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Rona sah sich um, jedoch waren die dunklen Straßen leer, nur etwas Wind, der den Staub des Alltags aufwirbelte, machte sich bemerkbar und es wurde kalt. Nachdem die Sonne im Meer versunken war, wurde es schnell dunkler und schließlich, so wie jetzt, war es so düster, dass man die Farben der Fensterrahmen nicht mehr vom Grau der Wände unterscheiden konnte. Rona ging vorsichtig weiter, immer wachsam. Das einzige vernehmbare Geräusch, ihre klackenden Stiefel auf dem Steinpflaster, hallte umso lauter in der Dunkelheit wieder, die sonst jegliche Geräusche schluckte. Es war schon fast, als wollte die Dunkelheit Rona auf etwas aufmerksam machen. Immer darauf bedacht, die Lichtkegel der verräterischen Straßenlaternen zu meiden, ging Rona allein die letzten Häuserblöcke bis zum Waldrand.

Dort angekommen drehte sie sich mit einem unguten Gefühl um, denn sie fühlte sich, als ob Blicke auf ihr lasten würden, obwohl sie sich sicher war, dass sich niemand in ihrer Nähe befand. Sich auf ihr Gefühl verlassend, blickte sie durch die Umgebung, fand aber nichts. Sie ging etwas weiter in den Wald, lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum und schloss die Augen, um mögliche Beobachter besser aufspüren zukönnen. Tatsächlich! Sie hörte in der Krone eines Baums, der nur fünf Meter weiter stand, eine leise Atmung, die ruhig und kontrolliert fast nicht vernehmbar für sie war. "Was willst du von mir? Sag es mir direkt ins Gesicht!" , rief Rona genervt hinauf. Sie richtete sich auf, trat von dem Baum weg und wartete etwas ungeduldig. "Steckst du im Baum fest? Ich weiß doch, dass du da bist!" , rief sie nocheinmal, ihre Stimme genervt und hart. Als Antwort bekam die Braunhaarige: "War zu erwarten, dass du mich findest. Jedoch verweile ich lieber vor fremden Blicken geschützt-" "Ach ja?! Erst jemanden bespitzeln und dann nicht genug Mut, sich zu zeigen! So weit ich weiß, ist es unhöflich, sich mit jemandem zu unterhalten, ohne ihn zummindest anzusehen!" , Rona war nun richtig wütend und brannte darauf, diesem Typen eine Lektion zu erteilen, die er nicht mehr so schnell vergessen würde, doch das war bei ihr ja nicht schwer. Niemand vergaß sie so leicht, deshalb musste sie immer genau überlegen, wann und wie sie handelte. Ronas Geduld hatte sich schon längst aufgebraucht, sie müsste seit Langem schon auf dem Weg zu Lexus sein, doch ständig wurde sie heute aufgehalten. "Ich bin untröstlich, so schrecklich unhöflich zu sein, doch ich kann und darf ich mich dir leider nicht offenbaren. Außerdem ist es doch mindestens genauso unhöflich, jemandem einfach so ungehobelt ins Wort zu fallen, nicht wahr?" , fragte er mit einer ehrlichen Stimme, die überhaupt nicht zu seinen Anschuldigungen ihr gegenüber passte. Jetzt reicht's!

Rona ging schnell auf seinen Baum zu. Während sie ihn erreichte, drohte sie ihm: "Wenn du jetzt nicht einfach verschwindest, ist deine ach so wichtige Identität gleich weitgehend bekannt!" Leider hatte er Rona falsch eingeschätzt. Er hatte vermutet, dass sie unten stehen bleibt und nicht direkt weiter hinaufklettert, geschweige denn, dass sie so schnell den Baum erklimmen würde. Sie hatte keine Minute gebraucht, um die richtigen Äste und Einkerbungen zu finden, sie hatte sie schon erfasst, als die beiden noch geplaudert hatten. Er handelte instinktiv, indem er sich seine Kapuze tief ins Gesicht schob, das war seine einzige Möglichkeit gewesen. Und nun saßen beide Zentimeter voneinander entfernt im Baum, Rona blickte ihn mit hartem, wütend-feurigen Blick aus ihren leuchtend blauen Augen an, die dunkel verbundenen Arme noch auf den letzten Astkerben. Er dachte nur, Verdammter Mist, wie kann sie so unvorsichtig sein! Ich hätte ihr glatt ein Messer zwischen die Rippen setzten können! Doch er hatte Unrecht. Rona hatte ihre Möglichkeiten genau abgewägt und überlegt, was am sinnvollsten war. Hätte er sie umbringen wollen, hätte er sich nicht so passiv verhalten.

Blonde Haarspitzen hingen aus der Kapuze, die notdürftig über seinem Gesicht hing. Seine Klamottten an sich wirkten völlig normal. Da war eine Jeans, ein langer Pullover, das Einzige, was sie irritierte, war eine lederne Uhr mit silbernem Zifferblatt. So eine hatte doch der Lehrer heute auch! Und blonde Haare. Was macht er denn hier? Sie war sehr verwundert, war er etwa schon zu jemand anderem zugehörig? Aber ihre Kette hatte doch deutlich geleuchtet! Ihre Verwirrtheit und ihre vielen Gedanken, ließ sie äußerlich nicht hervortreten, sie wirkte mal wieder wie die Ruhe selbst, doch er spürte, dass da etwas anderes war. "Was ist los? Bin ich nicht deinen Vorurteilen entsprechend? Hast du etwas anderes erwartet?" Doch Rona ignorierte seine unnötigen Kommentare und fasste einen Entschluss: "Komm' mit! Schnell!" Dann sprang sie von dem Baum, seinen Ärmel mit sich ziehend und landete zielsicher auf dem weichen grün-braunen Moosboden. Anhand der Lichtverhältnisse konnte sie die Stadt hinter sich ausmachen, sodass sie sich nur noch kurz zu dem vermeintlichen Lehrer umdrehte und ihn fragte: "Wie lange kannst du laufen?"

Bei Lexus war es unterdessen wenig unruhig. Die Stute lief so schnell sie konnte zurück, galloppierte trittsicher über den matschigen Weg. Durch die Geschwindigkeit erkannte der Hutträger leider nicht viel, hatte jedoch genug Zeit, nachzudenken. Dem Pferd freie Hand lassend, dachte er über den Tag nach. Es war schon sehr seltsam. Er war auf einer äußerst wichtigen Mission, mit der Dragon ihn, den Stabschef, zweiter der Befehlskette der Revolutionsarmee, persönlich betraut hatte und fand nach zwei Monaten Spurensuche, eine unbekannte, langweilige Insel. Und auf genau dieser Insel traf er auf mysteriöse Weise Rona wieder, die rein aus Langeweile an genau diesem Tag ihr Zuhause verlassen hatte und sich in der Stadt umsah. Und noch zufälliger wusste sie scheinbar sofort, wonach er suchte. Das konnte unmöglich Zufall sein. Wusste Dragon, dass sie hier war? Wusste sie, dass der Auftrag hier stattfand? Wussten es beide, sodass sie ein Treffen organisieren konnten? Doch weiter konnte er sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, seltsamerweise war seine Umgebung wesentlich stiller geworden, schon fast geräuschlos. Er parierte die Stute in den Trab und schließlich in den Schritt und sah sich um. Seine Sinne mahnten ihn zu unbedingter Vorsicht, wissend, dass hier etwas nicht normal ablief. So gut er konnte, drehte er sich auf seinem Pferd um, wollte alles sehen, doch plötzlich sah er gar nichts mehr. Die Stute unter ihm fing an zu tänzeln und schnaubte nervös. Auch er war nicht unbedingt sorglos. Da musste jemand sein, der diesen Fluch auf ihn gelegt hatte, doch wo war diese Person? Er sah überhaupt nichts mehr, außer der Stute unter sich, alles war tiefschwarz, wie in Tinte. Diese Symptome kannte er nicht. Es war einer, der Revolutionsarmee und damit auch ihm weitestgehend unbekannter Feind. Verdammt... was mach ich denn jetzt? Ruhe bewahren, Gleichgewicht beibehalten, der Stute Sicherheit vermitteln und langsam hier wegreiten klingt gut. Was Lexus sich da vorstellte war in der Theorie effektiv, doch mangelte es leider zunehmend an der Ausführung. Er schwitzte etwas, diese blinde, schutzlose Situation war ihm völlig fremd. Doch was machte einen guten Soldaten aus? Richtig, Anpassungsfähigkeit und überarbeiten des Plans in kritischen Situationen! Er lenkte die Stute vorsichtig geradeaus weiter, trieb sie bestimmt an, doch als er das Gefühl hatte, es wurde wieder besser, fühlte er eine behandschuhte, lederne Hand auf seiner Schulter und einen kalten Atem an seinem Hals. Eine kratzige, säuselnde Stimme flüsterte: "Du willst mich doch nicht verlassen, wo wir doch gerade erst angefangen haben, nicht wahr?"

Endlich endlich [One Piece FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt