No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch Ff

1 | Ankunft

,,57, 58 und 59“, zähle ich und komme so endlich im dritten Stock vor unserer Wohnung an. ,,Dann können wir ja schon fast einen Teil des Trainings im Kraftraum weglassen“, lacht Pia-Sophie Wolter, meine neue Mitbewohnerin, neben mir, die vorgeschlagen hat, die Stufen Mal zu zählen. ,,Aber nur fast“, sage ich ebenfalls lachend und öffne die Tür zu unser WG. Mittlerweile ist fast alles eingerichtet. Heute Morgen bin ich das letzte Mal nach Potsdam gefahren, um meine letzten Sachen zu holen. Damit ist der Umzug komplett. Auch Pia hat noch die letzten Sachen aus ihrer alten Wohnung geholt. Jetzt muss das alles nur noch ausgepackt und verstaut werden. Ich stelle den Karton, den ich gerade hochgetragen habe, im Esszimmer ab und mache mich wieder auf den Weg nach unten. Pia tut es mir gleich. Ich würde jetzt nicht sagen, dass unser Zusammenziehen aus dem Nichts heraus kam, aber wirklich gut kannten wir uns davor nicht. Doch das hat sich schnell geändert und wir verstehen uns echt gut. Davor kannten wir uns so ein bisschen aus den U-Nationalmannschaften und über Sara Doorsoun habe ich dann mitbekommen, dass Pia, so wie ich, auch in eine WG ziehen möchte. Und jetzt wohnen wir zusammen

Heute müssen wir definitiv kein Krafttraining oder ähnliches mehr machen. Wobei wir gerade sowieso Sommerpause haben und da nichts bis fast nichts machen. Ein letztes Mal die 59 Stufen hoch, dann habe ich es fürs erste geschafft. Ich schließe die Wohnungstür hinter mir und betrachte die Kartons und Koffer auf dem Boden von unserem Esszimmer und unserem Wohnzimmer. Wobei das eigentlich ein Zimmer ist. ,,Na dann, lass uns Mal auspacken, damit wir nachher das Spiel schauen können“, beschließt Pia. ,,Ich muss erstmal noch eine Runde mit Cinni raus“, sage ich. ,,Auspacken kann ich auch morgen noch.“ Cinnamon, genannt Cinni, ist meine Hündin, eine kleine Bollipoo und vier Jahre alt. Für sie war mein Umzug von Potsdam nach Wolfsburg ziemlich stressig, aber jetzt ist das ja geschafft. Endlich in Wolfsburg. Aber in Potsdam war es auch sehr schön. Allerdings habe ich für mich eine neue Herausforderung gesucht und dafür ist Wolfsburg ganz gut. Ich meine, sie spielen in der Champions League und das tut Potsdam eben nicht. Ich muss nur die Leine vom Haken nehmen und schon kommt Cinni angerannt. Ich stülpe ihr ihr Halsband um und befestige die Leine daran. ,,Dann bis gleich“, rufe ich Pia zu, die im Esszimmer beginnt einen Karton auszuräumen. ,,Bis gleich!“

Nach einer halben Stunde kommen wir wieder an dem Wohnkomplex an. Oben angekommen, sehe ich als erstes die Fußmatte, die vor der Tür liegt. ,,Herzlich Willkommen wäre übertrieben“ steht darauf. Ich schüttele den Kopf und schließe die Tür auf. Ich putze Cinni schnell die Pfoten ab, fülle noch ihren Napf und gehe dann zu Pia ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft schon, aber es wird gerade nur eine Zusammenfassung von einem anderen WM Spiel gezeigten. ,,Schöne Fußmatte“, begrüße ich sie. ,,Ja oder“, lacht sie. ,,Kam schon was wichtiges?“, frage ich und setzte mich aufs Sofa. ,,Die Aufstellung halt, aber sonst nichts“, meint Pia. ,,Und?“ ,,Ja, keine große Überraschung. Bis auf, dass Lea Schüller für Turid Knaak und Marina Hegering für Lena Gössling spielt, genauso wie gegen Spanien“, erzählt Pia. Ich nicke. Da endet die Zusammenfassung und eine Moderatorin und Celia Sasic beginnen zu reden. Das meiste davon weiß ich sowieso schon. Es geht auch noch Mal um das Spiel gegen Spanien, dass wir 1:0 gewonnen haben. Wobei ,,wir“ bisschen das falsche Wort. Ich bin ja nicht dabei.
,,Wollen wir einfach kalt essen, weil jetzt noch zu kochen reicht nicht und nach dem Spiel ist es zu spät?“ frage ich, damit ich nicht schon wieder in mein mentales Loch zu fallen. Das passiert mir in letzter Zeit öfter. ,,Ja klar, soll ich was vorbereiten?“, will sie wissen und steht auch schon auf. ,,Nein, alles gut. Ich mach das schon“, sage ich und gehe rüber in die Küche. Pia war vorhin irgendwann noch Einkaufen, so dass ich erstmal schauen muss, was es so gibt. Letztendlich mache ich einen kleinen Salat, schneide ein paar Scheiben Brot ab und mache damit Sandwiches. Diese trage ich dann ins Wohnzimmer und Stelle sie auf den kleinen Tisch vor der Couch. ,,Danke. Du kommst übrigens gerade rechtzeitig zum Einlauf der Mannschaften“, meint Pia. Ich nicke und setzte mich wieder hin.

Ich glaube kein Mensch möchte mit Pia und mir Fußball schauen. Schon gar nicht, wenn es Spiele von der Nationalmannschaft sind, bei der sie ja quasi alle Spielerinnen kennen. Cinni guckt immer ganz komisch, wenn Pia und ich wieder unsere Kommentare abgeben und den Fernseher anschreien. Ich kommentiere sowas aber echt gerne, nur dass ich vielleicht etwas parteiisch bin. Aber man muss ja seine Mannschaft unterstützen! Zur Halbzeit steht es 3:0 für uns. In der zweiten Halbzeit geht es etwa genau so gut weiter. Klar, uns passieren auch der ein oder andere Fehler, aber Almuth Schult ist heute einfach überragend. Nach einen Freistoß von Caro Simon bringt Lina Magull den Ball schließlich noch einmal ins Tor. Von da an passiert eigentlich nichts wirklich spannendes mehr. Es ist die 82. Minute, als der letzte Wechsel der Deutschen statt findet. Die Kamera schwenkt zur Seitenlinie und dort steht der Typ mit der Anzeigetafel, daneben steht die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Leonie Maier. Leonie kommt für Caro. Das verkündet jetzt auch der offizielle Kommentator. Und das trifft mich härter als gedacht. Leonie spielt auf der gleichen Position wie ich, also als linke Außenverteidigerin. Wie man sieht ist sie jetzt bei der WM dabei und ich nicht. Klar, ich gönne es ihr total und sie hat es auch verdient, aber ich hätte eben auch dort stehen können. Ich hätte euch mit zur WM gekonnt, aber Martina hat Leonie gewählt und nicht mich. Das macht mir immer noch sehr zu schaffen.