| 68. Kapitel |

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Der Rest der Schlacht zog an mir vorbei wie ein Film. Hin und wieder hatte ich die Chance, jemanden zu Schocken, doch nirgends erkannte ich einen der Familie Weasley. Kein Rotschopf befand sich auf den Korridoren, auf denen ich mich befand, und auch als ich auf dem höchsten, noch stehenden Turm des Schlosses stand, konnte ich niemanden erkennen, den ich mit der Familie in Verbindung bringen konnte. Familie Weasley war untergetaucht oder tummelte sich an so vielen Brennpunkten, dass man sie niemals unter den ganzen Menschenmassen erkennen hätte können.

Ich zuckte zusammen, als der dunkle Lord in meinen Kopf war und sprach: „Ihr habt gekämpft. Heldenhaft gekämpft. Lord Voldemort weiß Tapferkeit zu schätzen. Doch ihr habt schwere Verluste erlitten. Wenn ihr mir weiterhin Widerstand leistet, werdet ihr alle sterben, einer nach dem anderen. Ich will nicht, dass dies geschieht. Jeder Tropfen magisches Blut, der vergossen wird, ist ein Verlust und eine Verschwendung. Lord Voldemort ist gnädig. Ich befehle meinen Streitkräften sich sofort zurückzuziehen. Ihr habt eine Stunde. Schafft eure Toten mit Würde fort, Versorgt eure Verletzten. Harry Potter, ich spreche nun direkt zu dir. Du hast deine Freunde für dich sterben lassen, anstatt mir selbst entgegenzutreten. Ich werde eine Stunde lang im Verbotenen Wald warten. Wenn du nach Ablauf dieser Stunde nicht zu mir gekommen bist, dich nicht ergeben hast, dann beginnt die Schlacht von Neuem. Diesmal werde ich selbst in den Kampf ziehen, Harry Potter, und ich werde dich finden, und ich werde jeden Einzelnen, ob Mann, Frau oder Kind, bestrafen, der versucht hat, dich vor mir zu verstecken. Eine Stunde."

Ich schluckte schwer und atmete zitternd aus. Fast augenblicklich wurde aufgehört, rote und grüne Blitze durch die Gegend zu schleudern. Stattdessen legte sich eine erstaunliche Stille über das Gelände der Schule. Ich umklammerte meinen Zauberstab in meiner rechten Hand und trat langsam die Treppen hinunter. Ich musste mich in den Verbotenen Wald begeben und dem dunklen Lord bei Seite stehen. Meine Füße trugen mich automatisch auf dem kürzesten Weg hinunter auf die Ländereien. Die Erinnerungen, die ich hier gesammelt hatte, kamen wieder in mir hoch, und plötzlich hörte ich Freds markantes Lachen. Ich drehte mich um und sah mich um. Es würde mich nicht wundern, wenn er selbst jetzt noch etwas zum Lachen finden konnte. Doch ich sah ihn nicht. Stattdessen bewegten sich die Schatten der sich im Wind leicht bewegenden Bäume hin und her. Sie rauschten etwas, und als ich in den Verbotenen Wald eintrat, musste ich mit dem Zauberstab Licht machen. Ich murmelte: „Lumos", und streifte durch den Wald.

Eine seltsame Ruhe umfing mich, die nur von der Kälte der Dementoren durchstochen wurde. Diese hatten sich genauso aufgestellt, dass sie eine Allee direkt zum dunklen Lord gebildet hatten. Ich folgte dieser und war ein weiteres Mal überrascht, dass sie mich als einer der ihren annahmen. Noch immer glaubte jeder, dass ich eine der treuesten Dienerinnen des Lords war. Doch viele verstanden nicht, dass der Lord mehr in mir sah als eine Todesserin. Ich war für ihn nicht entbehrlich. Er wollte mich, und zwar nur mich. Bellatrix war vielleicht eine gute Kämpferin, doch niemals hatte er auch nur einen Hauch an Gefühlen für sie gezeigt. Er wollte mich an seiner Seite. Er wollte, dass ich mit ihm zusammen regierte und die magische Welt unter ihn brachte. Er hatte eine Schwäche für mich, und er wusste noch nicht einmal, dass ich ihn die ganze Zeit über hintergangen hatte. Bestimmt hatte er mich nicht geliebt, doch er hatte Lust verspürt. Und Lust verging nicht einfach so. Er würde immer und immer wieder zu mir kommen, so lange, bis ich von ihm schwanger wäre und sein Kind austragen würde. Doch das wollte ich nicht. Würde der dunkle Lord heute nicht fallen, so würde ich mich mit meiner Tochter und Fred zusammen ins Ausland absetzen. Ich hatte keine Lust mehr, und ich war müde. Nicht körperlich, sondern psychisch. Ich wollte mich nicht mehr verstecken, und nach dem heutigen Tag würde ich dies auch nicht mehr machen. Ich wollte leben, so wie man es von einer Einundzwanzigjährigen auch erwartete.

Nach diesem kurzen Fußmarsch kam ich auf einer Lichtung an. Der Lord empfing mich mit weit ausgebreiteten Armen, und begrüßte mich. Ich nickte nur erwiderte seine Umarmung nicht und stellte mich anschließend neben Narzissa. Diese musterte die ihr gebotene Szene nur argwöhnisch. Viele der anwesenden Todesser unterhielten sich in kleinen Gruppen. Narzissa drehte ihren Kopf zu mir und fragte mich wispernd: „Hast du Draco gesehen?" Wortlos schüttelte ich meinen Kopf. Nein, und ich hatte nicht einmal meine Augen nach ihm offengehalten. „Er ist noch keine Siebzehn. Bestimmt wurde er mit den anderen evakuiert", sagte ich und versuchte, ihr etwas Mut zuzusprechen. Doch die blondhaarige Frau schüttelte nur wortlos ihren Kopf. Sie glaubte mir nicht, und genauso wenig glaubte ich meinen Worten.

Die Stunde verging schleppend, und als Dolohow und Yaxley von ihrer Patrouille zurückkamen, sagten sie, dass sie Potter nirgends gesehen hätten. Im Gesichtsausdruck des Herrn änderte sich nichts. Seine roten Augen starrten noch immer auf das Feuer vor ihm. „Ich dachte, er würde kommen. Ich habe erwartet, dass er kommt. Ich habe mich, wie es scheint ... geirrt", sagte er und rollte den Elderstab in seinen Händen hin und her. Erschrocken zuckte ich zusammen, als Harry aus dem Dickicht sprang und laut sagte: „Hast du nicht." „Harry! Nein!", brüllte Hagrid, der gefesselt an einen Baum gebunden war. Rowle brachte den Wildhüter zum Schweigen. Bella sah mit herausgestreckter Brust zwischen den beiden Kontrahenten her.

„Harry Potter. Der Junge, der überlebt hat", sagte der Herr und hob seinen geklauten Zauberstab. Harry regte sich nicht. Hagrid kämpfte gegen den Baum an, Bellatrix keuchte vor Erregung. Panisch blickte ich zwischen den beiden hin und her, doch der Lord fing an, den Todesfluch zu sprechen, und Harry rührte sich noch immer nicht. Der grüne Blitz traf auf Potters Brust, und keinen Augenblick später brach er in sich zusammen. Dumpf schlug der leblose Körper auf dem Waldboden auf. Doch auch der Lord wurde von der Wucht des Zaubers getroffen und fiel zu Boden. Die Menge holte überrascht Luft und wich einige Schritte zurück.

„Herr? Herr, oh mein Herr", Bellatrix stöhnte seinen Namen schon fast, und ich konnte erkennen, wie ihr Mann das ihm gebotene Schauspiel nur widerwillig duldete. „Das genügt", er rappelte sich wieder auf und kam nur schwerfällig auf die Beine. „Herr, lasst mich", er schnitt Bella das Wort ab: „Ich brauche keine Hilfe. Der Junge ... ist er tot? Du, untersuch ihn. Sag mir, ob er tot ist", ordnete er Narzissa an. Diese nickte und eilte zu Harry Leiche. Es dauerte lange, bis sie sich wieder aufgerichtet hatte und rief: „Er ist tot!" Die Todesser klatschten auf. Sie waren sich dem Sieg sicher. „Seht ihr? Harry Potter ist von meiner Hand gestorben, und nun ist keiner mehr unter den Lebenden, der mir eine Gefahr sein könnte! Seht her! Crucio!" Er schleuderte Harrys Leiche einige Male in die Luft, ehe er sie wieder unsanft auf den Boden krachen ließ. Narzissa hatte all dem den Rücken zugekehrt und ging mit eisernem Gesicht zu mir und ihrem Mann zurück. Höhnische Schreie und Gelächter drangen durch die Lichtung. Ich betrachtete das mir gebotene Schauspiel skeptisch. Wortlos stellte sich die Blondhaarige neben mich.

Der dunkle Lord setzte den Marsch auf Hogwarts an, und befahl, Hagrid Harry zu tragen. Ich konnte sehen, wie unsanft Dolohow Harry seine Brille auf die Nase rammte, ehe er einmal gegen ihn trat und sich anschließend den anderen anschloss. Der Herr führte mit Nagini den Zug an, hinter ihm Hagrid und hinter Hagrid Narzissa, Bellatrix, Lucius und ich. Bella huschte zum Herrn, und ich beugte mich zu Narzissa hinüber. Es war kaum mehr als ein Hauch, als ich sagte: „Er ist nicht wirklich tot, oder?" Erschrocken sah die Frau auf, musterte mich einen Moment, ehe sie ihren Kopf wortlos schüttelte.  

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt