45 | In Potsdam

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Am nächsten Morgen weiß ich, dass es die einzig richtige Entscheidung ist, nach Potsdam zu fahren. Ich habe in der Nacht zwar nicht unbedingt viel geschlafen, was zum einen an der kleinen Meisterfeier liegt und zum anderen an dem bevorstehenden Tag. Aber ich muss wirklich mit Lia reden. Es kann so nicht weiter gehen. Ich kann einfach nicht ohne sie. Aber trotzdem habe ich Angst davor mit ihr zu reden. Was wenn sie mich sofort wieder wegschickt? Was wenn sie mich nicht sehen will? Was wenn sie mir nicht glaubt? Darüber habe ich mir die gesamte Nacht Gedanken gemacht. Zu einem Ergebnis bin ich nicht gekommen. Wie auch? Ich weiß eben nicht, was in Lias Kopf vorgeht.

Während ich frühstücke, werfe ich einen Blick in die Tageszeitung. Da steht tatsächlich ein Bericht über unseren Meistertitel drin, sogar mit Bild. Unwillkürlich muss ich grinsen. Deutscher Meister zu sein fühlt sich schon cool an. Es ist mein erster Meistertitel. Bei Potsdam haben wir es im der Zeit, in der ich da war, leider nicht geschafft Meister zu werden. Umso schöner, dass es bei Wolfsburg direkt geklappt hat. Auch wenn ich nicht ganz so viel dazu beitragen konnte. Aber das ändert sich ja jetzt wieder.

Stephan hat gestern gesagt, dass wenn meine Trainingsleistungen diese Woche stimmen, dann werde ich im Kader für das DFB-Pokal Finale am Sonntag stehen. Und dafür brauche ich Lia. Ich will das schaffen, aber alleine kann ich es nicht. Dass meine Trainingsleistungen nicht so gut sind, liegt zweifellos daran, dass ich mich mit Lia gestritten habe und der Kontakt zwischen uns quasi nicht mehr existiert. Das war im Dezember ja auch so. Ich muss es irgendwie schaffen, mich wieder mit Lia zu vertragen. Sie fehlt so krass in meinem Leben.

Während der Fahrt zerbreche ich mir weiter meinen Kopf, wie ich mit Lia rede. Irgendwann rufe ich Frido an, die zum Glück schon wach ist. Immerhin gelingt es ihr mich wenigstens etwas abzulenken und außerdem verrät sie mir, dass sie Tabbi in meinen Besuch eingeweiht hat, so dass ich mir ein paar Gedanken weniger machen kann. Wenn ich mir zu viele Gedanken mache, geht es nur schief und das muss ich vermeiden.

Ich steige aus dem Auto und gehe zur Tür. Dann klingele ich. Tabbi meldet sich und lässt mich rein. Als ich oben ankomme, steht Tabbi vor der angelehnten Wohnungstür. ,,Hey Feli“, begrüßt sie mich und umarmt mich kurz. ,,Hey. Lia ist drinnen oder?“, frage ich. ,,Ja. Sie weiß von nichts. Aber ich kann dir sagen, dass es ihr nicht ganz so gut geht. Ich habe ihr gesagt, dass ich mich mit einer Freundin treffe und deswegen ahnt sie auch trotz des Klingelns wahrscheinlich wirklich nichts. Aber ich bin dann auch Mal weg und lass euch beide alleine. Viel Erfolg und klärt das bitte“, meint Tabbi. ,,Ich hoffe es“, erwidere ich. Tabbi lässt mich rein und schließt dann die Tür. Ich ziehe meine Schuhe aus und gehe in Richtung Wohnzimmer.

Lia liegt auf dem Sofa und liest. ,,Hallo Lia“, sage ich leise und setze mich ans anderen Ende vom Sofa. ,,Lass mich in Ruhe und geh Felicitas“, meint sie ohne von ihrem Buch aufzuschauen. Sie muss wirklich sauer auf mich sein, wenn sie mich Felicitas nennt, aber das ändert nichts daran, dass ich mich wieder mit ihr Verträgen muss. ,,Kann ich dir wenigstens noch kurz mit dir reden? Dann gehe ich auch, aber ich muss mit dir reden.“ Lia antwortet nicht. Sofort verlässt mich der Mut. Falls er jemals existiert hat. ,,Ich werte das als ein ,Ja‘“, sage ich einfach.

,,Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid, dass wir uns gestritten haben. Ich habe das alles nicht so gemeint“, fahre ich fort. ,,Das sagen sie alle“, erwidert Lia. ,,Aber bei mir ist es wirklich so. Hör mir zu, ich will wirklich, dass es dir auch gut geht. Natürlich sollst auch du glücklich sein mit der Entscheidung. Es ist ja auch deine Entscheidung, also musst du damit glücklich sein. Lass mich außen vor und sei egoistisch. Das ist manchmal auch okay. Entscheide sie es für dich gut ist und ich akzeptiere es. Wirklich! Ich will doch nur das Beste für dich“, sage ich. ,,Und wenn ich hier in Potsdam bleibe?“, fragt Lia. ,,Dann akzeptiere ich das. Ich bin in Wolfsburg glücklich und du wahrscheinlich hier, sonst würdest du ja nicht bleiben wollen. Und dann ist das gut so. Das mit der Fernbeziehung bekommen wir schon irgendwie hin. Wir haben es ja die letzten Monate auch gut geschafft. Natürlich wäre es schöner näher beieinander zu sein, aber wenn wir es wirklich wollen, was ich hoffe, dann klappt es auch so“, antworte ich.

,,Ich weiß aber, dass für dich nicht okay sein wird, wenn ich in Potsdam bleibe“, wirft Lia ein. Sie glaubt mir nicht und das versetzt mir sofort einen Stich ins Herz. ,,Ich kenne dich zu gut. Und ich verstehe es auch, dass du mich gerne bei dir hättest, aber es ist nun Mal so, dass ich höchstwahrscheinlich in Potsdam bleibe“, fügt sie noch hinzu. ,,Lia, ich meine es wirklich so. Es ist okay für mich, dass du hier bleibst. Du musst glücklich sein. Wenn du glücklich bist, dann bin ich es auch. Aber ich brauche dich. Ich kann nicht ohne dich“, beteure ich. Lia schweigt.

,,Glaubst du mir wirklich nicht?“, frage ich noch. Lia braucht noch einen Moment um zu antworten. ,,Ich glaube schon. Aber bitte akzeptier es wirklich, wenn ich hier bleibe. Ich kann dir zwar noch nicht sagen, was ich machen werde, weil ich es immer noch nicht weiß. Bitte enttäusch mich nicht“, sagt Lia. ,,Das würde ich nie wollen. Ich liebe dich“, sage ich. ,,Ich liebe dich auch“, erwidert Lia und geht ihr Buch endlich weg um mich zu küssen.

Da fällt mir erst auf wie blass sie ist. ,,Geht es dir gut?“, frage ich besorgt. Wenn ich mich richtig erinnere, meinte Tabbi vorhin auch, dass es Lia nicht ganz blendend geht. ,,Naja, Kopfschmerzen und leichte Übelkeit. Aber sonst ist alles gut“, antwortet Lia matt. ,,Komm her“, sage ich und breite meine Arme aus. Lia kuschelt sich an mich. Schon bald schläft sie ein, mit ihrem Kopf auf meinem Bauch. Ich kann nicht anders als zu lächeln.

No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt