08 - Dont Be So Shy

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"Nimm einen Atemzug.
Leg dein Kopf nieder.
Schließ deine Augen.
Du liegst richtig."
(Imany - Dont Be So Shy)

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Schlussendlich waren die weiteren zwei Stunden, die wir auf dem Touristendampfer verbracht hatten, für unsere Gespräche zu kurz gewesen. Also hatten wir noch offen geblieben Gesprächsthemen auf später verschoben.

Als wir nachmittags gegen drei Uhr wieder im Hotel ankamen, setzte ich meinen kleinen Rucksack ab und zog meine Jacke aus. Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche, legte es auf mein Bett und ging ins Badezimmer.
Im nächsten Moment klingelte ein Handy.

„Svenja, du wirst angerufen!“
Ich hatte bereits am Klingelton herausgehört, dass es wahrscheinlich mein Handy war.

"Ja geh dran. Ist wahrscheinlich meine Mutter, die wollte mich heute mal anrufen."
Ich rief vom Badezimmer Finja zu und erlaubte ihr an mein Handy zu gehen und den Anruf anzunehmen.

„Hallo, was verschafft uns die Ehre?“
Ich hörte Ennies Stimme, also schien sie und nicht Finja an mein Telefon gegangen zu sein. Letztendlich machte das aber auch keinen Unterschied. Sowohl Ennie als auch Finja kannten meine Mutter ja sehr gut und verstanden sich mit ihr dementsprechend.

Ich wusch mir noch kurz meine Hände und verließ dann das Badezimmer. Ennie saß auf ihrem Bett und unterhielt sich angeregt mit meiner Mutter. Zumindest dachte ich das.

Als Ennie mich sah, gab sie mir mein Handy.
„Hier, für dich!“

Als ich das Telefon annahm sah ich jedoch, dass der Anrufer gar nicht meine Mutter war. Auf dem Display stand Robins Name.
Ich lächelte.

„Naaa, ich hoffe ich störe nicht.“
Es war Robins Stimme die ich am anderen Ende der Leitung hörte.
„Nein, tust du nicht. Warum hast du denn angerufen?“

„Ich wollte deine Stimme hören.“
Bei diesem Satz kribbelte es in meiner Magengegend.
Ohne eine Antwort von mir fuhr er fort.
„Was hast du heute gemacht?“

Ich dachte an die Schifffahrt.
„Wir sind mit einem Touristendampfer durch den Golf von Neapel getuckert und ihr?“

„Bustour durch die Umgebung hier. Sehr spannend.“
Ich verstand die Ironie in seinem zweiten Satz und musste ein wenig lachen.

„Oh, ich muss auflegen, unser Lehrer steht an der Tür. Ennie hat gesagt ihr kommt heute Abend, ich freu mich auf dich. Bis später.“
Dann legte er auf.

„Du hast was?“
Ich schaute Ennie perplex an.
„Robin hat gefragt ob wir mit in so eine Gamelounge wollen. Da können wir Billard, Tischkicker, Dart und so spielen. Er hatte mich gefragt ob wir mitkommen. Ich habe zugesagt.“

„Und wenn es für mich nicht in Ordnung ist?“
Ich protestierte. Natürlich wusste sie, dass wir nichts dagegen hätten, fragen wäre trotzdem nett gewesen.

„Wenn du mir sagst, dass du dich nicht freust Robin zu sehen bin ich der Kaiser von China und Finja hatte ich gefragt.“
Finja nickte.

„Ist ja gut.“
Ich sah ein, dass ich wahrscheinlich genauso gehandelt hätte, wenn die Situation andersherum gewesen wäre.

„Vielleicht springt ja was Zeit für dich und Robin alleine raus und einer von euch beiden, ist mal nicht schüchtern und traut es sich endlich mal über seinen Schatten zu springen.“
Ich antwortete Ennie nicht, sie kannte meine Antwort.

Nachdem wir auf dem Schiff über meine Gefühle bezüglich Robin besprochen hatten, wollten mir sowohl Ennie als auch Finja versichern, dass ich gar nicht so schüchtern seien bräuchte. Sie seien der felsenfesten Überzeugung, dass Robin auch was für mich empfindet. Außerdem meinten sie, dass sie mich gar nicht so schüchtern kennen würden.
Woran auch immer sie das erkennen wollen, aber ich glaubte den beiden, denn von uns dreien war ich die einzige, die noch nie einen Freund hatte.
Während Ennie ja mit Aaron, ihrem ersten Freund, seit mittlerweile fast zwei Jahren zusammen ist, hatte Finja schon die eine oder andere Beziehung. Jedoch sind die meisten von diesen relativ schnell gescheitert.

Ich hoffte innerlich, dass Robin für mich was ähnliches empfand wie ich für ihn.
Vielleicht sollte ich wirklich einfach über meinen Schatten springen.

-

Der Nachmittag verging relativ schnell. Ich hatte meinen Eltern weitere Fotos von hier geschickt und erzählt was wir gemacht hatten. Zusätzlich hatten wir kurz telefoniert.
Robin hatte ich jedoch mit keinem Wort erwähnt.

Der Treffpunkt mit den Jungen war um sieben Uhr angesetzt. Die Lounge lag jedoch ein bisschen weiter außerhalb, so dass wir deutlich früher zur Straßenbahn mussten.
Mein Outfit von heute Vormittag hatte ich angelassen, ich hatte mir nur etwas Mascara und meinen gefärbten Labello aufgetragen.

Gegen Viertel nach sechs waren wir alle fertig und wanderten los zur Haltestelle.
Auch wenn wir ein Stückchen mit der Bahn fahren mussten, hatten wir das Glück, dass unsere Bahn durchfuhr und wir nicht irgendwo umsteigen mussten.
Die Jungs würden paar Haltestellen später bei uns zusteigen.

Kurz bevor wir an der besagten Haltestelle anhielten, an der die Jungen zusteigen würden, wendete Ennie sich zu mir.
„Denk dran, sei nicht so schüchtern.“

„Ich gebe mein bestes.“
Ich antwortete vorsichtig und war mir etwas unsicher, wie weit das klappen würde.

Als die Jungs einstiegen begrüßten wir uns alle gegenseitig mit einer Umarmung. Die Umarmung von Robin war jedoch anders als die der anderen. Wir waren uns näher und umarmten uns auch länger, aber ich genoss diese Nähe.
Als wir uns ganz nah waren atmete ich tief ein und zog seinen Duft ein, woraufhin ich dann lächelte.
Für eine normale freundschaftliche Umarmung verharrten wir wahrscheinlich ein kleines bisschen zu lange in dieser.

Robin setzte sich danach neben mich.
Wir hatten uns in der Bahn acht Plätze gesucht die sich jeweils gegenüber lagen. Auf jeder Seite also vier.
Ennie saß links neben mir und Robin rechts.
Mir gegenüber saß Finja und neben ihr Jonas beziehungsweise Chris und Tobias.

Wir fingen an uns auf der weiteren Fahrt zu unterhalten und Robin und Jonas hatten uns überzeugt, dass wir zuerst alle zusammen Dart spielen müssten.
Obwohl wir im Keller eine Dartscheibe hängen hatten, war es Ewigkeiten her, dass ich Dart gespielt hatte, aber ich wendete nichts dagegen ein.

Irgendwann stupste mich Ennie an und flüsterte etwas leise zu mir rüber.
„Denk dran was ich dir gesagt hatte.“
Als gäbe es nichts Einfacheres auf dieser Welt.

Trotzdem bemühte ich mich ihm anzunähern und schaute zu ihm. Er schaute nach vorne und ich sah ihn im Profil. Ich musste automatisch lächeln und mein Herz schlug ein bisschen schneller. Er war so unglaublich hübsch.

Robin hatte seine linke Hand neben dem Oberschenkel liegen, während ich meine auf meinem Oberschenkel hatte.
Langsam ließ ich meine Hand nach außen abrutschen, als meine Hand seine berührte machte er das, was ich eigentlich tun wollte.
Er griff sie und wir verschränkten unsere Finger. Ohne nur ein Wort miteinander zu wechseln, wusste er genau, was ich wollte. Ich dachte das erste Mal daran, das er vielleicht genauso über mich denkt, wie ich über ihn.

Ich hatte meinen Blick auf unsere Hände gesenkt.
Mein Herz pochte mir bis zum Hals und ich merkte wie seine Blicke auf mir ruhten.
Also schaute ich ihn auch an und als sich unsere Blicke trafen lächelte er mich an. Dann drehte sich dann aber schnell wieder zu den anderen und ich tat es ihm gleich. Wir versuchten uns möglichst unauffällig zu verhalten, unsere Hände lagen jedoch weiterhin ineinander.

Ich hoffte vielleicht, dass es keinem auffallen würde, aber nur wenig später sah ich wie Finja Jonas etwas ins Ohr flüsterte und mich dabei anschaute. Jonas nickte leicht.
Ich war mir sicher, dass ihr das aufgefallen war.

Als wir unsere Haltestelle erreicht hatten und wir uns hinstellten um auszusteigen, ließen Robin und ich unsere Hände los.
Auch wenn ich mich ihm so irgendwie näher und verbunden gefühlt hatte, war ich noch nicht wirklich bereit mit ihm Händchen haltend durch die Straßen zulaufen. Außerdem würde es den anderen spätestens dann auffallen, wenn es das bisher noch nicht war. Robin hatte glaube ich ähnlich gedacht wie ich.

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