| 58. Kapitel |

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Die Nacht vom einunddreißigsten August zum ersten September war alles andere als ruhig für mich. Der dunkle Lord hatte mich nur widerwillig ziehen lassen. Doch Merlin sei Dank, konnte ich nun in Hogwarts Zaubertränke unterrichten. Professor Slughorn würde einen Teil meiner Stunden übernehmen und weiterhin Hauslehrer für Slytherin bleiben. Amycus Carrow würde das umbenannte Fach dunkle Künste unterrichten, während seine Schwester Alecto Carrow das Fach Muggelkunde lehren würde.

Ich schluckte schwer und drehte mich auf dem Sofa herum. Großtante Muriel hatte nicht genügend Betten gehabt, um uns alle darin zu beherbergen, weshalb die Zwillinge und ich uns freiwillig gemeldet hatten, im Wohnzimmer zu schlafen. Molly und Arthur schliefen in dem alten Kinderzimmer, das angeblich wohl nie benutzt wurde, während Ginny es sich in einem Sessel neben dem Kamin gemütlich gemacht hatte. Fred und Georges Füße berührten sich im Eck des Sofas leicht. Die Wolldecken waren von ihren Körpern gerutscht, während Georges Mund geöffnet war und er leicht verrenkt vor sich hin schnarchte. Fred hingegen war auf die Seite zur Lehne des Sofas hingedreht und hatte die Decke nur noch an seinen Fußspitzen hängen. Ich hingegen hatte mich wie ein Wollknäuel zusammen gerollt und die Decke über meinen Körper geschlungen. Nur mein Kopf sah noch heraus. Die Uhr über dem Kamin tickte laut hin und her und zwang mich dazu, aufzusehen. Es war knapp nach drei Uhr, und es würde sich nur noch um wenige Stunden handeln, so wäre ich auf den Weg nach Hogwarts. Ich hatte mich dazu entschlossen, per Geheimgang nach Hogwarts zu reisen. Mr. Flume vom Honigtopf hatte ich schon vorgewarnt. Er hatte es nicht ganz glauben können, als ich in Todesser-Uniform vor ihm gestanden hatte. Verschreckt hatte er alles abgenickt, was ich gesagt hatte. Vermutlich hätte er auch seinen Laden verkauft, hätte ich es ihm befohlen. Es war erschreckend mit anzusehen, dass die Menschen eine solche Angst vor den Todessern hatten. Würden sie sagen, dass sie von einer Klippe springen sollten, so würden sie dies auch tun. Eine Welt unter der Regentschaft vom dunklen Herrn konnte ich mir nicht vorstellen. Wie es wohl für mein Kind wäre, in einer solchen Welt aufzuwachsen?

Ich döste die restlichen Stunden vor mich hin. Als die Uhr sechs Uhr schlug, öffnete ich meine Augen und lauschte den noch stillen Geräuschen des Hauses. In weniger als einer halben Stunde, wäre Molly auf den Beinen und würde anfangen das Frühstück vorzubereiten. Doch ich rappelte mich auf, ging auf Zehenspitzen in das Badezimmer und übergab mich meinem morgendlichen Schwall an Übelkeit. Es war schon fast zur Routine geworden, doch dies zeigte mir nur, dass es dem Kind gut ging. Als ich mich wieder beruhigt hatte und fast keine Galle sich mehr in mir befand, stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete meine Figur. Man konnte noch keinen kleinen Bauch erahnen, und dennoch würde man ihn schnell sehen können. Ich war kaum mehr wie Haut und Knochen. Ich strich über die Stelle, an der man bald mein Kind erkennen würde. Ich hatte gerechnet, und wenn mich nicht alles täuschte, so würde es das Licht der Welt Anfang April erblicken, genau wie sein Vater. Es wäre wohl das schönste Geschenk eines Vaters, wenn das Kind am selben Tag Geburtstag hätte, doch die Wahrscheinlichkeit, genau diesen Tag zu treffen, war wohl sehr unwahrscheinlich.

Mit einem Schwenk meines Zauberstabes packte ich all meine Sachen zusammen. Lautlos stapelte sich alles in meiner magisch vergrößerten Tasche. Ich blickte mich ein letztes Mal um, ehe mein Blick den auf dem Sofa zusammengekauerten Fred erblickte. Ich stellte die Tasche ab und ging auf ihn zu. „Es tut mir leid", hauchte ich kaum hörbar in sein Ohr und drückte ihm einen letzten Kuss auf die Schläfe. „Ich liebe dich."

Dann richtete ich mich auf, warf die Decke ordentlich über ihn, sodass er nicht fror, und ging anschließend aus der Hintertür des Hauses hinaus. Leise schloss ich diese hinter mir und ging, ohne auch nur einmal zurück zu schauen, von der Lichtung. Am Waldrand blieb ich jedoch stehen und warf einen letzten Blick auf das gemütliche Haus zurück. Es war ein anstrengender Monat gewesen, und alles, was ich jetzt noch tat, war hoffen, dass es in Hogwarts zumindest ein wenig leichter werden würde. Als das Licht im oberen Stockwerk anging, zuckte ich erschrocken zusammen, hob jedoch meinen Zauberstab und warf ein paar letzte Schutzzauber auf das Haus, sodass es hoffentlich von niemanden gefunden und angegriffen werden könnte.

Ich trat aus dem Schutzkreis heraus und schloss meine Augen. Mal wieder wurde ich den durch dünnen Gartenschlauch gepresst und wurde auf der anderen Seite in Hogsmeade herausgespuckt. Im Honigtopf brannte schon Licht, das bedeutete, dass sich Mr. Flume an unsere Abmachung gehalten hatte. Ich trat ein, und das Klingeln einer kleinen Glocke kündigte meinen Besuch an. Der Mann sah hinter der Theke hervor und begrüßte mich verängstigt. „Hallo Mr. Flume", sagte ich müde und ging, ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln, hinunter in seinen Keller, schob die Bodenplatte weg und sprang in den kleinen Gang hinunter. Als die Platte wieder an Ort und Stelle war, leuchtete die Spitze meines Zauberstabes auf und ich machte mich auf den langen Weg nach Hogwarts.

Ich kam in Severus alten Zimmer in den Kerkern unter. Es dauerte nicht lange, da hatte ich mich vollständig eingerichtet, als auch schon die anderen Lehrkräfte eintrafen und sich mehr oder wenig fröhlich begrüßten. Natürlich hatten sie die Carrow-Geschwister erkannt und fragten sich, was sie wohl hier taten. Als Professor Flitwick auch mich erkannte, wich ihm alle Farbe aus dem Gesicht. „Miss O'Callaghan, was machen Sie denn hier?", fragte er mich wispernd und stellte sich neben mich. Ich schluckte schwer und antwortete ihm genauso leise: „Ich arbeite hier, Professor. Ich unterrichte zum Teil Zaubertränke." Er nickte, überflog die Menschen und fragte entsetzt: „Und Horace? Warum ist er noch hier?" – „Wir teilen uns die Stelle. Ich habe noch andere Aufgaben zu erledigen, als zu unterrichten. Sie wissen schon." Professor Flitwick nickte langsam. Er wusste, dass ich sowohl für den Orden, als auch für die Todesser arbeitete. Doch der Orden war so gut wie zerschlagen, und die Anhänger des dunklen Lords hatten die Oberhand. Severus räusperte sich, stellte sich als neuer Schulleiter vor und fing an, die neuen Regelungen vorzustellen. McGonagall räusperte sich vernehmlich und schien mehr als nur wütend. Ich hätte es auch für eine bessere Wahl gefunden, wenn sie Schulleiterin geworden wäre, doch das passte dem Lord nicht. Er brauchte einen Loyalen an dieser Spitze.

Der Tag verging schneller als gedacht, und kaum hatte ich mich in die Materialien wieder eingearbeitet, stand auch schon das erste große Festessen bevor. Wir Lehrer saßen am großen Tisch und aufmerksam beobachtete ich die ankommenden Schüler. Viele sahen ziemlich verwundert darüber aus, so viele neue Gesichter zu erkennen. Andere hingegen schienen mich zu erkennen. Kein Wunder, ich hatte selbst erst vor zwei Jahren die Schule mehr oder weniger abgeschlossen. Viele würden sich noch an mich erinnern können. Doch meine größte Angst war Ginny gewesen. Diese trat als eine der Letzten in die große Halle ein und schien ziemlich wütend zu sein. 

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt