-Harry's Sicht-
Das brummende Geräusch stoppte nach einigen Sekunden. Der Kaffeevollautomat hatte sich erhitzt und fragte mich bereits auf dem Display nach meinem Wunsch. Ich starrte auf den kleinen Bildschirm. Die Frage welche Sorte Kaffee ich gerade trinken wollte, überforderte mich, weshalb ich auf meine gespeicherte Profileinstellung drückte. Schwarzer Kaffee Crema, wie so oft. Star, nicht zu stark. Schwer atmete ich aus. Ich wäre müde. Die letzte Nacht hatte ich kein Auge zu gemacht, zumindest nicht, dass ich wüsste. "Du bist schon wieder wach?": riss mich Zayns verschlafene Stimme aus meiner Trance. Ich konnte hören, wie er barfuß über das Laminat Richtung Badezimmer ging. Einmal quer durch unser Loft. Dann stoppte er. Es war zehn Uhr morgens. "Immer noch.": murmelte ich undeutlich vor mir her. Ich hatte keine Lust zu sprechen. Meine Konzentration lag einzig und allein darauf meine Augen offen zu halten. Mein Becher füllte sich mit Kaffee und der Geruch von frisch gemahlenen Bohnen stieg mir in die Nase. "Immer noch? Wieso das denn? Ich hab heute Morgen gegen halb fünf gehört wie du nach Hause gekommen bist, da dachte ich, dass es mit Louis gut gelaufen ist.": ließ Zayn natürlich nicht locker. Das war mir gleich klar gewesen. Nachdem ich Louis das Tablett mit Getränken vor die Füße geschmissen hab und nach hinten in den kleinen Lagerraum gelaufen war, schickte ich Zayn eine Nachricht mit den Worten: Louis ist wieder da. Zu mehr war ich in dem Moment nicht zu gebrauchen. Es dauerte keine fünf Minuten, dass mein bester Freund mich anrief. Er war genauso verwundert wie ich. "Hmmm...": brummte ich nur, nahm meinen Becher und setzte mich an den großen dunklen Esstisch. Er stand neben der offenen Küche, sodass man den großen Raum gut im Blick hatte. Der Altbau mit den hohen Wänden wirkte nach unserer Renovierung deutlich moderner als zu dem Zeitpunkt, als wir ihn das erste Mal gesehen haben. Ein Loft, welches meinen Eltern gehört hatte. Meine Mutter schenkte es mir zum 23. Geburtstag. Mein Vater wusste genauso wenig davon, wie von meinem Leben. Ich sprach seit Jahren kein Wort mehr mit ihm und er nicht mit mir. So kamen wir am besten miteinander aus. Meine Mutter rief mich aufgrund ihres schlechten Gewissens immer wieder mal an. "Was ist passiert?": ließ der Schwarzhaarige nicht locker, als ich meinen Kopf müde auf meine Hand stützte. Ich hing förmlich über meinen Kaffee. Wenn er nicht so heiß gewesen wäre, hätte ich ihn direkt in mich hinein geschüttet, nur um den nächsten aufzusetzen. "Nicht viel.": sah ich Zayn kurz mit einem Blick an, der verriet, dass ich nicht reden wollte. Doch er setzte sich mir gegenüber, nur in Boxer. Seine Haare waren noch ganz zerzaust. "Ja, ja und ich bin die heilige Maria. Du weißt wie ich es hasse, wenn ich dir ständig alles aus der Nase ziehen muss. Also erzähl.": er wirkte dabei so gespannt, dass es mir beinahe schon wie reine Nervosität vorkam. Konnte er mich nicht einfach in Ruhe meinen Kaffee trinken lassen? Doch da ich wusste, dass er mich nicht mit schwachen Ausreden davon kommen lassen würde, erzählte ich ihm alles. Von dem Moment, in dem ich Louis das erste Mal wieder gesehen hatte bis zu meinem langen Spaziergang in den frühen Morgenstunden.
"Und was hast du nun vor?": war das Einzige was von dem Schwarzhaarigen zurück kam. Er wirkte weder überrascht noch irgendwie gespannt. Er nahm es ganz sachlich. Beinahe so, als hätte er sich auf die Situation schon wochenlang eingestellt. Meine Stirn legte sich in Falten. "Was ich nun vor habe? Meine Kaffee trinken und darauf hoffen, dass ich meine Schichte heute Abend überlebe. Vielleicht haue ich mich auch noch eine Runde aufs Ohr. Schlaf wäre vielleicht nicht schlecht.": zuckte ich mit den Schultern und starrte wieder in die dunkle Flüssigkeit meines großen Bechers. Ich konnte ein Teil meines Spiegelbildes erkennen. Selbst darin konnte ich sehen, wie müde ich doch aussah. Dieser Tag würde ewig dauern. "Ist das dein Ernst? Jetzt ist Louis wieder in deinem Leben aufgetaucht und du willst ihn direkt wieder gehen lassen?": wirkte Zayn nun etwas verärgert. Sein Stimme hob sich ein wenig, doch er schrie mich nicht an. Es war sein typischer "Ich hab Recht und du nicht Ton". Ich nahm den ersten Schluck Kaffee und sah meinen besten Freund über den Becherrand an. Ich wusste, dass er noch nicht fertig mit seinem Vortrag war. "Harry, ich weiß, dass das alles schwer für dich sein muss. Im Grunde viel zu viel und ich bin ehrlich... Ich hatte immer ein wenig Angst vor dem Moment, in dem Louis eventuell wieder in dein Leben treten könnte. Ich hab Angst, dass du wieder durch drehst... Gestern am Telefon, als ich dich angerufen habe, hast du so aufgeregt geklungen. Du hast dich doch entschieden, ihn anzusprechen und das war auch richtig so. Oder bereust du es?": seine Hände falteten sich vor ihm auf dem Tisch ineinander. Sein Blick wich dabei nicht eine Sekunde von mir. Sein besorgter Blick erinnerte mich direkt an dem Morgen, nachdem ich meinen ersten Rückfall hatte. Eine Nacht voll mit Alkohol hatte meinen ganzen Fortschritt von fünf Monaten zunichte gemacht. Und das nur, weil ich ein Bild von Liam gemeinsam mit Louis im Arm gesehen hatte, sie sahen glücklich aus. Dazu muss man jedoch sagen, dass ich nach einem Foto von Louis gesucht hatte. Demnach war ich selber Schuld daran, dass ich mich keine zehn Minuten später begann mich hemmungslos zu betrinken. Zayn fand mich dann später beinahe bewusstlos in einer Bar, nahe unseres Lofts. "Ich weiß es nicht, aber Louis bereut es sicher. So wie ich ihn irgendwann einfach ins Taxi gesetzt hab. Ich hatte noch nicht einmal den Anstand mitzufahren.": schüttelte ich über mein eigenes Verhalten den Kopf. Ich hatte mich selber enttäuscht. Eigentlich dachte ich ein anderer Mensch zu sein, aber bei dem Gespräch gestern mit Louis kam alles wieder hoch. All meine Fehler, die schönen und schlechten Momente mit dem Jüngeren und vor allem schrien mich meine Selbstzweifel in meinem Kopf förmlich an. Ich konnte nichts tun. Es war überhaupt ein Wunder, dass ich es geschafft hatte mit ihm zu reden, anstatt zur Flasche zu greifen. Der Gedanke an Alkohol war mir während ich Zayn die Nachricht im Lagerraum schrieb wirklich gekommen. Es hatte gedauert ihn wenigstens etwas abschütteln zu können. Die ganze Nacht hatte ich darüber nachgedacht einen alten Kontakt anzurufen, der mir ein paar Pillen bringen könnte. Ich tat es nicht. "Ich glaube nicht, dass Louis es bereut. Er ist bestimmt nur genauso verunsichert wie du. Wenn nicht noch mehr. Er war immer schon derjenige von euch, der zu schüchtern war, um zu reden. Ich erinnere mich noch gut daran, wie du mir damals von der Situation in seinem Zimmer erzählt hast. Du wolltest ihn gerade verführen, als seine Mutter rein platze. Du hattest ihn schon immer in der Hand und ich wette, dass sich daran nichts geändert hat.": schmunzelte Zayn mich an und fuhr sich durch die dichten schwarzen Haare. Ich musterte seine Tattoos, während ich ein Grinsen bei dieser Erinnerung ebenfalls nicht unterdrücken konnte. Doch im gleichen Moment fühlte ich mich schlecht. Ich hatte mit ihm gespielt. Die Wette war von mir die wohl mieseste Aktion, die ich je in meinem Leben gebracht hatte und das mochte was heißen. Ich nahm noch einen Schluck Kaffee, ehe ich Zayn antwortete: "Ja, das weiß ich noch. Er war so nervös. Doch ich will ihn gar nicht mehr in der Hand haben. Er hat sich entschieden von mir zu gehen und das war auch gut so. Ich hätte ihn nur noch mehr kaputt gemacht, als ich es ohnehin schon getan hab. Und nun hat er ein eigenes Leben, Freunde, er studiert und vielleicht gibt es ja sogar jemanden, mit dem er sein Leben teilen möchte. Ich möchte nur, dass er glücklich ist. Ich gehöre nicht dazu.". Ich redete leise, aber meinte jedes Wort ernst. Er sollte glücklich sein und das ging nicht mit mir. Auch, wenn ich clean war und mein Leben wesentlich besser im Griff hatte, als zu dem Zeitpunkt, an dem Louis mich verlassen hat, brachte ich immer noch Probleme mit mir. Das würde ich immer tun. Ich atmete tief durch. Zayn wusste, dass ich das Gespräch nicht weiter führen wollte. "Das weißt du nicht, oder hast du ihn danach gefragt?": konterte mein bester Freund und sah mich erwartungsvoll an. "Natürlich nicht.": fuhr er fort, als ich nicht antwortete und ihn nur ansah. Mein Kopf begann zu schmerzen, genauso wie es mein Brustkorb tat. Wie Zayn schon sagte, es war alles zu viel für mich. "Ist doch auch egal. Ich weiß ja noch nicht einmal wo er wohnt...": setzte ich meine Satz gerade an, als ich unsere Haustür klappen hörte. Schritte näherten sich. Niall. Er besaß einen eigenen Schlüssel und wollte heute mit uns in die Stadt. Er brauchte laut seinen Worten "unbedingt neue Schuhe". Keiner wusste wie viele Paare er wirklich besaß. "Wo wer wohnt?": kam er uns mit strahlender Miene entgegen. Gut gelaunt, so wie immer. "Louis.": gab Zayn knapp von sich mit ernsten Blick an den Iren gerichtet, dessen Augen vor Überraschung kurz etwas größer wurden. Das Grinsen behielt er bei. "Gut, dass ich das weiß. Ich hab ihn gerade auf der Straße getroffen, als er aus einem hohen Gebäude kam. Ich hätte ihn fast übersehen. Er schien wirklich durch den Wind, sah nicht gut aus. Aber ich wette, dass auf eines der Klingelschilder bestimmt der Name Tomlinson steht.": stemmte der Blonde seine Hände stolz in die Hüften und schien wirklich stolz auf sein Wissen. Mein Herz wummerte bei dem Gedanken daran, dass Louis wahrscheinlich gar nicht weit weg war. Zayn grinste mich an. "Nein, ich werde nicht zu ihm gehen.": verdrehte ich genervt die Augen, sah die beiden mahnend an, nahm meinen Kaffee und ging auf die Dachterrasse, die an den Wohnraum grenzte. Ich brauchte eine Zigarette.
"Kannst du dich nicht mal entscheiden?": hörte ich Zayn genervt zu Niall sagen, während ich mich von den beiden entfernte. Sie hatten mich doch tatsächlich mal wieder überredet mitzukommen. Schuhe kaufen mit Niall war die reinste Hölle. Während er bestimmt dreißig Paare anprobierte und Zayn ihn beraten sollte, stand ich immer nur blöd daneben. Doch heute wollte ich mir das nicht antun. Mein Kopf dröhnte und ich konnte das Gerede über mich und Louis, welches sie schon den ganzen Vormittag von sich gaben, nicht mehr hören. Ich schlenderte durch den großen Laden und ließ mein Blick über die neusten Sneaker gleiten. Unglaublich, dass auf dem Preisschild meistens dreistellige Beträge standen. Bei so etwas simplen wie Schuhe. Auch wenn ich tatsächlich auch einige in der Preisklasse besaß, konnte ich mich jedes Mal darüber aufregen. Macklemore hatte in seinem Song "Wings" darüber geschrieben wieviel Auswirkungen unsere Schuhe heutzutage doch auf unser Leben hatten. Ich dachte immer an den Song, wenn ich in solchen Läden stand. Leise summend ging ich weiter, bis ich die weißen Vans sah, die Louis am vorherigen Abend getragen hatte. Ich nahm sie in die Hand, betrachtete sie und dachte gar nicht lange über mein Handeln nach. In der Hoffnung, mich an dich richtige Größe zu erinnern, ging ich zur Kasse und legte sie samt Karton auf den Tresen. Die junge Frau lächelte mich verlegen an. "Sie haben einen wirklich guten Geschmack.": grinste sie, während sie das Etikett scannte und den Schuh wieder in den Karton legte. "Ist nicht für mich.": lächelte ich müde zurück. Ich wollte auf keinen Fall unhöflich wirken. Sie schien wirklich nett. "Ich hab mich schon wegen der Größe gewundert. Bei ihrem Körper wären da wirklich kleine Füße.": scannte sie nun auch noch meinen Körper mit ihren Augen ab. Sie wanderten leicht auf und ab. Ich nickte nur und sah sie wartend an. Ich wollte auf ihre Bemerkung nichts erwidern. Der Schmerz in meinem Kopf wurde wieder heftiger. "Das macht dann 89,99 Pfund, bitte.": kam etwas kühl von ihr zurück, als sie bemerkte, dass ich auf ihren Flirt nicht eingegangen war. Es war ihr unangenehm, das konnte ich merken. Es war nicht so, dass sie nicht hübsch war, ich wollte nur nicht. Ich bezahlte, bedankte mich und ging mit der Tüte mit dem Vans Logo zu meinen besten Freunden. Niall hatte sich immer noch nicht entschieden.
Nachdem Niall mir erklärt hatte, wo genau er Louis gesehen hatte, war ich mit dem Versprechen, die anderen nachher abzuholen, ins Auto gestiegen und los gefahren. Sie wollten sowieso noch in ein paar andere Läden. Mein Herz klopfte als ich auf das Gebäude zusteuerte und auf die Klingelschilder sah. Tatsächlich. Tomlinson. Er wohnte wirklich hier. Mein Blick wanderte das Gebäude aus Backstein hinauf. Es musste mindestens zehn Stockwerke haben. Ich atmete tief durch während ich mit mir rang. Sollte ich wirklich hoch gehen? Oder sollte ich es lieber lassen? Mein Griff um den Henkel der Tasche verstärkte sich, ich kniff die Augen zusammen und ging hinein. Es war modern, wirkte beinahe zu neu für den Geschmack, den ich gewöhnlich von Louis kannte. Mein Herz raste, als mir ein Mann entgegen kam, der leichte Ähnlichkeit mit dem Wuschelkopf hatte. Auch, wenn man ihn eigentlich nicht mehr so nennen konnte. Seine Haare waren gestern perfekt gestylt. Ein wenig so, wie man es früher getragen hatte. Mit einer leichten Locke nach hinten. Ich grinste, als ich an ihn dachte. Ich nahm die Treppe, da ich nicht wusste in welches Stockwerk ich musste. Stock für Stock sah ich auf die Klingelschilder, bis ich eine ältere nette Dame traf, die mich lächelnd ansah. "Kann ich ihn vielleicht helfen?": fragte sie freundlicherweise und sah mich über ihren Brillenrand an. Sie musste deutlich nach oben sehen, weil sie so viel kleiner war als ich. Sie trug einen alten Faltenrock mit einem langen Mantel darüber. Ich dachte kurz an meine Großmutter. "Oh, ähm, ja ich suche die Wohnung von Louis Tomlinson... Kennen Sie ihn?": lächelte ich höflich zurück und konnte ein Strahlen in ihren Augen entdecken, als ich Louis' Namen erwähnte. "Natürlich, Louis! Er ist mein Nachbar. Gleich die Tür hinten rechts.": deutete sie mit ihrer Hand den Flur entlang und grinste mich weiter an. "Er ist so ein lieber Junge. Er kauft öfter für mich mit ein.": schien sie sichtlich begeistert von dem Kleineren. Ich konnte ein großes Grinsen nicht unterdrücken. Das klang ganz nach dem Louis, den ich kannte. "Dankeschön für die Hilfe.": nickte ich ihr zu und wünschte ihr noch einen schönen Tag. Solche Menschen traf man viel zu selten. Ich ging den Flur entlang, legte die Tüte vor seine Tür und sah die Klingel an, klingelte aber nicht. Ich traute mich schlichtweg einfach nicht. Die ältere Dame stand immer noch auf dem Flur und sah mich traurig an: "Wollen Sie denn gar nicht klingeln? Er ist bestimmt zu Hause." Ich lächelte ihr traurig zu: "Ich glaube er möchte mich nicht sehen." Dann ging ich aus dem fünften Stock wieder hinunter auf die Straße. Ich konnte den traurigen Blick der Dame noch spüren, als ich bereits wieder in meinem Wagen saß. Tränen stiegen in meinen Augen und verschwanden aber auch wieder genauso schnell, wie sie gekommen waren. Ich musste Zayn und Niall noch abholen.
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2500 words.
Hiii, ich bins wieder. Ich hoffe es gefällt euch? Was haltet ihr davon? All the love, W.
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He calls me "Haz" - larrystylinson
Fanfikce"Nie hätte ich je gedacht noch einmal in diese Augen schauen zu dürfen. Es ist Schicksal, dass ich ihn wieder getroffen habe und dieses Mal werde ich ihn nicht gehen lassen." Fortsetzung zu "He calls me 'Lou'".