| 56. Kapitel |

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Wir standen in der großen Halle und warteten ungeduldig auf Severus. Narzissa ging unruhig auf und ab, während ich mich nur energielos am Tisch der Hufflepuffs niedergelassen hatte und meine Schläfen massierte. „Beruhige dich, er wird schon noch kommen", sagte ich leise und schloss meine Augen. Doch kaum hatte ich ausgesprochen, wurde die schwere Flügeltür aufgerissen und Severus trat mit wallendem Umhang in die große Halle ein. „Narzissa. Kate. Wie kann ich euch helfen?", fragte er uns, als er bei uns angekommen war, ohne uns zu begrüßen. „Wir brauchen Zutritt zu den Schlafräumen von Slytherin und eventuell auch zum Büro von Filch und dem Schulleiter", sagte Narzissa und Severus nickte zustimmend. „Selbstverständlich. Folgt mir", sagte er, und wir folgten ihm hinunter in den Kerker.

Jedoch waren wir sowohl in den Schlafräumen von Slytherin als auch im Büro von Filch erfolglos. Ich hatte nur mild gelächelt, als ich die vielen Erfindungen von Fred und George in den Schubladen von dem griesgrämigen Hausmeister fand. Wir waren gut, und schon bald würde das Sortiment noch mehr erweitert werden. Wir gingen hinter Snape her in sein neues Büro. Die dort angebrachten Gemälde tuschelten hinter vorgehaltener Hand, ehe sie sich mit angewiderten Blicken von uns wegdrehten und anschließend in anderen Bilderrahmen verschwanden. „Accio Tagebuch", sagte ich hoffnungsvoll, doch kein Staubkörnchen bewegte sich. Snape blieb an der Wendeltreppe stehen, während wir sein Zimmer auf den Kopf stellten. Narzissa blieb im unteren Teil, während ich die kleinen Stufen hochging und nach seinem Tagebuch Ausschau hielt. Ich musterte die Bücherstapel, ehe ich den sprechenden Hut erfasste. Langsam ging ich darauf zu. Unentschlossen biss ich mir auf die Unterlippe, nahm den alten Hut anschließend doch in die Hand und setzte ihn mir auf den Kopf.

Sofort rutschte er mir über die Augen und fing zu sprechen an: „Catherine O'Callaghan, wie schön Sie wieder zu treffen." Er klang amüsiert. Ich schluckte schwer. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?", fragte ich vorsichtig und wartete seine Antwort ab. „Natürlich. Fahren sie fort", sagte er und klang schmunzelnd dabei. Ich schluckte schwer, legte mir die Worte zurecht, ehe ich fragte: „Warum bin ich nach Ravenclaw gekommen?" Er lachte auf, sagte dann jedoch: „Catherine, Sie waren eine wirklich schwere Entscheidung. Fast genauso schwer wie Professor Minerva McGonagall und Harry Potter selbst. Ich schwankte zwischen den Häusern Gryffindor und Ravenclaw, da Sie sehr mutig sind und sich immer für das Richtige einsetzen wollen. Allerdings hat Ravenclaw überwogen. Sie treffen ihre Entscheidungen immer mit dem Kopf. Und das ausnahmslos. Es ist immer der Kopf, der die Entscheidungen trifft. Wen sie lieben, wen sie vertrauen. Vielleicht bekommen Sie es im Moment gar nicht richtig mit, aber es ist immer der Kopf, der die Entscheidung trifft, und niemals das Herz." Er verstummte und dankend legte ich den Hut wieder auf seinen dreibeinigen Stuhl zurück. Ich wusste nicht, was ich mit dieser Information anfangen sollte, doch ich entschloss mich dazu, wieder hinunter zu den anderen zu gehen.

Narzissa öffnete gerade die Schreibtischschublade, als sie anschließend ein in Leder eingebundenes Buch hervorzog. „Tom Vorlost Riddle", sagte sie und überreichte mir das Buch mit einem klaffenden Loch in der Mitte. „Wer ist das?", fragte ich und fuhr vorsichtig über die Ränder des Loches. Wir sahen zu Snape, doch auch dieser zuckte mit seinen Schultern. „Vielleicht der Bürgerliche Name des Lords? Er wird wohl nicht immer Lord Voldemort geheißen haben", schlug er vor. Wir zuckten mit den Schultern und sahen wieder in die Schublade hinein. Ein Ring, ebenfalls mit schwarzen Spuren versehen, lag noch darin. „Das ist wohl der Ring seiner Verwandten", sagte Narzissa und holte den Ring hervor. „Ist das nicht das Zeichen der drei Brüder?", fragte ich überrascht, als ich das Emblem auf dem Ring erkannte. Narzissa zog ihre Stirn kraus. „Ich dachte, das sei Grindelwalds Zeichen", fragend drehten wir uns zu Severus um, der auf uns zuschritt und anschließend den Ring an sich nahm. Lange betrachtete er ihn, ehe er sagte: „Das sind die Heiligtümer des Todes. Grindelwald hat es als sein Zeichen missbraucht. Er hat sein ganzes Leben nach diesen drei Gegenständen gesucht: Dem Stein der Auferstehung, der Tarnumhang und der Elderstab. Ich runzelte meine Stirn. „War er deswegen bei Gregorowitsch und Ollivander? Um an den Elderstab zu kommen?", fragte ich und legte meinen Kopf schief. „Denkt Ihr, er möchte die Heiligtümer zusammen bekommen? Denn wenn er das Schaffen würde", Narzissa brach ab. „Er wäre der Tod", endete Severus.

***

Mit ernsten Gesichtern marschierten wir durch die Straßen Londons. Die Muggel sahen verschreckt auf, als wir Ihnen entgegenkamen, und wechselten auf die andere Straßenseite. Narzissa und ich sahen uns einen Moment an, als wir vor unserem Ziel angekommen waren, doch dann nickten wir uns zu und befahlen den anderen Todessern, vor dem verlassenen Kinderheim zu warten. Eher unzufrieden warteten sie vor dem Gebäude, während wir Frauen uns einen Weg durch das Dickicht schlugen und anschließend in das Gebäude eintraten. Das Kinderheim war seit Jahrzehnten verlassen, was dazu geführt hatte, dass Löcher das Dach zierten, die Fenster und Türen waren mit Brettern verschlagen. Narzissa öffnete die quietschende Tür, und sofort bildete sich eine unangenehme Gänsehaut auf meinen Armen. Unsere Wege trennten sich an den ersten Zimmern.

Kinderspielzeuge und Teddybären lagen verstreut auf dem Boden herum, und es sah so aus, als hätte niemand die Zeit gehabt, sich auf die Abreise vorzubereiten. Ich sah in den Schubladen und in den Schränken nach, doch nirgends befand sich der Kelch von Hufflepuff. Ich trat in das nächste Zimmer ein, sah ebenfalls wieder in den Schränken und Schubladen nach, ehe ich mich auf dem Bett niederließ. Es staubte beachtlich und quietschte nicht sonderlich leise. Gedankenverloren fuhr ich den Saum der Matratze nach, ehe ein loses Dielenbrett meine Aufmerksamkeit auf mich zog. Etwas Goldenes stach darunter hervor. Ich lächelte. Der Kelch von Hufflepuff.

Ich rief nach Narzissa, die wenig später in das Zimmer stürmte. Ich zeigte auf den Kelch und mit vereinten Kräften brachen wir die Diele heraus. Ich nahm den Kelch heraus und hielt ihn in die Luft. „Jetzt müssen wir ihn nur noch zu Gringotts bringen. Der Lord wird sicherlich erfreut über unsere Fortschritte sein", meinte Narzissa und fuhr bewundernd über den Kelch. Wir packten ihn in ein schwarzes Tuch und ich ließ ihn in meiner Jackentasche verschwinden. „Solange er uns am Leben lässt, ist alles in Ordnung. Ich frage mich, wie lange er Bathilda noch am Leben lassen möchte", murmelte ich eher zu mir als zu ihm und rieb anschließend meine kalten Hände aneinander. Narzissa schnaubte auf. „Sie wird nicht mehr lange durchhalten, und das weiß er. Er muss nur noch Potter töten, und niemand wird ihm mehr im Weg stehen", sagte sie. „Ich verstehe nicht, warum er unbedingt an Potter ran möchte. Klar, irgendwie hat er noch eine offene Rechnung mit ihm, aber so dringend ist sein Tod doch auch nicht nötig", sagte ich, zuckte jedoch erschrocken zusammen, als auf dem Flur etwas quietschte.

Wir stürmten aus dem Raum und erblickten einen wohl Obdachlosen, der uns erschrocken ansah. Er rannte den Flur entlang, doch mit einem Schwenk meines Zauberstabes hing er mit den Füßen in der Luft und taumelte hin und her. „Wir müssen ihn töten. Er könnte zu viel gehört haben", meinte Narzissa und hielt ihren Zauberstab auf den Mann gerichtet. „Glaubst du, dass ein Gedächtniszauber nicht reicht?", fragte ich stattdessen und blickte auf den knochigen Mann hinunter. Seine herausstehenden Augen sprangen zwischen uns hin und her. „Ich würde ihn töten. Sicher ist sicher", erwiderte sie jedoch. „Es ist deine Entscheidung", fügte sie jedoch an. Ich biss mir auf die Zunge, und mit einem Schwenk meines Zauberstabes plumpste er wieder auf den Boden. Panisch kroch er gegen die Wand und hob seine Hände. „Bitte, bitte nicht töten. Ich habe doch nichts gemacht", bettelte er. Mit erhobenem Haupt ging ich auf den Mann zu. Sofort schwieg er. „Sie haben nichts von dem hier mitbekommen, verstanden? Obliviate."

Der Mann bekam einen abwesenden Blick und sackte kurz darauf in sich zusammen. Der Gedächtniszauber hatte gewirkt. Anschließend verließen wir das Kinderheim und apparierten ohne die Begleitung der anderen Todesser in die Winkelgasse. 

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt