17 | Gewitter & Stromausfall

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Die folgende Woche vergeht wie im Flug. Mit der Reha geht es gut voran. Mittlerweile sitze ich nicht mehr nur auf dem Ergometer, sondern darf auch andere kleine Übungen wie Liegestütze oder so machen. Alles natürlich unter den strengen Augen von Dina. Mit Dina verstehe ich mich immer besser. In den anderthalb Wochen, die wir schon zusammen arbeiten, haben wir uns sehr schnell richtig angefreundet und uns auch schon außerhalb der Reha getroffen.

Heute ist Dienstag und für Pia und die Wölfinnen geht es ab nach Serbien. ,,Viel Erfolg für das Spiel“, wünsche ich ihr kurz bevor sie abgeholt wird, um zum Treffpunkt zu fahren. ,,Danke! Dir viel Spaß mit Lia. Macht euch zwei schöne Tage, wer weiß was daraus noch wird“, meint Pia mit einem Augenzwinkern. Ich verdrehe einfach nur die Augen. Die gesamte letzte Woche musste ich mir immer wieder solche Kommentare anhören. Mittlerweile antworte ich kaum noch darauf. Soll sie mich halt damit ärgern, aber da ist absolut gar nichts. Pia sieht das natürlich ganz anders. Gestern hat sie erzählt, dass Tabbi das wohl auch gesagt hätte, aber wirklich glauben tue ich ihr nicht. Sie will mich einfach nur ärgern.

Lia kommt am Mittwoch Mittag. Den gesamten Vormittag langweile ich mich total. Ich kann ja auch nicht wirklich was tun. Um dreiviertel zwölf fährt dann Lias Auto vor. Endlich! Lia hat Brötchen fürs Mittagessen mitgebracht und wir machen uns Sandwiches. Nachmittags spielen wir Spiele, wie Ligretto, Monopoly und Carcassonne. Nebenher reden wir über Gott und die Welt und Fußball. Es ist irgendwie schon ein Wunder, dass wir trotz der ganzen Telefonate noch genügend Gesprächsthemen haben. Abends kochen wir uns einen Nudelauflauf mit Paprika, Schafskäse und Pesto. Es schmeckt total lecker. Um neunzehn Uhr beginnt dann das Champions League Spiel von Wolfsburg. Aufgrund dessen, dass das Spiel wirklich nirgends übertragen wird, können wir es leider nicht schauen. Das einzige was uns bleibt, ist ein Live-Ticker, der aber nur die Tore meldet. Ganz toll. Bei den Männern würden bestimmt gleich drei Anbieter das Spiel zeigen und es gäbe hundert Live-Ticker, die gefühlt jeden Pass dokumentieren.

,,Wollen wir noch einen Film schauen?“, frage ich Lia, nachdem wir uns ausgiebig über die Nichtübertragung und den Live-Ticker aufgeregt haben. ,,Au ja, welchen denn?“, stellt sie die Gegenfrage. ,,Harry Potter?“, schlage ich vor. ,,Yes, den dritten?“ Ich nicke. Lia schiebt den Film ein und kuschelt sich dann neben mich auf die Couch.

Plötzlich donnert es. Es hat schon den ganzen Tag geregnet und für den Abend waren auch Gewitter vorhergesagt. Ich merke, wie ich angespannt werde. Ich habe jetzt nicht richtig Angst vor Gewittern, aber ganz wohl fühle ich mich dabei nicht. Lia weiß das natürlich und greift meine Hand. ,,Alles ist gut“, sagt sie. Ich nicke und konzentriere mich wieder auf Harry Potter, der sich gerade nach Hogsmeade geschlichen hat.

Das Gewitter wird stärker. Der nächste Donner folgt quasi direkt auf den Blitz und bei dem Knall zucke ich zusammen. Lia drückt meine Hand fester. Dankbar lächele ich ihr zu und rutsche ein Stück näher zu ihr. Dann geht plötzlich das Licht und der Fernseher aus. Es ist komplett dunkel. Jetzt ist es Lia, die zusammenzuckt. Dunkelheit ist eine der Sachen, die sie so gar nicht mag. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. ,,Ganz ruhig“, sage ich zu ihr und nehme sie in den Arm. ,,Ist das nur bei uns?“, fragt Lia und kuschelt sich an mich. Ich spüre, dass sie Angst hat. ,,Weiß ich nicht. Aber ich kann leider nicht aufstehen und nachschauen. Wenn dann müsstest du schnell zum Fenster laufen“, erwidere ich. ,,Nein!“, sagt Lia schnell. Das dachte ich mir schon. ,,Und jetzt?“, fragt sie und ich höre die Angst in ihrer Stimme. ,,Ich kann Dina schreiben, ob bei ihr auch Stromausfall ist“, schlage ich vor. ,,Ja, bitte.“ ,,Dann musst du aber meinen Arm kurz loslassen, damit ich mein Handy vom Tisch nehmen kann“, sage ich. Lia hat meinen Arm komplett umklammert.

Lia löst das Klammern ein bisschen und ich taste auf dem Wohnzimmertisch nach meinem Handy. Als ich es finde, stelle ich meine Mobilen Daten an, unser WLAN funktioniert ja logischerweise auch nicht mehr, und schreibe Dina eine WhatsApp. ,,Jetzt müssen wir nur noch auf ihre Antwort warten“, sage ich, schalte meinen Benachrichtigungston an und lege mein Handy zurück auf den Tisch. Lia umklammert mich wieder stärker.

,,Alles wird gut“, sage ich leise und beginne ihren Rücken zu streicheln. Immerhin hat es aufgehört zu Gewittern. Lia setzt sich etwas anders hin oder besser gesagt, rutscht, wenn es überhaupt noch möglich ist, noch ein Stück näher zu mir. Ich nehme sie fest in den Arm. Meine Augen gewöhnen sich mittlerweile ein bisschen an die Dunkelheit. So erkenne ich, dass Lia quasi auf meinem Schoß sitzt.

Da legt sich in meinem Kopf ein Schalter um. Pia hat Recht. Ich habe mich in Lia verliebt. Ich habe es mir immer ausgeredet, aber jetzt wo sie sich an mich kuschelt und fast auf meinem Schoß sitzt, sehe ich es auch. Ich wollte es nicht wahr haben, wollte wahrscheinlich unsere Freundschaft nicht zerstören, aber jetzt geht es nicht mehr. Ich kann es nicht mehr verdrängen. Ich habe mich in diese Hammer Frau verliebt.

Lia hebt ihren Kopf und schaut mir direkt in die Augen. Ich streichle über ihren Rücken und merke, wie ein Schauer sie durchzuckt. Just in dem Moment klingelt mein Handy.

No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt