Kapitel 7 - In der Schwebe

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Die kommenden Wochen waren alles andere, als leicht für mich.
Klar, ich erledigte meine Arbeit so zuverlässig, wie immer.
Aber innerlich war jeder Tag eine Qual für mich.
Zuhause flüchtete ich mich in meine Musik, an den Wochenenden fuhr ich nach jedem Gig sofort nach Hause.
Scarlett und die anderen sprachen mich aber nicht darauf an. Sie kannten mich. Wenn ich hätte reden wollen, hätte ich das getan. Sie wussten, wenn ich mein Herz wirklich an jemanden verloren hatte, dann half höchstens die Zeit und dass ich mein Ding durchzog, so wie es für mich am besten war.
Ich begegnete Allison immer mal wieder auf der Arbeit, sprach sie aber nicht mehr an.
Sie vermied auch jeden persönlichen Kontakt mit mir. Auch, wenn es ihr ebenfalls nicht gut ging, denn keine Schminke der Welt hätte gegen ihre Augenringe geholfen, die sie seit diesem Samstag hatte. Es gab einige Momente, in denen ich spürte, dass sie mich, wenn ich ihr den Rücken zugedreht hatte, beobachtete. Ich konnte sie immer spüren, auch wenn ich sie nicht sah. Wenn ich mich dann mal zu ihr umdrehte, schaute sie aber immer direkt weg.

An einem Dienstag stand ich gerade mit Clarice, einer Redaktionsassistentin, in einer Schlange in der Kantine an, weil wir uns einen Kaffee holen wollten. Ein paar Meter die Straße rauf gab es zwar einen Starbucks, aber der Kaffee dort war total überteuert und schmeckte nicht halb so gut, wie der in unserer Kantine. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum Allison auf einmal, in Begleitung von Emma, hinter uns in der Schlange stand. Wenn sie alleine gewesen wäre, hätte sie sich bestimmt niemals direkt hinter mir angestellt.
Clarice schüttete mir gerade ihr Herz aus, weil sie Liebeskummer wegen eines Typen hatte, bei dem sie aber irgendwie nicht landen konnte. Das war die Gelegenheit, ihr etwas dazu zu sagen, was aber eigentlich an Allison adressiert war. Ich sprach darum bewusst ein wenig lauter, damit sie es auf jeden Fall mitbekam.
„Ach, weißt du, Clarice, manche Menschen wissen es einfach nicht zu schätzen, wenn man einfach nur reinen Herzens ihr wahres Ich kennenlernen möchte, wenn man hinter die Fassade blicken möchte, die sie sich aufgebaut haben, weil man dahinter etwas wunderbares entdeckt hat und alles dafür tun würde, diesen Menschen glücklich zu machen. Stattdessen verschließen sie sich einem, leben weiter ihr eigentlich unglückliches Leben, wo das Glück doch zum Greifen nahe gewesen wäre."
Ich konnte Allisons Gesicht nicht sehen, dafür hätte ich mich umdrehen müssen.
Aber ich wusste, dass sie schlau genug war zu verstehen, dass ich sie damit meinte.
Emmas Worte zeigten mir nun auch, dass sich Allison wirklich auf das konzentriert haben musste, was ich gesagt hatte und gar nicht mitbekam, dass Emma mit ihr geredet hatte.
„Allison? Hallo ... hast du mir überhaupt zugehört?"
„Was? Ich ... was war?"
Ich schmunzelte ein wenig. Na also. Dann waren Clarice und ich aber auch schon dran, warteten kurz, bis wir unseren Kaffee entgegennehmen konnten und gingen dann nach draußen, um diesen bei einer Zigarette genießen zu können. Ich hätte schwören können, beim Rausgehen, Allisons Blick auf mir gespürt zu haben.

Diesen Freitag sollte ein Sommerfest stattfinden, das wohl jedes Jahr von Allison ausgerichtet wurde. Keine Ahnung, warum sie so was tat.
Sie hatte ja sonst auch nichts für ihre Mitarbeiter übrig.
Aber anscheinend war das immer das Ereignis des Jahres.
Alle schienen sich darauf zu freuen. Hinter der Kantine gab es einen riesigen Außenbereich, den Rick mir bei der Führung an meinem ersten Tag gar nicht gezeigt hatte. Er war direkt durch die Kantine zu erreichen.
Heute war schon Donnerstag und die Vorbereitungen in vollem Gange. Ich war neugierig und wollte mir diesen Bereich genauer ansehen.
Dort gab es, ebenso wie auch vor dem Gebäude, einen verspielten Springbrunnen, eine große Rasenfläche, über die sich gefühlt hunderte Lichter von Lichterketten spannten, viele gemütliche Sitzgelegenheiten, eine große Grillstation, diverse Getränkestände und einen Bereich, der meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zog.
Es gab dort auch eine asphaltierte, leicht erhobene Fläche, auf der bereits Kabel verlegt wurden. Anscheinend sollte es eine Art Bühne darstellen. Zumindest wurde dafür gesorgt, dass alle
Anschlüsse für die Instrumente sorgsam verlegt wurden. Ein Stück daneben gab es noch einen überdachten Bereich, unter dem ein wunderschöner schwarzer Flügel stand. Was für ein wunderbares Instrument.
Ganz vorsichtig klappte ich die Abdeckung der Tastatur hoch und ließ meine Finger sanft über die Tasten gleiten. Der Klang war unbeschreiblich. Damit konnte kein Klavier oder Keyboard mithalten. Am Flügel waren bereits zwei kleine Mikros installiert und es stand auch ein Mikrofon daneben, das man bei Bedarf so ausrichten konnte, dass man, während des Spielens, auch
singen konnte. Ich hätte gerne gewusst, wer darauf Freitag spielen würde.
Aber das würde ich wohl nicht mitbekommen, da ich keine große Lust hatte, an dem Sommerfest teilzunehmen.
Ich fragte mich auch, ob Allison überhaupt da war. Immerhin müsste sie sich dann ja mit dem niederen Volk der ihr untergebenen abgeben.
Andererseits fragte ich mich aber, ob es so klug von mir wäre, dem Sommerfest fern zu bleiben. Ich war die Neue und wenn ich mich direkt bei meinem ersten Sommerfest nicht sehenlassen würde, wusste ich nicht, wie das bei den anderen ankommen würde. Ich verstand mich zwar mit allen, außer Allison, sehr gut, aber das konnte sich auch jederzeit ändern. Ich wusste, wie Menschen sein konnten.
Plötzlich fiel mir die Lösung dieses Problems ein. Rick sagte doch, dass wir gerne auch eine Begleitperson mitbringen dürfen. Ich hatte in der letzten Zeit viel zu wenig mit Scarlett gemacht. Ich hoffte, dass sie mir deswegen nicht böse war und sie mir keinen Korb geben würde, wenn ich sie heute Abend fragen würde, ob sie mich begleiten will.

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