Kapitel 1 - Der Tag danach

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Man, war das gestern eine Nacht. Ich spielte wieder mit meiner Band im Rage, so wie eigentlich jeden Samstag, nur mit dem Unterschied, dass Scarlett gestern ihren 30. Geburtstag feierte. Also wurde nach unserem Auftritt noch so richtig die Sau rausgelassen und der Alkohol floss in rauen Mengen. Und genauso fühlte sich jetzt auch mein Kopf an. Es war bereits Mittag, aber ich trank nur sehr selten Alkohol und wenn, dann schon einmal gar nicht in solchen Mengen. Ich konnte nur froh sein, dass unser Haus nur 15 Minuten zu Fuß entfernt lag.
Und selbst dieser Weg kam mir gestern wie eine halbe Ewigkeit vor.

Ich machte mich auf den Weg ins Bad, kramte mir aus dem Medizinschrank zwei Aspirin hervor und beäugte mein Spiegelbild, das mir mit tiefen Augenrändern müde entgegenblickte.
Oh man, das konnte so aber nicht bleiben. Also entschied ich mich erst einmal ausgiebig zu duschen. Das wirkte bei mir immer Wunder. Und so war es auch - frisch geduscht und umgezogen sah ich doch wieder ganz passabel aus.

Wie es den anderen wohl ging? Wenn ich daran dachte, was Scarlett gestern alles in sich hineingeschüttet hatte, wurde mir alleine bei dem Gedanken ganz anders. Aber sie war eh eine kleine Saufziege und 30 wird man nur einmal.

Ich ging zum Pool und da traf ich Scarlett auch schon, die sich im Bikini und mit Sonnenbrille auf einer der Liegen in der Sonne aalte.
„Hey Sweetheart, wie fühlt man sich so mit 30?", zwitscherte ich ihr gut gelaunt entgegen. Sarlett schaute in meine Richtung, schob die Sonnenbrille ein wenig nach unten und bedachte mich mit einem gespielt giftigen Blick. Damit brachte sie mich mal wieder sofort zum Lachen.
Scarlett und ich waren mittlerweile beste Freundinnen geworden, trotz dessen, dass wir zu Beginn mal was miteinander hatten. Wenn auch nur kurz. Wir stellten beide ziemlich schnell fest, dass wir uns auf einer ganz anderen Ebene viel zu gut verstanden, als dass wir miteinander in die Kiste hüpfen konnten. Dabei war sie schon verdammt sexy.
Nun legte sie ihre Sonnenbrille ganz zur Seite und schaute mich an.
„Was hast du heute noch vor?"
Ich runzelte die Stirn. Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.
„Weiß nicht. Ich denke, ich werde den Tag heute mal etwas ruhiger angehen lassen. Ich fühle mich, ehrlich gesagt, immer noch total erschlagen von gestern."
Scarlett lachte: „Hah, du Lusche!"
Nun lachten wir beide.
„Ich wollte später aber noch joggen gehen, kommst du mit?", fragte ich sie.
Scarlett grinste: „Wenn du meinst, dass du es mit mir aufnehmen kannst, klar!"
Ich grinste zurück, wandte mich dann von ihr ab, um wieder ins Haus zu gehen und mir ebenfalls einen Bikini anzuziehen.
Und wieder einmal hatte ich vergessen, dass man ihr lieber nicht den Rücken zudrehen sollte, da sie sich schon oft genug irgendeinen Spaß hatte einfallen lassen. Darum spürte ich auch wenige Augenblicke später Scarletts Arme, die sich fest um meine Taille legten, mich herum wirbelten, um mir dann letztendlich einen Stoß zu geben, der mich direkt in den Pool beförderte.
Völlig verdattert tauchte ich kurz darauf wieder auf und strich mir ein paar nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Scarlett, du bist so ein Miststück!"
„Ich weiß ... aber ich dachte, da stehst du drauf."
Na warte ... Ich schwamm an den Rand des Beckens und reichte Scarlett meine Hand.
„Na komm schon, hilf mir wenigstens raus. Das ist echt unangenehm, mit der engen Jeans."
Ich versuchte meinen Worten einen glaubwürdigen, verzweifelten Unterton zu verleihen. Meine beste Freundin ging darauf ein, nahm meine Hand und landete darauf selber in hohem Bogen im Pool.
Wir alberten noch eine ganze Zeit herum, dann wurde es in den Klamotten aber tatsächlich ungemütlich und wir kletterten zusammen aus dem feuchten Nass. Bevor ich reinging, um mich trockenzulegen und umzuziehen, drehte ich mich noch einmal zu Scarlett:
„Hast du heute eigentlich schon etwas gegessen? Ich wollte mir gleich schnell einen Putensalat machen. Wenn du magst, mache ich dir einen mit."
„Das ist eine grandiose Idee. Und danach joggen?"
„Klingt nach einem Plan!" Ich zwinkerte ihr zu und verschwand dann im Haus.

Das Essen hatte gut getan. Es gab Kraft fürs Joggen, machte aber nicht zu voll. Eine dreiviertel Stunde später legten Scarlett und ich eine kleine Pause von der Lauferei ein. Ich war gerade damit beschäftigt, gierig den Inhalt meiner Wasserflasche in mich hineinzuschütten, da die Rennerei nach dem gestrigen Abend doch anstrengender war, als ich es je zugegeben hätte, da sah mich Scarlett fragend, mit hochgezogener Augenbraue, an.
„Was war das eigentlich für ein Typ, mit dem du da gestern eine ganze Zeit vor dem Rage gesessen und eine nach der anderen gequalmt hast?"
Ja, ich rauchte, ganz zu Scarletts Unmut, denn das war etwas, was sie überhaupt nicht mochte. Auch, wenn ich nur ab und zu rauchte, eben immer dann, wenn mir mal danach war. Das konnte auch mal eine ganze Woche gar nicht sein.
„Ach, Rick", den Typen hatte ich schon fast vergessen, „der hat mich auf meine Fotografien angesprochen."
Im Rage hingen einige meiner besten Werke und waren dort ausgestellt.
„Er ist Assistenz der Geschäftsführung vom L.A. STYLE, du weißt doch, dieses angesagte Magazin, das einem die Leute hier, bei jeder neuen Ausgabe, förmlich aus den Händen reißen", führte ich meine Erklärung weiter aus, „und du wirst es nicht glauben, aber der war total begeistert von meinen Bildern und meinte, dass sie immer außergewöhnliche Talente suchen würden und er mich, wenn er das zu entscheiden hätte, sofort einstellen würde."
Ich strahlte Scarlett an, diese jedoch antwortete eher nüchtern:
„Schön und gut, aber was hast du davon? Was spricht denn dann dagegen?"
„Na ja, das letzte, bzw. einzige Wort dort hat wohl die Chefin und die ist nicht ganz so leicht zu überzeugen. Soll wohl eine ziemlich schwierige Person sein. Ich war aber zwischendurch kurz zu Hause und habe ihm eine Mappe mit meinem Portfolio geholt, die er seiner Vorgesetzten Montagmorgen vorlegen will. Er meinte, im besten Fall würde er sich Montag noch bei mir melden. Sollte ich an dem Tag nichts von ihm hören, sollte ich mir keine Hoffnungen mehr machen, denn dann hätte er seine Chefin wahrscheinlich nicht überzeugen können."
Nun strahlte Scarlett mich an: „Und so was erzählst du mir nicht sofort? Das ist das Magazin hier in L.A. und es wäre doch grandios, wenn du dort anfangen könntest, zumal du ja eh wieder etwas in der Richtung machen wolltest."
Überschwänglich fiel sie mir um den Hals und wirbelte mich herum.
„Du musst mir sofort Bescheid sagen, wenn er sich gemeldet hat."
„Ja, wenn er sich denn meldet. Schauen wir mal. Das wäre ja schon fast zu viel des Guten, wenn das nun auch noch klappen sollte. Und ich weiß wirklich nicht, ob meine Arbeiten so gut sind, dass sie auch dafür reichen."
Scarlett gab mir einen leichten Klaps auf den Hinterkopf.
„Ach, verkaufe dich nicht immer unter Wert. Deine Fotografien sind die besten, die ich je gesehen habe." Sie lächelte mich an und ich lächelte ein wenig verlegen zurück.
Mit Komplimenten konnte ich einfach nicht gut umgehen.

So langsam aber sicher machten wir uns wieder auf den Rückweg und genossen dabei einen wunderschönen Sonnenuntergang. Wir hatten uns so verquatscht, dass es mittlerweile schon recht spät geworden war.
Zuhause angekommen, stellte ich mit Begeisterung fest, dass sich unsere Nachbarinnen mit dem Rest der WG in unserem Garten versammelt hatten und eine kleine Session veranstalteten. Nachdem Scarlett und ich geduscht und uns umgezogen hatten, gesellten wir uns dazu und so wurde es noch ein entspannter Abend mit guter Musik und viel guter Laune.

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