29 - Coming Home

136 8 12
                                    

"Um es richtig zu machen,
so halte mich dieses Mal fest."
(Anki - Coming Home)

_________________________

--- Epiolog ---

Ich lag in meinem Bett und starrte auf meinen großen Koffer, der noch immer verschlossen neben meinem Schrank stand.
Auch wenn ich seit mittlerweile knapp zwölf Stunden wieder zuhause war, hatte ich noch nicht die Motivation gefunden ihn auszuräumen. In diesem Koffer steckten so viele Erinnerungen und ich hatte Angst, sie würden wegfliegen, wenn ich den Koffer öffnete.

Das einzige was ich herausgenommen hatte, war der Pulli von Robin, den er mir mitgegeben hatte. Ich hatte ihn drübergezogen und mich in mein Bett gesetzt. Danach hatte ich mich keinen Millimeter bewegt und mein Blick war sturr auf den Koffer gerichtet.

Sonst war ich meistens froh gewesen, wieder zuhause zu sein, aber dieses Mal war es anders. War das Fernweh? Oder vermisste ich einfach unsere Gruppe?
Meine Gedanken schweiften wild durch die Gegend und das war in den letzten Stunden nicht besser geworden. Ich war beinahe in einen Post-Urlaubs-Blues gerutscht.

Ich vermisste Robin jetzt schon. Vor einem Tag saßen wir noch zusammen im Restaurant in Neapel und hatten geredet und gelacht. Wir waren glücklich und ich hätte alles dafür gegeben, um wieder genau dort zu sein. Ich hatte dieses Mal nicht das Gefühl, dass ich nachhause gekommen war, denn irgendetwas fehlte.

Eigentlich könnte ich gerade weinen, so wie gestern, nachdem die Jungs uns zum Hotel gebracht hatten und wir uns verabschiedet hatten.
Während wir uns verabschiedeten konnte ich die Tränen noch zurückhalten, ich wollte nicht vor allen weinen und eigentlich wollte ich überhaupt nicht weinen.
Wir waren dann aber hoch ins Zimmer gegangen und ich hatte fast direkt angefangen loszuheulen, sobald wir im Zimmer waren. Ich konnte es einfach nicht aufhalten.

Ennie und Finja waren auch beide stiller gewesen als sonst. Besonders Finja. Ennie hatte immerhin ordentlich Gründe, sich zu freuen wieder nachhause zukommen, denn immerhin wartete hier ihr Freund.
Auch wenn wir uns die Tage vorher abends verabschiedet hatten und uns für knapp einen Tag nicht sehen konnten, war diese Situation irgendwie anders gewesen.
Natürlich war sie das, denn es war offen, wann wir uns das nächste Mal sehen würde.

Heute Morgen, als wir aufstanden, hatte es in Neapel geregnet. Fast so als hätte sich das Wetter der Stimmung angepasst. Fast die gesamte Zeit, war das Wetter hervorragend gewesen und genau an dem Tag an dem wir fliegen mussten, hatte es wie aus Gießkannen geregnet.
Der Flug verlief normal, aber wir waren deutlich schlechter gelaunt. Auf dem Hinflug hatten wir uns so gefreut und waren gut drauf gewesen, aber heute war das anders gewesen.

Und auch zurück zuhause hatte es geregnet.
Einerseits hatte ich mich gefreut, meine Eltern wieder in den Arm nehmen zu können, aber insgeheim hatte ich mir gewünscht, es wäre Robin, den ich gerade umarmte.

Während meine Gedanken durch den heutigen Tag schweiften, spielte ich mit dem kleinem Corno an meiner Kette herum, die mir Robin geschenkt hatte. Ich hatte sie heute Morgen direkt wieder angezogen und seitdem nicht wieder ausgezogen.

Ennie, Finja und ich hatten eigentlich gehofft, die Jungs würden vielleicht im gleichen Flieger sitzen, das wäre lustig geworden. Aber dem war natürlich nicht so, denn sie waren erst gegen Nachmittag geflogen.
Robin hatte mir vor drei Stunden geschrieben, dass ihr Flugzeug auch gut gelandet war.

Mit dem Gedanken übermorgen wieder zur Schule zu gehen, konnte ich mich noch überhaupt nicht anfreunden. Ich würde wahrscheinlich regelmäßig mit den Gedanken zu Robin abdriften, was für meine Noten ziemlich unpassend war. Aber ich hatte heute ja schon an eigentlich nichts anderes gedacht.
Alltag war mir jetzt irgendwie fremd. Ich würde lieber wieder durch Neapel laufen und würde sogar Stadtführungen bei 30 Grad dafür in Kauf nehmen.
Hätte mir das mal jemand vor zwei Wochen erzählt.

Meinen Eltern hatte ich noch nichts von Robin erzählt, aber das werde ich wohl demnächst tun, wenn er mal vorbeikommt.
Bei dem Gedanken, Robin wieder zu sehen, machte mein Herz einen Sprung. Dann könnte er hier neben mir liegen und ich könnte seinem Herz beim schlagen zu hören.
Ich war mir sicher meine Eltern würden ihn mögen. Wie könnten sie Robin nicht mögen?

Außerdem war ich schon gespannt, seine Eltern kennen zu lernen.
Dann schaffte ich es mich aufzuraffen und meinen Koffer auszupacken. Ein großer Teil ging direkt in die Wäschetonne und den kleinen Rest, den ich nicht angezogen hatte, räumte ich wieder ordentlich in meinen Schrank ein.
Überwiegend waren es Pullover, denn dafür war das Wetter einfach zu gut gewesen.

Außerdem hatte ich es mir nicht nehmen gelassen, eine Rose aus dem Rosenstrauß von Robin mitzunehmen. Ich hatte sie trocknen gelassen.
Also nahm ich sie mir und heftete sie mit einer kleinen Wäscheklammer an die Lichterkette, die über meinem Bett hing.
Ich schaute auf die Bilder, die ebenfalls an der Lichterkette hingen.
Ich musste sie definitiv aktualisieren.
Wir hatten so viele schöne Bilder in Neapel gemacht, die würden dort sicherlich einen Platz finden.

Ich legte mich wieder in mein Bett und streifte durch meine Galerie, um mir Bilder heraus zu suchen, die ich Montag ausdrucken wollte.
Ich nahm das Foto von mir, welches ich schon auf Instagram gepostet hatte, mit dem Robin mich gefunden hatte. Dieses Foto war jetzt immer etwas Besonderes.
Außerdem wählte ich noch eine Handvoll Fotos von Ennie, Finja und mir raus und Fotos die wir mit der Gruppe gemacht hatten oder Bilder vom Sonnenuntergang, davon hatte ich einige.
Natürlich durften auch Fotos von mir und Robin nicht fehlen und ich war glücklich, dass wir ein paar schöne gemacht hatten.

Während ich durch die Galerie meines Handys scrollte schwelgte ich weiterhin in Erinnerung, an die vergangenen zehn Tage.
So hatten wir lustigerweise auch unsere Whatsappgruppe benannt, weil wir einfach zu unkreativ waren. "dieci giorni", natürlich auf Italienisch, wir waren immerhin in Italien und so hatte Ennie es begründet, als sie die Gruppe von deutsch auf Italienisch unbenannt hatte.
Aber immerhin passte der Name, denn diese letzten zehn Tage hatten uns alle geprägt und wir konnten wundervolle neue Freundschaften schließen, die bestenfalls ein Leben lang hielten.
Und das galt hoffentlich nicht nur für unsere Freundschaften, sondern auch für Robins und meine Beziehung.

Auch wenn es komisch klang, sowas nach zehn Tagen zu sagen, aber ich wollte, dass er für immer an meiner Seite blieb.
Und wer weiß, was in zehn oder zwanzig, oder dreißig Tagen sein würde, wenn wir uns schon nach zehn Tagen so verstanden und eine gewisse Verbundenheit aufgebaut hatten.

Daher fingen wir auch heute schon an erste Pläne zu machen, wann wir uns treffen wollten.
So wie es zu diesem Zeitpunkt aussah, war geplant, dass wir nach den Herbstferien jeden Freitag bei jemanden anderen von uns übernachten.
Immer abwechselnd, so dass immer mal wer anders fahren muss.
Glücklicherweise waren Ennie und Robin schon achtzehn, dass immer irgendwer Taxi spielen konnte und nach und nach würden auch andere von uns noch volljährig werden.
Die Idee kam von uns Mädchen, da hatten wir im Flugzeug drüber geredet und Ennie hatte sie direkt vorgeschlagen, sobald wir gelandet waren.
Die Jungs waren alle einverstanden.
Mit Robin hatte ich dann überlegt, dass wir jeweils von Samstag auf Sonntag beieinander übernachten könnten, wenn unsere Eltern da nicht gegen hatten.

Außerdem mussten wir unseren Eltern noch von der Abifahrtidee erzählen, aber wir hatten uns darauf geeinigt, das erst zu machen, wenn alle Eltern jeden kannten, damit sich keiner querstellte.
Und Last-Minute kostete es vielleicht sogar weniger.

Was auch immer im nächsten Jahr passieren würde, ich war gespannt darauf und ich war mir sicher; es würde definitiv nicht langweilig werden.

dieci giorniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt