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"Ava, da bist du ja wieder!" Lu schien erleichtert. Sie zog mich sofort in ihre Arme und seufzte leise. "Du glaubst nicht, was hier die letzten Stunden los war."
Es tat mir leid, dass ich sie und meinen Onkel in so eine Lage gebracht hatte. Ich schämte mich dafür, die beiden da mit rein gezogen zu haben. Nicht nur die beiden, auch meine Freunde.

"Es war kein Fehlalarm, oder?" fiepste ich und sie schüttelte den Kopf. "Ist etwas passiert? Geht es James gut?" Sie nickte.
"Ja, ihm geht es gut. Er war nur verwirrt und überrascht, dass Draco in seinen Laden appariert hat und nicht hier her, zu dir." Sie schob mich an den Schultern etwas weg und musterte mich.
"Das Geschäft... Das war der Ort, an dem wir uns das erste Mal getroffen haben, noch vor Hogwarts." erklärte ich, worauf sie den Kopf schief legte.
"Wie? Ihr habt euch da getroffen?"
"Luise, lass die Kinder doch erstmal ins Haus. Die erfrieren da draußen ja noch!" Mein Onkel tauchte hinter ihr auf und öffnete die Tür so weit es ging.
"Oh, ja! Natürlich!" Lu machte sofort Platz und deutete auch den anderen, dass sie den warmen Flur betreten sollten.

Die drei bedankten sich und stellten sich höflich vor.
"Harry Potter..." James legte sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, er musterte den Braunschopf einen Moment. "Der Name kommt mir sehr bekannt vor."
Harry lachte leicht.
"Kann gut sein, Sir."

Die beiden verfielen in einen Smalltalk, auch Ron und Hermine verstanden sich super mit meiner Tante. Wir wurden im Wohnzimmer auf dem Sofa platziert und bekamen kurz darauf eine heiße Tasse Tee in die Hand gedrückt. Sie wärmte meine Finger langsam auf, doch alles, woran ich denken konnte, war Draco.

Ich hoffte bald eine kleine Lücke in ihrem Gespräch zu finden, um die Frage, wo er denn nun sei, hinein zu werfen.

Meine Tasse war schon fast leer, als sich diese Gelegenheit bot.

"Aber zum Glück haben wir es geschafft, Hogwarts vor Schulbeginn wieder aufzubauen." beendete Hermine ihre Zusammenfassung der versuchten Machtübernahme von Voldemord.
"Ach Gott." gab meine Tante nur bewundernd zurück und setzte an, um die nächste Frage darüber zu stellen, doch ich war schneller.

"Was habt ihr eigentlich mit Draco gemacht...? Geht... Also geht es ihm gut?"
Lu's Gesicht strahlte anfängliche einige Fragezeichen aus. Sie fing sich dann aber wieder und nickte. Schüttelte dann doch den Kopf.

"Er hat die Reise nicht so gut überstanden, Ava..." Sie blickte mich traurig an. "Dein Onkel und ich haben alles getan, was wir konnten. Unsere Zauberstäbe sind etwas eingerostet, verstehst du?"
"Was... Was soll das heißen? Wo ist er?" Ich stellte meine Tasse vorsichtshalber auf den Tisch.
"Es heißt, dass sein Körper die lange Strecke nicht ganz geschafft hat. Lu hat ihm so weit wie möglich geholfen, ihn größtenteils mit Nadel und Faden zusammen geflickt. Wir haben seit über 20 Jahren nicht mehr gezaubert, Ava. Da blieb uns nichts anderes übrig, als die gute, alte Schulmedizin anzuwenden. Verstehe mich nicht falsch, mittlerweile geht es ihm wieder besser. Er liegt oben im Gästezimmer und schläft. Wir wollten... Ava, wo willst du hin?!"

Doch ich sprintete schon die alten Stufen hinauf. In dem Moment war es mir egal, dass ich noch die, von Schlamm-Schnee bedeckten, Stiefel trug. Ich würde das später oder morgen sauber machen.

Ich musste zu ihm. Das war jetzt wichtig.

Vor der Gästezimmer-Tür machte ich dann aber doch einen kurzen Stopp. Eigentlich wollte ich ihn nicht unbedingt wecken. Wenn er wirklich solche Strapazen hinter sich hatte, war er sicher froh etwas Ruhe zu haben.

Zögerlich und leise drückte ich den Griff hinunter. Ich musste mich zumindest selbst davon überzeugen, dass er wirklich hier war.
Die Tür öffnete sich einen Spalt, sodass ich mich gerade so dadurch schlängeln konnte.
Es war still im Zimmer, nur sein leiser Atem war zu hören. Das Licht des Mondes strahlte sanft auf das Wollknäuel im Bett. Er war bis zum Kinn zugedeckt, seine Augen waren geschlossen.

Ich konnte gar nicht sagen, wie groß der Stein war, der mir vom Herzen fiel.

Leise tritt ich ein paar Schritte auf das Bett zu. Erst jetzt konnte ich die schief genähte Platzwunde an seiner Stirn und die aufgerissene Lippe erkennen. Er sah eher aus, als wäre er verprügelt worden.

Immer bedacht darauf, ihn nicht zu wecken, setzte ich mich vorsichtig auf den freien Spalt neben ihn auf die Matratze. Mein Kopf war wie leer gefegt.
Ich sollte sauer auf ihn sein, weil er mir das mit unseren Eltern verheimlicht hatte. Hätte ihn zappeln lassen sollen.
Doch in diesem Moment war ich einfach nur froh, dass er atmete.

Ich schob die Decke wenige Zentimeter zur Seite, nahm seine Hand sanft in meine. Seine Finger waren noch nie so warm.
Mir fiel auf, dass die eine Decke wohl aus mehreren bestand. Lu war mal wieder sicher gegangen, dass es ihrem Besuch an nichts fehlte. Dafür liebte ich sie.

Sein Mund öffnete sich, er atmete schwer aus. Die Augenbrauen waren zusammen gezogen.
"Hey..." hauchte ich leise und strich ihm sanft über die Wange. Seine Gesichtszüge wurden wieder weicher, seine Pupillen zuckten unter den geschlossenen Lidern hin und her.
"Nein..." stieß er keuchend aus. "Ich will nicht!" Er drückte meine Hand. Presste seine Lippen zusammen.
"Draco..." Ich wusste, dass er ab und an Albträume hatte. Er hatte mir davon erzählt, holte aber nicht weit aus. In unseren gemeinsamen Nächten hatte er nie welche. Zumindest hatte ich es dann nie mitbekommen.
Sein Körper wurde unruhig. Meine Hand wurde immer wieder ruckartig gedrückt, seine Beine schienen so, als ob sie irgendetwas wegstießen.
"Ihr könnt mich nicht zwingen!" rief er aus. Kleine Schweißperlen bahnten sich den Weg über seine Stirn.

Ich war etwas überfordert, wusste nicht, wie ich ihn beruhigen konnte.

"Draco, ich bin hier..." Ich rutschte etwas höher, löste meine Hand aus seiner und nahm sein Gesicht in die Hände. "Ganz ruhig... Ich bin hier..." wiederholte ich und strich ihm mit den Daumen über die Wangen.
Er atmete ein paar mal stark aus, öffnete dann blinzelnd seine Augen.

Sein Blick schweifte kurz abwesend durch den Raum.

"Ava..." hauchte er leise. Er fackelte nicht lange, setzte sich einfach auf, fuhr mit seinen Händen meine Arme hoch und zog mich an seinen Oberkörper. Ich schlang, ohne darüber nachzudenken, meine Arme um seinen Nacken. Seine Finger gruben sich in meinen Pullover.
Ich spürte, wie sich kleine Tränen in meinen Augen sammelten.

Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich ihn die letzten paar Tage vermisst hatte.

show me your side // Draco Malfoy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt