Während die Mädchen begeistert um Tatsuya standen und ihm Löcher in den Bauch fragten, sah er sich hilfesuchend nach Sora um, doch der war schon von seiner Gruppe Richtung Ausgang getrieben worden.
Ergeben seufzte Tatsuya, versuchte sich an einem Lächeln und folgte den munter schnatternden Mädchen, dicht gefolgt von dem anderen Jungen.

Neue Flügel fliegen höherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt