Ich hatte Nachtschicht. Hieß, ich musste auf den Fluren im Schloss umher gehen und nach Schülern sehen, die sich nach der Sperrstunde nicht in ihren Betten oder im Gemeinschaftsraum aufhielten. Gerade schlenderte ich durch den ersten Stock, als ich ein schluchzten vernahm. Ich blieb stehen und entzündete die Spitze meines Zauberstabes. In einer Nische kauerte sich ein kleiner Junge zusammen. Er zuckte zusammen, als er meine Anwesenheit bemerkte, sprang jedoch sofort auf, um wegzulaufen. Als er jedoch mich erfasste, blieb er geschockt stehen. Vermutlich hatte er die Carrows erwartet.
„Bitte. Bitte nicht foltern", wimmerte er und schluchzte nur noch mehr. „Keine Sorge. Ich werde dir nichts tun", sagte ich, ging langsam auf ihn zu und ließ mich vorsichtig neben ihm nieder. „Warum bist du hier? Die Sperrstunde hat doch schon begonnen", murmelte ich und setzte ihn auf eine Bank, von dessen Fenster man hinunter in den Innenhof blicken konnte. Dort schob Professor McGonagall ihre Schicht. Doch man konnte erkennen, wie sie sich in ihre Katzengestallt verwandelt hatte und unter dem Baum saß. „Ich ... es tut mir leid. Ich weiß ... ich sollte in meinem Bett sein", stotterte der Junge, nahm jedoch dankend das Taschentuch an, das ich ihm überreichte. „Gut, dass du das wenigstens weißt. Jetzt sag mir, warum du dich hier allein rumschleichst", forderte ich ihn fürsorglich auf, und legte ihm beruhigend die Hand auf den Rücken. Er schnäuzte sich die Nase, ehe er vorsichtig fortfuhr: „Ich wollte nur meinen Eltern schreiben. Sie machen sich fürchterliche Sorgen. Nach Weihnachten wollten sie mich schon gar nicht mehr zurückgehen lassen." Mit dem Ärmel seines Hufflepuff-Umhangs wischte er sich über seine Augen. Die Tränen verschwanden leicht.
„Gib mir den Brief. Ich werde ihn deinen Eltern zukommen lassen", sagte ich, und nur langsam übergab er mir den vergilbten Briefumschlag. „Ich verspreche dir, dass ich ihn abschicken werde. Warte einen Moment, ich zeige dir, wie", murmelte ich und stieß einen kaum hörbaren Pfiff aus. Nur wenige Minuten später landete Clarke auf dem Fenstersims. Sie gurrte, als ich ihr über den Kopf strich und kuschelte sich mit ihren samtigen Federn gegen meine Hand. Ich lächelte leicht. „Das ist meine Eule. Sie ist eine der wenigen, die vom Ministerium nicht kontrolliert werden. Sie wird deinen Brief sofort zu deinen Eltern bringen. Clarke, dieses Mal bitte ohne irgendwelche Umwege", forderte ich die Schleiereule auf. Ich band ihr vorsichtig den Brief um ihr Bein, als sie sich kurz darauf auch schon auf den Weg machte und die Post an die Eltern des Jungen brachte.
Ich wandte mich wieder den Jungen zu. Ich kannte ihn nicht, weshalb ich davon ausging, dass er von Professor Slughorn unterrichtet wurde. „Zeig mir mal deine Hand", forderte ich ihn auf, als ich eine dicke Kruste darauf erkannte. Nur langsam kam er meine Aufforderung nach. Ich fuhr vorsichtig darüber, und er zuckte zurück. „Tut es weh?", fragte ich, als ich die Fluchnarbe erkannte. Er nickte. „Wenn du willst, kann ich dir helfen. Ich habe einige Tränke, die die Wundheilung beschleunigen", schlug ich ihm vor. Er nickte sofort. Ich lächelte ihn traurig an. Er musste wohl qualvolle Schmerzen haben.
Ich stand auf und führte ihn zum Raum der Wünsche. Dort hatte ich mein Lager aufgebaut. Neville und Ginny hatten dort eine Art Krankenstation errichtet. Zu Madam Pomfrey kamen nur noch die schweren Fälle. Ins St. Mungos wurde niemand geliefert. Severus wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und unterdrückte die Verletzungen der Schüler.
„Warst du im Raum der Wünsche schon mal?", fragte ich ihn. Er hatte sich nach wenigen Metern an meine Hand geklammert und ging halb verdeckt hinter mir her. Er schüttelte wortlos seinen Kopf. „Der Raum der Wünsche verwandelt sich in den Raum, den du dir im Moment am meisten wünschst", erklärte ich ihm und blieb vor dem Raum stehen. Noch war nichts zu sehen, doch keine Sekunde später machte sich dort eine Tür breit. Ich ging mit dem Jungen hinein und wurde auch schon kurze Zeit später von Seamus begrüßt.
„Ich brauche etwas Diptam-Konzentrat", sagte ich und setzte den Jungen auf einen Stuhl. Viele andere Schüler befanden sich auf den Hängematten und unterhielten sich leise. Anfangs hatten sie mir nicht vertraut, doch mittlerweile waren sie froh, dass ich die Tränke für sie herstellte. Niemand hinterfragte meine Einkaufslisten, wenn ich mal in die Apotheke ging. Es war jedoch schwierig, die meisten Zutaten zu bekommen. Das Ministerium hatte viele Zaubertrankzutaten als unverkäuflich bezeichnet. Sie hatten zu große Angst, dass jemand einen Vielsafttrank oder andere Tränke brauen würde. Finnigan reichte mir die Tropfflasche und schon vier der Tropfen des Konzentrates genügen, und die Wunde fing an, sich langsam zu verschließen. Ich lächelte leicht. „Bleib noch einen Moment sitzen. Möchtest du etwas trinken? Essen?", fragte ich ihn mütterlich, und sofort nickte er. Ich reichte ihm ein Glas Wasser und ein Sandwich. Er bedankte sich.
„Wo ist Neville?", fragte ich den Gryffindor. „Er ist vor ein paar Minuten mit Ariana gegangen. Sie hatte es sehr eilig", sagte sie und blickte unsicher auf das leere Portrait von Dumbledores verstorbener Schwester. Ich schluckte schwer und hoffte, dass es nur Aberforth war, der uns etwas zu Essen schickte. Ich schüttelte mich und kniete mich neben einen weiteren verletzten Schüler. Ich konzentrierte mich auf die Schüler und wurde erst aus meinem Fokus gerissen, als die Menge erfreut aufschrie. Ich richtete mich auf, doch den Namen, die die Menge schrie, hatte nichts Gutes zu bedeuten.
„Potter!" – „Harry!" – „Es ist Potter. Es ist Potter!" – „Ron" – „Hermine!"
Ich schluckte und stolperte einige Schritte zurück. Wenn Potter hier war, so würde Ginny auch nicht weit sein. Ich hatte sie seit der Geburt nicht mehr gesehen. Sie war weg. Wie vom Erdboden verschwunden. Selbst McGonagall wusste nicht, wo sie war. Die Carrows wollten nichts sagen. Ich trat einen weiteren Schritt zurück. Die Menge verstummte, und Potter wollte die anderen von der DA abbringen, ihnen bei der Suche zu helfen. Als mich jedoch Ron erfasste, härteten sich seine Gesichtszüge und mit ausgestreckter Hand sprang er auf mich zu.
„Du! Du hast Fred das Herz gebrochen! Hast ihn einfach so verraten!", er stand vor mir, hatte Tränen der Wut in seinen Augen und holte mit seiner Faust aus. Er traf mich direkt im Gesicht und so stark, dass es mich gleich auf den Boden schleuderte. Er trat mir in den Bauch. Alle Luft entwich meinem Körper. Ich röchelte. „Ron! Ron hör auf!", plötzlich die helle Stimme von Ginny. Ich sah erschrocken auf, doch Ron ließ von mir ab, als Ginny an seiner Hand hing und ihn von mir wegzerrte. „Du verstehst das doch alles nicht", bettelte sie, und Ron ließ von mir ab. Langsam kam ich wieder auf die Beine. Ich hielt mir den Bauch. Er hatte mich nicht ernsthaft verletzt, und dennoch schmerzte die Stelle. Ich sah auf und erschrak, als eine Horde rothaariger Personen vor mir stand. Fred und George zusammen mit Lee und Cho Chang waren aus dem Portrait geklettert und hatten die ihnen gebotene Szene verwirrt mit angesehen.
Ich schluckte ein weiteres Mal. „Nein, nein, nein. Ihr solltet doch alle gar nicht hier sein", murmelte ich und trat einige Schritte nach hinten. In Freds Augen zeichnete sich der Schmerz ab, den ich ihn wohl über all die Monate hinzugefügt hatte. Er trat einen Schritt vor, blieb jedoch stehen, als ich einen Schüler zu meiner linken packte und ihn zu mir herzog. „Wo ist Severus?", fragte ich und hatte meinen alltäglichen, knurrenden Unterton aufgelegt. „Woher soll ich das denn wissen? Ich bin seit einer Woche hier und seitdem nicht mehr raus", meinte er und verdrehte die Augen. Ich zitterte, trat einen weiteren Schritt zurück und riss die Schranktür hinter mir auf, jedes Mal spuckte sie denjenigen an einem anderen Ort aus. Severus musste sofort Bescheid wissen, dass Potter zusammen mit weiteren Mitgliedern des Ordens angereist war.
„Kate!", Fred Schrei war herzzerreißend, doch ich musste ihn ignorieren. Würde Potter zusammen mit den anderen den Raum der Wünsche verlassen, so würde der Krieg ausbrechen.
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Königsblau | Fred Weasley
FanficGeboren als Halbblut und verstoßen von ihrer eigenen Mutter lebt Catherine O'Callaghan zusammen mit ihrem Vater an der irischen Westküste und genießt ihr Hexendasein in vollen Zügen. Das fünfte Schuljahr in Hogwarts abgeschlossen und schon eine Kar...