Idris, 1990
Am Rande des Broceline Waldes stand das Haus von Jocelines Eltern Grayson und Adele Fairchild. Seit deren mysteriösen Tod vor wenigen Monaten lebte sie dort mit Valentin Morgenstern. Valentin kannte man in der gesamten Unterwelt, denn er galt als der gefürchteste Anhänger des Kreises. Auch Jocelyn gehörte dem Kreis an, aber mittlerweile steckte weniger Herzblut dahinter wie früher.
Damals noch, als sie den Kreis für eine gute Sache gehalten hatte, da kämpfte sie stets mit demselben Eifer wie Valentin an seiner Seite. Mittlerweile aber hinterfragte sie ihn mehr.
Früher, da liebte sie ihn mit ihrem gesamten Herzen - ihrem ganzen Selbst. Doch je mehr Blut er vergoss, umso mehr zweifelte sie an ihrer Liebe. Valentin beteuerte jedes Mal aufs neue, dass er sie über alles liebte. Jocelyn aber ging es einfach nur elendig.
Besonders nach der Geburt ihres Sohnes Jonathan fiel sie in ein tiefes Loch, weil sie sich nicht erklären konnte was mit ihm los war. Jonathan schrie nicht wie andere Kinder, er quengelte nicht und er weinte nicht. Stattdessen starrte er sie jedes Mal mit diesen großen, pechschwarzen Augen an und gab nicht den geringsten Laut von sich. Eine Kälte umgab ihn, wie Jocelyn es noch nie sonst gespürt hatte. Er war ein seltsames Baby. Noch nie hatte sie es laut ausgesprochen, aber die Augen... ja, die Augen erinnerten sie an einen Dämon.
Endlich musste sie Valentin zur Rede stellen was er getan hatte. Jocelyn fühlte nichts mehr als die Verzweiflung, dass sie nichts tun konnte um Jonathan dazu zu bringen, sich normal zu verhalten.
Das Geräusch der zufallenden Tür riss sie aus diesen Gedanken und stand langsam auf. Langsam schritt sie die Treppe hinunter und blieb auf der letzten Stufe stehen.
Valentin kam ins Zimmer gelaufen und lächelte sie an, doch er erhielt nur einen ausdruckslosen Blick ihrerseits.
,,Was ist los?", wollte er wissen und warf sein Schwert zu den anderen in die Ecke, die er demnächst säubern wollte. Jocelyn sah das Blut an der Klinge deutlich genug und schluckte. Es gab eine Zeit, in der sie von Valentins Absichten überzeugt gewesen war, aber ihre Loyalität schwand wie die Liebe.
,,Es reicht, Valentin. Ich kann nicht mehr", begann Jocelyn zu sprechen und umklammerte das Treppengeländer fest mit ihrer Hand. ,,Was hast du mit Jonathan getan?"
,,Geht es ihm nicht gut?", erkundigte Valentin sich besorgt und blickte zu ihr hoch. Seine Gesichtszüge blieben ernst.
,,Ob es ihm nicht gut geht?", flüsterte Jocelyn tonlos, Schritt langsam die Treppenstufen hinunter und schenkte ihrem Mann einen anklagenden Blick. ,,Gestern war Maryse mit Alec hier und selbst ihr ist aufgefallen, dass etwas nicht mit Jonathan stimmt. Etwas dunkles umgibt ihn und das weißt du."
Sie unterdrückte die Tränen, wandelte dieses Gefühl der Verzweiflung in Wut um. ,,Was hast du mit meinem Sohn gemacht?"Valentin schwieg.
Er wich nicht zurück, er suchte keine Ausreden, er sah sie an, als sei sie diejenige, die verrückt wurde. ,,Er wird ein großartiger Krieger werden, Jocelyn.",,Nein!"
Ihre Stimme klang lauter als beabsichtigt. Jonathan schlief, aber selbst wenn er aufwachte, würde er keinen Schrei loslassen und seine Mutter darauf hinweisen. Ginge sie hoch, so würde sie einen unschuldigen kleinen Jungen sehen, der sie mit seinen düsteren Augen anstarrte.,,Jocy..."
,,Er soll kein Krieger sein, er ist ein Kind! Ein Baby!", fuhr sie ihn an. Endlich brachen die Emotionen heraus, die sich seit der Geburt anstauten. Jocelyn hatte es satt, als die Verrückte abgestempelt zu werden.
Valentin legte behutsam seine Hand auf ihre Schulter, aber Jocelyn schlug sie weg. ,,Was hast du getan, Valentin? Was hast du getan?"
Wieder keine Antwort. Jocelyn würde es selbst herausfinden müssen und wenn es das letzte war, was sie tat. Sie erinnerte sich an die Alpträume in der Schwangerschaft, die vielen Tage, in denen sie kaum aus dem Bett kam. Valentins Versicherungen, er könne ihr helfen. Was, wenn es ihr schlecht ging, weil er sie Monatelang vergiftete?
Schon oft kamen ihr solch finstere Gedanken, hatte es bisher aber als unbedeutendes Hirngespinst abgetan. Ihr Verstand weigerte sich, in Valentin ein solch grausames Monster zu sehen. Wenn sie ihn ansah, sah sie immer noch den Mann, in den sie sich vor Jahren auf der Schattenjäger Akademie verliebte
,,Jocelyn, dir geht es nicht gut. Lass mich dir helfen", Valentin klang ernsthaft besorgt. Sie zweifelte nicht an seiner Liebe zu ihr, aber sie zweifelte an so viel anderem.
Jocelyn wischte eine Träne aus ihrem Augenwinkel und schüttelte den Kopf. ,,Lass mich in Ruhe. Ich... sehe nach Jonathan."
Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und eilte die Treppe hinauf in Jonathans Zimmer. Dort lag das kleine Baby in seinem Bettchen und schlief. Nein. Beim näherkommen sah Jocelyn, dass er wach war. Vorsichtig hob sie ihn hoch. ,,Mummy wird herausfinden, was dir angetan wurde, mein Süßer", flüsterte sie, während sie ihn auf den Armen hin und herwiegte.
Sie wünschte sich, er würde einen vergnügten Laut von sich geben, lachen oder ein winziges Zeichen von sich geben, dass sie sich irrte. Stattdessen fühlte sie sich, als ob die Temperatur im Raum drastisch fiel. Eine Gänsehaut zog sich über ihren Arm. ,,Jonathan", flüsterte sie und starrte auf das kleine Baby auf ihrem Arm. Er sah süß aus, wären da nicht die Augen, die sich pechschwarz färbten. ,,Jonathan hör auf. Du machst mir Angst."
Jocelyn fürchtete sich nicht vor dem Baby selbst, sie machte sich riesige Sorgen um ihn. Valentin konnte ihr viele Lügen erzählen, aber das war nicht normal.
Jonathan sah zu ihr hinauf und Jocelyn wusste tief in ihrem Inneren, dass es Augen eines Dämons waren, in die sie gerade schaute. Sie beobachtete, wie die Blumen auf der Fensterbank in Sekundenschnelle verwelkten und eilte dorthin. Das Efeu, das sich an den Außenwänden des alten Landhauses rankte, folgte dem Beispiel der Zimmerpflanze und verdorrte, als würde ihnen das Leben entzogen werden.
Sie lud Jonathans Gewicht auf einen Arm, den anderen streckte sie aus, um die tote Pflanze anzufassen. Das Blatt zerbröselte zwischen ihren Fingern. Es handelte sich nicht um einen Traum, es passierte wirklich.
Jonathan wird ein großer Krieger werden
Valentins Stimme dröhnte in ihrem Kopf.
Ihre Vermutung, die sie nicht einsehen wollte, stimmte.
Valentin vergiftete ihren Sohn mit Dämonenblut.
Seine Experimente überschritten eine Grenze, die vielleicht nie wieder rückgängig gemacht werden konnte.Jocelyn wünschte sich zu wissen, was sie tun sollte. Tatsächlich nahm das Gefühl der Hilfslosigkeit die Überhand. Schnell wich sie vom Fenster zurück.
,,Ich werde dich nicht aufgeben, Jonathan. Das ist das einzige, was ich momentan noch weiß."
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Heyy, ich weiß, dass hier sehr lange nichts mehr kam. Heute habe ich allerdings diesen Oneshot gefunden, den ich vor zwei Jahren angefangen zu schreiben habe (etwa die Hälfte des Kapitels). Heute entschied ich mich dazu, ihn zuende zu bringen und dieses Buch vielleicht wieder ab und zu zu updaten. Versprechen werde ich keine regelmäßigen Uploads, aber sollte jemand von euch einen spezifischen Wunsch für einen One Shot haben, so darf er diesen gerne äußern. Das kann ein Ship, eine Person, eine bestimmte Storyline etc. sein.
Ich hoffe, euch geht es allen gut :)
Rewatcht Shadowhunters, lest die Bücher nochmal und lasst dieses fandom nicht sterben 💕