Aus Sirays Sicht:
Wölfe? Hier waren Wölfe?! Ich schluckte schwer.
Hatte mich die Meute tatsächlich in die Hände bekommen und hier zurückgelassen, dass die Wölfe mich bei lebendigem Leibe auffressen würden?
Lange Zeit lag ich einfach da, starrte an die Decke und stellte mir die schlimmsten Szenarien vor, die mich erwarten würden, wenn die Wölfe auf einmal auftauchen und ich mich kaum bis gar nicht bewegen konnte.„Ich wäre ihnen ausgeliefert!", stellte ich verbittert fest was mich hoffen ließ, dass das Mädchen bald wiederkommen würde. Sie könnte wenigstens irgendetwas tun. Aber wenn ich es mir recht überlegte war sie wehrlos und das Einzige was sie machen konnte war wegzulaufen und mich hier zurückzulassen.
Ich seufzte, ich musste mir wohl eingestehen, dass ich so oder so sterben würde, ob das Mädchen nun hier war, oder nicht. Wenigstens hatte ich die Dinge gemacht, die ich wollte und mich nie von irgendjemandem unterdrücken lassen. Ja klar, ich war schon öfters vor jemandem geflüchtet, aber nur weil ich wusste, ich konnte es mit so vielen einfach nicht aufnehmen.An die Decke empor blickend, grinste ich, bei dem Gedanken daran, was ich als Kind alles angestellt hatte, und wie oft ich meine Mutter damit in Schwierigkeiten gebracht hatte.
"Es tut mir leid, Mutter. Ich wünschte, du könntest mich jetzt sehen. Nicht direkt jetzt, sondern all die Dinge, die ich Gutes getan habe. Ich bin mir sicher, du wärst stolz auf mich und würdest mich wieder deinen kleinen Ray nennen. Obwohl ich mir damit einigen Ärger eingebrockt habe. Es tut mir leid, dass ich so ein schwieriger und schlechter Sohn war. Doch du warst dagegen die wundervollste und beste Mutter die man haben konnte.", sagte ich in die Höhle hinein, während mir eine Träne die Wange hinunterlief und ich daraufhin unter Anstrengung meine Hand hob und versuchte sie wieder wegzuwischen.
Aber ich bereute nichts. Keinen einzigen Tag, den ich gelebt hatte, denn jeder davon war ein Teil von mir. Allerdings bin ich froh, dass ich noch ein so wundervolles echtes Lachen sehen durfte, wie das des Mädchens, bevor ich, wahrscheinlich bald, sterbe.
Da tat sich in mir die Frage auf, wer dieses Mädchen eigentlich war, wie kam sie dazu hier am Berg zu sein und warum half sie mir? Mir, einem total fremden Mann! Ich wollte verstehen, wieso sie das alles tat, für jemanden der ihr fremd war. So viele Fragen und so ein baldiges Ende meines Lebens.
Ich hörte in die Stille, starrte auf die Decke hinauf und dachte nach.Wenn ich eine einzige Frage an das Mädchen stellen dürfte, welche würde das dann sein?Was tust du hier am Berg? Oder... wie hast du mich gefunden?Warum hilfst du mir, einem Fremden? Warum...?Doch meine Frage würde keine dieser sein, meine Frage wäre einfacher, etwas ganz Normales und dennoch gut zu wissen.
"Wie heißt du?", flüsterte ich vor mich hin, wohl wissend, dass keiner antworten würde.Doch trotzdem zauberte mir diese einfache Frage ein Lächeln ins Gesicht.
Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Neugierig, ob das Mädchen schon zurück war, versuchte ich irgendwie hinter mich zu schauen. Doch die Schritte die näher kamen hörten sich nicht wie die eines Menschen an, sondern eher wie die eines Tieres.Nicht wissend was ich nun davon halten sollte, versuchte ich mich langsam aufzusetzen, was auch tatsächlich unter viel Anstrengung funktionierte.
Ich hievte meinen schweren trägen Körper gerade ein Stück Richtung Höhlenwand um meinen Rücken daran anlehnen zu können, als mein Blick automatisch in die Richtung schweifte wo irgendeine Gestalt im Schatten stand.
Hinten im dunklerem Bereich der Höhle stand ein großer grauer Wolf, der in meine Richtung blickte. Erschrocken hielt ich inne in dem was ich tat und starrte zurück. Während Furcht in mir aufkam, versuchte ich so gut es ging ruhig zu bleiben und keine hektischen Bewegungen zu machen. Aber ich konnte nicht leugnen, dass ich Angst um mein Leben hatte. Die Tatsache, dass ich nichts tun konnte um mein Leben zu bewahren, machte das Ganze nur noch schlimmer.
Wir schauten uns gegenseitig an. In meiner unangenehmen Position verharrend wartete ich innerlich nur drauf, dass der Wolf es endlich hinter sich bringen und es nicht noch länger hinaus zögern würde. Jedoch schien das Ende noch eine Zeit auf sich warten zu lassen, da er immer noch einige Meter von mir entfernt stand und keine Anstalten machte näherzukommen. Was mich nur noch unruhiger werden ließ.
"Bring es endlich hinter dich", sagte ich laut zu dem Wolf, doch er stand einfach weiterhin nur da. "Hast du mich nicht verstanden?! Du sollst mich einfach umbringen!", rief ich ungeduldig und aufgewühlt zu gleich in seine Richtung. "Und wenn es geht, schnell und schmerzlos", murmelte ich vor mich hin.Da bewegte sich der Wolf und ich spannte mich augenblicklich an. "Nun ist es soweit, ich werde von einem Wolf gefressen. Mein Leben hat hier ein Ende. Habe ich noch irgendwelche letzten Worte?..."schoss es mir durch den Kopf.Doch die einzige Bewegung die der Wolf machte war sich hinzusetzen.
Stöhnend ließ ich meinen Kopf gegen die Steinwand nach hinten sinken und schaute auf die Decke hinauf. "Das konnte doch nicht sein!... Würde es den ganzen Tag dauern gefressen zu werden?", fragte ich mich gedanklich.Als ich meinen Kopf wieder zum Wolf hinüber drehte, schaute er mich mit schräg gelegtem Kopf an. Und umso länger ich ihn anschaute umso mehr hatte ich das Gefühl, dass ein fragender Blick in seinen Augen lag.
Kopfschüttelnd versuchte ich diesen unsinnigen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Wölfe waren keine hilfsbereiten, lieben Tiere, die einen fragend ansahen. Sie waren unerbittliche Raubtiere, die einen geschickt im Rudel einkreisten und dann zerfleischten.Das wollte einfach nicht in meinen Kopf hinein!
Dieser fragende Blick beschäftigte mich und schien mich einfach nicht mehr loszulassen."Du hast wenigstens ein Rudel. Damit kannst du dich glücklich schätzen. Allein zu sein ist nicht so toll, wie es meistens aussieht, es ist einfach nur deprimierend", bahnten sich diese Worte aus irgendeinem unerfindlichem Grund selbst aus meinem Mund."Warum rede ich überhaupt mit dir?", fragte ich mich selbst, rutschte nun das letzte Stück zur Steinwand nach hinten und lehnte meinen Rücken dagegen.Einen Moment Stille.
Danach begann es erneut aus mir heraus zu sprudeln: "Wo ist überhaupt dein Rudel? Oder hast du keines? Weißt du,... gemeinsam, einsam zu sein ist angenehmer als alleine einsam zu sein,.. weil man da jemanden hat, der einen versteht und mit dem man reden kann. ... Und das, obwohl du mir überhaupt nicht antwortest." Ein leichtes Lachen kam über mich.
Mir kam tatsächlich ein Lachen aus. Unfassbar!Und ich redete tatsächlich mit einem Wolf!Das war ja noch schlimmer als Selbstgespräche zu führen, fand ich, aber es war unerwarteterweise sehr befreiend.Ich lächelte dem Wolf zu, legte dann meinen Kopf in den Nacken und schaute verträumt die Höhlendecke empor. Ich dachte an bessere Zeiten, in denen ich noch mit meinem besten Freund die dümmsten Sachen angestellt hatte und jeden Tag glücklich an seiner Seite verbrachte.Wo waren diese Zeiten nur hin?
Ein Wolfgeräusch, holte mich wieder aus meiner Träumerei und als ich zum grauen Wolf hinüberschaute kamen gerade zwei kleine weiße Wölfe zu ihm hinüber. Der große Wolf legte sich daraufhin auf den Boden und die anderen beiden schmiegten sich dazu. Dann begann er den kleinen liebevoll das Fell abzulecken."Wenn das mal kein Herz zum Schmelzen bringt", dachte ich und ertappte mich dabei wie ich die drei liebevoll anblickte.
"Na da bin ich aber froh, dass du eine Familie hast", sagte ich, wenn ich schon mal dabei war.
Dann wechselte ich jedoch mit einem Räuspern wieder zurück zu einem ernsten Gesichtsausdruck. Innerlich jedoch war ich immer noch weich wie Butter.Ich schaute dem Schauspiel eine Weile zu und legte meinen Blick dann auf die gegenüberliegende Wand und dachte einfach mal an nichts. Doch es dauerte nicht lange, da wurde ich auch schon aus meinem Luftlöcher-in-die-Wand-Starren herausgerissen, da mich etwas am Bein streifte. Der große Wolf hatte sich zu mir gelegt und die anderen beiden waren ebenfalls auf dem Weg zu mir.
Verblüfft blickte ich zu ihm hinunter. Dass sich die Wölfe auf einmal zu mir legten, kam mehr als unerwartet. Ich ließ es einfach geschehen und irgendwie freute ich mich auch, dass ich nun Gesellschaft hatte.
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Berg Mädchen
AventuraEin Mädchen, alleine oben in den Bergen, ihre Mutter vor Jahren verschwunden, als auf einmal ein junger Mann auftaucht der ihre Hilfe benötigt und von irgendjemandem verfolgt wird. Mit dieser Begegnung ändert sich ihr gesamtes Leben und würde nie wi...